MINT-Frühjahrsreport: Mehr als 300.000 offene Stellen

Der aktuell veröffentlichte MINT-Frühjahrsreport zeigt, dass die so genannte MINT-Lücke im Zuge der konjunkturellen Abkühlung zwar in den vergangenen drei Monaten wieder leicht gesunken ist, sie bleibt aber weiterhin auf sehr hohem Niveau.

Nach einem coronabedingten Rückgang im Jahr 2020 ist die MINT-Lücke in den letzten zwei Jahren wieder deutlich angestiegen.
Im April 2023 stehen in den MINT-Berufen insgesamt rund 496.500 zu besetzende Stellen bundesweit 190.570 Personen gegenüber, die arbeitslos gemeldet sind und gerne einem MINT-Erwerbsberuf nachgehen würden. Über sämtliche Anforderungsniveaus konnten somit bundesweit mindestens 305.900 Stellen in MINT-Berufen nicht besetzt werden. Im Vergleich zum Rekordwert aus dem April 2022 ist die MINT-Lücke damit leicht um 3,8 Prozent gesunken.

Mit 141.300 Personen bilden im April 2023 die MINT-Expertenberufe die größte Engpassgruppe, gefolgt von 134.100 Personen im Segment der MINT-Facharbeiterberufe sowie 33.000 im Segment der Spezialisten- beziehungsweise Meister- und Technikerberufe. Im Vergleich zum Rekordwert aus dem April 2022 ist die MINT-Lücke leicht um 3,8 Prozent gesunken.
Differenziert man die Lücke nach MINT-Bereichen, so zeigen sich die größten Engpässe in den Energie-/Elektroberufen mit 88.600, in den Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik mit 56.600 und in den IT-Berufen mit 50.600. An vierter Stelle folgen die Bauberufe mit 40.000.

Aktuell entstehen für Unternehmen und Gesellschaft in Deutschland durch die Digitalisierung, die Dekarbonisierung, die Demografie und die Deglobalisierung ein hoher Transformationsdruck.

Insgesamt zeigt sich im Ergebnis des MINT-Frühjahrsreports Folgendes:
  • Digitale Geschäftsmodelle gewinnen an Bedeutung
    Die hohe Bedeutung der Digitalisierung zeigt sich bereits in den letzten Jahren bei der Beschäftigung in den IT-Berufen. Während die Beschäftigung in den MINT-Facharbeiterberufen von Ende 2012 bis zum Ende des dritten Quartals 2022 um 3,4 Prozent anstieg, nahm die Zahl der IT-Fachkräfte um 77,6 Prozent zu.
  • Dekarbonisierung: steigende MINT-Bedarfe für den Klimaschutz
    Für die Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte sind aus Sicht der
    Unternehmen in den kommenden fünf Jahren IT-Expertinnen und -Experten von besonderer Bedeutung, daneben werden vor allem (Umwelt)Ingenieurinnen und -ingenieure zusätzlich benötigt.
  • Demografischer Ersatzbedarf steigt kontinuierlich
    Immer mehr MINT-Fachkräfte scheiden aus Altersgründen aus dem Arbeitsmarkt aus. Insgesamt nimmt der jährliche demografische Ersatzbedarf an MINT-Kräften in fünf Jahren um 25.300 Personen zu.
  • Unsicherheiten erhöhen Bedarf an Innovationen und MINT-Kräften
    Im Vergleich zu wichtigen Wettbewerbern wie den USA haben sich deutliche Preisverschlechterungen bei den Energiepreisen ergeben. Hiermit verbunden ist auch eine zunehmende ökonomische Verunsicherung. Unternehmen stehen unter hohem Druck, sich durch Innovationen und neue Geschäftsmodelle an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen und krisenresilienter zu werden. Sollen die FuE-Ausgaben am BIP auf 3,5 Prozent steigen, nimmt allein dadurch der MINT-Bedarf um über 50.000 Personen zu.
  • Rückgang bei MINT- Studienabsolventinnen und -absolventen sowie bei Auszubildenden in MINT-Ausbildungsberufen
    Der zunehmende Bedarf an MINT-Kräften für die Digitalisierung, die Dekarbonisierung, die Demografie und darüber hinaus gehende zusätzliche Innovationen trifft in den kommenden Jahren voraussichtlich auf deutlich sinkende MINT-Absolvierendenzahlen. Auch die Gesamtzahl der Auszubildenden in MINT-Ausbildungsberufen ist gesunken. Dabei zeigt sich in Engpassberufen, dass vor allem die sinkende Bewerberzahl für den Rückgang verantwortlich ist. Vor allem die gesunkenen Kompetenzen der Schüler*innen in den MINT-Fächern könnten sich negativ auf das Potenzial an Studienanfängerinnen und -anfängern sowie Auszubildenden auswirken.
  • Beschäftigtenanteil von Frauen nimmt leicht zu
    Der Anteil der Frauen an allen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen in MINT-Berufen ist vom vierten Quartal 2012 bis zum dritten Quartal 2022 von 13,8 Prozent auf 16,0 Prozent gestiegen. Am höchsten sind die Frauenanteile in den naturwissenschaftlich-mathematischen Berufen und am niedrigsten in den Ingenieurberufen bzw. der Metallverarbeitung.
  • Beschäftigtenanteil von Älteren nimmt deutlich zu
    Der Anteil der MINT-Beschäftigten im Alter ab 55 Jahren an allen MINT-Beschäftigten ist von Ende 2012 bis September 2022 deutlich von 15,1 Prozent auf 21,9 Prozent gestiegen. In Westdeutschland beträgt der Anteil 21,7 Prozent, in Ostdeutschland 23,9 Prozent.
  • MINT-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
    Zuwanderung hat bereits in den letzten Jahren stark zur Fachkräftesicherung und Innovationskraft beigetragen. Wäre die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern seit Ende 2012 nur in der geringen Dynamik wie die Beschäftigung von Deutschen gestiegen, würde die Fachkräftelücke heute um 385.700 Personen höher ausfallen und damit einen Wert von fast 700.000 MINT-Kräften erreichen.
Der MINT-Frühjahrsreport empfiehlt folgende Aktivitäten:
  • Chancen im Bildungssystem verbessern, z. B. Ganztaginfrastruktur an Kitas und Schulen ausbauen und mehr Sprachförderprogramme abbieten
  • Digitalisierung der Bildungseinrichtungen voranbringen, z. B. noch bestehende Lücken an digitaler Infrastruktur schließen
  • MINT-Bildung stärken, z. B. sollte digitale Medienbildung bereits in der Vorschule und das Fach Informatik ab der Primarstufe eingeführen
  • Potenziale der Frauen heben, z. B. durch eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung
  • Potenziale der Älteren heben: z. B. berufsbegleitende Weiterbildungsangebote für die Transformation ausbauen
  • Potenziale der Zuwanderung erschließen, z. B. Bürokratische Prozesse verbessern, gezielt um Zuwanderung im Ausland werben, Zuwanderung über das Bildungssystem ausweiten

Den gesamten Report findet man hier.

Der MINT-Report wird vom Institut der Deutschen Wirtschaft halbjährlich im Auftrag von BDA, Gesamtmetall und der Initiative “MINT Zukunft schaffen” erstellt. Er enthält alle aktuellen Entwicklungen und Analysen zu Angebot und Nachfrage auf dem MINT-Arbeitsmarkt sowie Kennzahlen zur MINT-Bildung.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

2023-05-25

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