Geltendmachung des Mindestlohnes durch den Arbeitnehmer ist kein Kündigungsgrund., Arbeitszeiterhöhung

Gesetzlicher Mindestlohn und Kündigung bei Geltendmachung

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 17.04.2015 – Az.: 28 Ca 2405/15 – entschieden, dass eine Kündigung gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt, sofern sie darauf gestützt wird, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindestlohn verlangt.

Geltendmachung des Mindestlohnes durch den Arbeitnehmer ist kein Kündigungsgrund.

Geltendmachung des Mindestlohnes durch den Arbeitnehmer ist kein Kündigungsgrund.

Im entschiedenen Fall war der Kläger seit März 2009 als Hauswart bei der Beklagten tätig. Arbeitsvertraglich war ein Monatslohn von 315 € brutto vereinbart, verteilt auf 14 Arbeitsstunden pro Woche.
Mit Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 verlangte der Kläger von der Beklagten die Anhebung seines Stundenlohns auf die gesetzlich geforderte Höhe von 8,50 €.
Daraufhin unterbreitete die Beklagte dem Kläger ein Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrages dahingehend, dass die regelmäßige monatliche Arbeitszeit auf 32 Stunden reduziert und das monatliche Grundgehalt auf 325 € brutto angehoben werde. Als der Kläger dies ablehnte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2015.

Der Kläger hält die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot für unwirksam. Zudem verlangt er auf der Grundlage des ursprünglichen Arbeitsvertrages den Differenzbetrag zwischen der Grundvergütung von 315 € und dem Mindestlohn.
Die Beklagte ist hingegen die Ansicht, dass sie die Kündigung auf die unterlassene Vertragsänderung bzw. die unterlassene Mitwirkung des Klägers an der Dokumentation seiner Arbeitszeit stützen könne.

Das Arbeitsgericht Berlin hat sowohl der Kündigungsschutz- als auch der Zahlungsklage stattgegeben.

Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte allein den Wunsch des Arbeitnehmers nach Anhebung seines vertraglichen Lohnanspruchs auf das Niveau des gesetzlichen Mindestlohn zum Anlass genommen habe, um die Kündigung auszusprechen.

Dies verstoße aber gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wonach der Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden darf, wenn er in zulässiger Weise seine Rechte geltend macht. Entscheidend sei hierbei der zeitliche Zusammenhang zwischen der Rechtsausübung und der Benachteiligung.

Es sei nicht erkennbar, warum der Kläger die geforderte Arbeitsleistung nunmehr in der Hälfte der Arbeitszeit erledigen könne. Der dahingehende Vortrag der Beklagten sei in sich nicht schlüssig.

Auch der Einwand der unterlassenen Arbeitszeitdokumentation durch den Kläger könne die Kündigung im Ergebnis nicht rechtfertigen. Die Dokumentationspflicht nach § 17 Abs. 1 MiLoG obliege allein der Beklagten. Zwar könne sich aus dem Arbeitsverhältnis eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers ergeben, entsprechende Daten im Rahmen des Zumutbaren beizusteuern. Die Beklagte habe jedoch nicht substantiiert vorgetragen, dass der Kläger gegen eine solche Nebenpflicht verstoßen habe. Selbst wenn man von einer Pflichtverletzung seitens des Klägers ausginge, wäre eine Abmahnung als milderes Mittel angezeigt gewesen. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich zudem die beanspruchte Differenzvergütung aus einer entsprechenden Anwendung des § 612 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 MiLoG.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Fazit:
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns rechtfertigt keine Änderungskündigung mit dem Ziel, die monatliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers bei gleicher Arbeitsleistung zu reduzieren. Eine dennoch ausgesprochene Änderungskündigung verstößt gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB und ist daher unwirksam.

2015-10-29

Print Friendly, PDF & Email