Urlaub: Ausschluss von Doppelansprüchen bei Arbeitgeberwechsel

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat  zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen sich ein neuer Arbeitgeber bei einem Arbeitgeberwechsel im laufenden Kalenderjahr darauf berufen kann, der neu eingestellte Arbeitnehmer habe bei seinem bisherigen Arbeitgeber bereits Urlaub erhalten, so dass er nur in einem geringeren Umfang restlichen Erholungsurlaub gewähren muss.

Bisher lag zu dieser Entscheidung nur eine Pressemitteilung vor. Aus den nun vorliegenden Entscheidungsgründen ergeben sich wertvolle Hinweise für die tägliche Personalpraxis.
Nach § 6 Abs. 1 BUrIG besteht ein Anspruch auf Urlaub beim neuen Arbeitgeber nicht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub
gewährt worden ist.
Der frühere Arbeitgeber ist gemäß § 6 Abs. 2 BUrIG verpflichtet, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub auszuhändigen. Diese Vorschrift regelt damit den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahrs den Arbeitgeber wechselt. Bei
aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen wird der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bereits im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind und auch im neuen Arbeitsverhältnis kein Anspruch auf eine höhere Anzahl von Urlaubstagen als im früheren Arbeitsverhältnis entsteht.
Es ist Sache des Arbeitnehmers, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrIG eine Anrechnung bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht vorliegen. Der neue Arbeitgeber kann dies bestreiten. Der Arbeitnehmer muss dann für seine Angaben Beweis anbieten. Hierzu kann er sich insbesondere der Urlaubsbescheinigung nach § 6 Abs. 2 BUrIG bedienen. Aus ihr ergibt sich, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bereits vom früheren Arbeitgeber Urlaub tatsächlich erhalten hat. Tourismus Foto Grit Gehlen

Einem neuen Arbeitgeber ist nach einem Arbeitgeberwechsel im Kalenderjahr deshalb zu empfehlen, dem neu eingestellten Arbeitnehmer zunächst nur den Urlaub zu gewähren, der diesem zusteht, wenn man allein die Dauer des Arbeitsverhältnisses im neuen Arbeitsverhältnis berücksichtigt. Erst dann, wenn der Arbeitnehmer eine entsprechende Bescheinigung seines früheren Arbeitgebers beibringt, aus der sich ergibt, dass er weniger Urlaub erhalten hat, als ihm aus dem alten Arbeitsverhältnis zusteht, ist der neue Arbeitgeber verpflichtet, einen entsprechenden zusätzlichen Urlaub zu gewähren. Allerdings wird in der Entscheidung auch klargestellt, dass ein neuer Arbeitgeber sich nicht erfolgreich darauf berufen kann, dem Arbeitnehmer hätten im früheren Arbeitsverhältnis rechtlich mehr Urlaubstage zugestanden als ihm von seinem früheren Arbeitgeber tatsächlich gewährt
wurden.
Das BAG stellt ausdrücklich klar, dass eine Anrechnung insoweit nicht in Betracht kommt, als dem Arbeitnehmer nur ein Anspruch auf Urlaub gegenüber dem früheren Arbeitgeber zustand. Folglich kann ein neuer Arbeitgeber einen neu eingestellten Arbeitnehmer auch nicht „zwingen”, seinen alten Arbeitgeber auf Urlaubsabgeltung zu verklagen, um dadurch seine Verpflichtung zur Urlaubsgewährung auf weniger Tage zu beschränken.
Das BAG nimmt insoweit in Kauf, dass ein früherer Arbeitgeber auf Kosten eines neuen Arbeitgebers eine Urlaubsgewährung oder Urlaubsabgeltung rechtswidrig unterlässt. Entscheidet sich der Arbeitnehmer dann dafür, gegen seinen alten Arbeitgeber diesen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht durchzusetzen, trägt die finanzielle Last in Form von zusätzlichen Urlaubstagen der neue Arbeitgeber.

(BAG, Urteil vom 16.12.2014 – 9 AZR 295/13)

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