BAG stärkt Rechte von Arbeitgebern nach einem verlorenen Kündigungsschutzprozess

Kündigungen stellen für Arbeitgeber regelmäßig ein hohes finanzielles Risiko dar. Denn wenn nach einer Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fortbesteht, weil die Kündigung nicht rechtmäßig war, müssen Arbeitgeber den Arbeitnehmern das Arbeitsentgelt für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit regelmäßig nachzahlen.

Arbeitnehmer erhalten also Arbeitsentgelt, ohne eine Arbeitsleistung hierfür erbracht zu haben. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass die Untätigkeit der Arbeitnehmer den Arbeitgebern aufgrund der unwirksamen Kündigung vorzuwerfen ist.

Allerdings müssen sich Arbeitnehmer nach § 11 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihnen die Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schulden, nicht nur das anrechnen lassen, was sie durch anderweitige Arbeit verdient haben.
Berücksichtigt werden muss zugunsten der Arbeitgeber auch, was die Arbeitnehmer hätten verdienen können, wenn sie es nicht (böswillig) unterlassen hätten, eine ihnen zumutbare Arbeit anzunehmen.

Aus Sicht der Arbeitgeber problematisch ist allerdings, dass sie regelmäßig nicht wissen, ob die Arbeitnehmer Stellenangebote hatten und was sie gegebenenfalls hätten verdienen können.

Für die Praxis von großer Bedeutung ist deshalb eine jüngere Entscheidung des BAG:
Nach einem aktuell veröffentlichten Urteil des BAG vom 27.05.2020 (5 AZR 387/19) haben Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer, die eine derartige Vergütung fordern, einen Auskunftsanspruch über die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge. Grundlage des Auskunftsbegehrens ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis nach § 242 BGB. Die Arbeitnehmer müssen außerdem in Textform Tätigkeit, Arbeitszeit, Arbeitsort und Vergütung nennen.
Nur wenn Arbeitgeber von diesen Arbeitsbedingungen der Vermittlungsvorschläge Kenntnis haben, sind sie in der Lage, Indizien für die Zumutbarkeit der Arbeit und eine mögliche Böswilligkeit des Unterlassens anderen Erwerbs vorzutragen.

Ob allerdings die Stellenangebote Dritter „zumutbare“ Arbeit zum Gegenstand hatten und in dem Verhalten der Arbeitnehmer ein „böswilliges“ Unterlassen gesehen werden kann, haben die Arbeitgeber im Rechtsstreit über die Zahlung der Annahmeverzugsvergütung weiterhin darzulegen und im Streitfall zu beweisen.

Aus der Begründung des BAG für den Auskunftsanspruch:

„…In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass nach Treu und Glauben Auskunftsansprüche bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann, ohne dass durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess unzulässig verändert werden darf…
Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB setzt im Einzelnen voraus: (1) das Vorliegen einer besonderen rechtlichen Beziehung, (2) die dem Grunde nach feststehende oder (im vertraglichen Bereich) zumindest wahrscheinliche Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden gegen den Anspruchsgegner, (3) die entschuldbare Ungewissheit des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie (4) die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung durch den Anspruchsgegner… Schließlich dürfen (5) durch die Zuerkennung des Auskunftsanspruchs die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden… Der so verstandene Auskunftsanspruch dürfte inzwischen als Gewohnheitsrecht anerkannt sein…“

Quelle: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.05.2020 (5 AZR 387/19)

2020-12-09

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