Hilfe, ich muss eine Rede halten! Wenn die Lampen angehen und das Fieber ausbricht

Als Unternehmer stehen Sie täglich im Mittelpunkt: Beim Finanzamt, wenn was schief läuft und natürlich bei Ihren Mitarbeitern. Das ist nun mal Ihr Job; das sind Sie gewohnt. Ganz anders ist die Situation wenn Sie in den Mittelpunkt gerückt werden: „Können Sie auf unserer Tagung eine Rede halten?“ oder „Können Sie zum Thema xy einen Vortrag halten?“Abseits der täglichen Routine betreten Sie hier unsicheres Terrain: unbekannte Räume, unbekannte Menschen. Kurzum: Alles fremd und Sie stehen allein im Mittelpunkt. Und das kann Angst auslösen.

Studien besagen, dass bis zu 85 Prozent der Menschen Angst vor öffentlichem Reden haben; die restlichen 15 Prozent wollten es wahrscheinlich nicht zugeben. Damit rangiert diese Angst noch vor der Angst vor dem Tod! Informationsveranstaltung Foto Grit Gehlen

Und viele empfinden es so dramatisch, als führe der Weg auf die Bühne direkt zum Schafott. Große Schweißflecken bilden sich auf dem Hemd oder der Bluse, der Kopf wird glühend rot, die Hände zittern und das Herz will aus der Brust springen. Alles ist auf Flucht geschaltet, doch es gibt nur den Weg auf die Bühne. Dort sind dann alle Lampen auf Sie gerichtet und das Fieber erreicht seinen Höhepunkt.
Wenn das Lampenfieber Sie dann blockiert, kann das der Anfang vom Ende sein. Gerade die ersten Minuten sind entscheidend dafür, wie Sie beim Publikum ankommen.
Wenn Sie unsicher wirken, sich gleich verhaspeln und den Eindruck erwecken, Sie möchten nur noch weg, dann schließt sich Ihr Publikum dieser Strategie an: Es will auch nur noch weg.
Was also tun, um nicht angstgetrieben auf der Bühne zu erscheinen? Sich medikamentös selbst zu therapieren bringt nichts. Mit geweiteten Pupillen auf die Bühne zu schweben und mit dem Satz einsteigen „Alles so schön bunt hier“ hätte einem vielleicht noch Anfang der 70-iger Jahre Sympathien eingebracht.
Sie können Ihre Ängste nur verringern, wenn Sie Sicherheiten schaffen. Schaffen Sie so viel Sicherheit, wie es möglich ist.

Sicherheit durch Vorbereitung

Es gibt Menschen, die vorbereitet mit nur drei Stichwörtern eine Rede von 30 Minuten halten können. Die machen es fast täglich und kennen ihr Themenfeld in- und auswendig.
Dann gibt es jene, die ohne Vorbereitung und ohne Stichwörter aus dem Stand 60 Minuten reden können. Diese können leicht und locker über alle Themen sprechen, weil sie meist von jeglicher Sachkenntnis unbelastet sind. Die sind aber im Gegensatz zu den meisten nicht aufgeregt, sondern regen andere auf.

Wenn Sie Vorträge und Reden (im Folgenden spreche ich von Geschichten) nur ab und zu halten, ist eine fundierte Vorbereitung die halbe Miete, um Sicherheit zu gewinnen.
Nur wenn Sie Zeit in die Vorbereitung investieren, werden Sie Ihre Geschichte sicher und überzeugend erzählen können.
Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um Ihre Geschichte zu entwickeln und zu strukturieren.
Wenn Sie denken, dass Ihre Geschichte rund ist, erzählen Sie diese wem auch immer. Und wenn niemand da ist, dann erzählen Sie sie in den freien Raum hinein. Seminar Foto Grit Gehlen
Machen Sie das mehrmals. Sie werden mit jedem Mal etwas sicherer und können dann sogar anfangen zu variieren, indem Sie beispielsweise das Sprechtempo verändern und bewusst Pausen machen.  Routine gibt Sicherheit und so schaffen Sie es im „Trockendock“, Routine zu entwickeln.

Einige Experten empfehlen in der Übungsphase den Vortrag als Video aufzunehmen. Ich rate davon ab. Wenn Sie es nicht durch Trainings oder Coachings gewohnt sind, mit diesem Medium zu arbeiten, wird es Sie mehr verunsichern, als dass es Ihnen Sicherheit verleiht. Die Fremdwahrnehmung ist anders als die eigene Wahrnehmung. Wer kennt das nicht: „Oh Gott wie sehe ich denn da aus?“ oder „ Was, so komme ich rüber?“

„Aber was ist wenn ich auf die Bühne gehe und plötzlich ist alles weg?“
Damit das nicht geschieht, helfen Stichwortkarten und eine Raumbegehung.
Schreiben Sie auf kleine Karten Signalwörter, die Sie weitertreiben. Durch Ihre Trockenübungen verfügen Sie schon über den „Flow“ und es bedarf nur noch eines Signals, um wieder weiterzukommen.
Um Sicherheit für den Anfang Ihrer Rede zu gewinnen, schreiben Sie für die Einleitung einige Wörter mehr auf. Erfahrungsgemäß verfliegt die Aufregung nach kurzer Zeit.
Zusätzliche Sicherheit können Sie dadurch gewinnen, dass sie vor Beginn Ihres Auftritts auf die Bühne gehen und den Raum erkunden. Gehen Sie bewusst in die Mitte und verweilen Sie dort, bewegen Sie sich auf und ab. Gestikulieren Sie, sprechen Sie in den Raum einige Sätze. Mit diesem Habitus erobern Sie den Raum und machen das Fremde zum Vertrauten.

Sicherheit durch Ablenkung

Kurz vor Ihrem Auftritt ist die Nervosität am stärksten. Es scheint, als gäbe es in Ihrem Leben nichts Wichtigeres als diesen Auftritt.
Gehen Sie dagegen an. Relativieren Sie bewusst diese Bedeutsamkeit.
Denken Sie an das, was danach kommt und denken Sie vor allem positiv: Das Abendessen mit Ihrer Familie oder das Zusammensein mit Freunden. Lassen Sie dadurch Ihren Auftritt etwas verblassen und in den Hintergrund rücken.
Unternehmen Sie einen Spaziergang oder joggen Sie. Durch Bewegung kann überschüssiges Adrenalin abgebaut werden, so dass Sie ruhiger und entspannter werden.
Hören Sie Ihre Lieblingsmusik oder reden mit Menschen über alles, nur nicht über Ihren unmittelbar bevorstehenden Auftritt.
Und einige Minuten vor Ihrem Auftritt: Atmen Sie einige Male tief ein und langsam wieder aus. Mit der 4-7-8-Technik können Sie sich ganz einfach beruhigen. Atmen Sie 4 Einheiten lang ein, dann 7 Einheiten Luft anhalten und abschließend 8 Einheiten ausatmen. Das beruhigt.
Denken Sie an etwas Angenehmes, Positives, das Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Wenn Sie an weiteren Techniken interessiert sind, Ihr Lampenfieber zu kühlen, dann googeln Sie einfach mal danach.
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Sie ausprobieren können.

Und noch eine letzte wichtige Erkenntnis:
Wie kann es sein, dass ich ein Nervenbündel bin und alle anderen so cool?
Ganz einfach: Ihre Eigenwahrnehmung unterscheidet sich stark von der Wahrnehmung durch das Publikum. Das Publikum bekommt immer nur einen Bruchteil Ihrer Nervosität mit.
Also: Nervosität ist ganz normal und gehört zum Geschäft.

Wir Deutschen sind für unser Perfektionsstreben bekannt und berüchtigt. Aber Perfektion kann langweilig wirken.
Erst menschliche Schwächen und auch Fehler machen uns authentisch und sympathisch.

Stehen Sie dazu und versuchen Sie nicht, ein anderer zu sein.

Raymund Heuzeroth

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