Vereinbarung eines unentgeltlichen Praktikums

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass auch bei einem unentgeltlich vereinbarten Praktikum eine Vergütungspflicht besteht, wenn über den Rahmen des Praktikums hinaus höherwertige Dienste verrichtet werden.

Insoweit stehe dem auch nicht § 22 Abs. 1 MiLoG entgegen.Die Parteien hatten darüber gestritten, ob die Klägerin für Tätigkeiten Entgelt beanspruchen kann, die sie in den letzten acht Monaten eines einjährigen Praktikums der Ausbildung als Psychotherapeutin in einer Klinik verrichtet hat. Die nur mündlich vereinbarte praktische Tätigkeit sollte unentgeltlich sein. Im genannten Zeitraum erledigte die Klägerin ein Viertel des Therapiepensums der beiden in Vollzeit tätigen Psychotherapeutinnen bei der Beklagten.Bezogen auf diese acht Monate hat die Klägerin eine Zahlungsklage erhoben für die über das Praktikum hinausgehenden Tätigkeiten in Anlehnung an die Vergütung von festangestellten Psychotherapeuten.Diesen Zahlungsanspruch sah das BAG in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB als gegeben an. Danach könne ein Anspruch auf Vergütung auch dann bestehen, wenn ein unentgeltliches Praktikum vereinbart worden sei.
Dies gelte auch dann, wenn die Ausbildung des Berufsausbildungsgesetzes und damit ein Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 26 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ausgeschlossen sei.

Denn § 612 Abs. 1 BGB komme nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dann entsprechend zur Anwendung, wenn über den Rahmen eines Arbeitsvertrages hinaus faktisch höherwertige Dienste auf Veranlassung des Arbeitgebers oder mit seiner Billigung geleistet werden, für die es an einer Vergütungsregelung fehle. Das Gleiche habe zu gelten, wenn ein Praktikant höherwertige Dienste verrichtet, als die er üblicherweise im Rahmen des Praktikums zu erbringen habe.
Diese Entscheidung ändert nichts an der geltenden Rechtslage, wonach Praktika unentgeltlich erbracht werden können. Der Rahmen wird jedoch nunmehr nach § 22 MiLoG bestimmt. Danach ist Voraussetzung, dass dem Praktikanten lediglich Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt werden; es darf keinesfalls eine qualifizierte Arbeitsleistung im Vordergrund stehen, wie z. B. dann, wenn die Leistungen von der in der Ausbildungsordnung vorgeschriebenen Art und Weise für das Praktikum erheblich abweichen.
Im Einzelfall ist daher die jeweilige Anforderung an ein Praktikum im Rahmen der einschlägigen Ausbildungsordnung konkret zu prüfen.

(BAG, Urteil vom 10.02.2015 – 9 AZR 289/13)

2. Oktober 2015

Print Friendly, PDF & Email