Arbeitsrecht: Wirksamkeit von Aufhebungsverträgen

Aufhebungsverträge werden im Einverständnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossen, um bestehende Arbeitsverhältnisse aufzulösen.

Grund ist oft, dass betriebs- oder verhaltensbedingte Kündigungen (und eventuell damit verbundene Prozesse vor Arbeitsgerichten) vermieden werden sollen. Oder Arbeitnehmer wollen einen Job in einem anderen Unternehmen anfangen und das jetzige Unternehmen schnellstmöglich und in einem guten Einvernehmen verlassen.
Ein Aufhebungsvertrag kann jedoch unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

Im nachfolgenden Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) klagte eine Arbeitnehmerin u. a. gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Sie schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der Beklagten einen Aufhebungsvertrag, der die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung vorsieht.

Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen sind umstritten. Nach Darstellung der Klägerin war sie am Tag des Vertragsschlusses erkrankt. Sie hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen.

Das zuständige Landesarbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen.

Aus der Begründung:

Das LAG habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass dem Vortrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund entnommen werden kann und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich ist (Die Klägerin hatte darauf abgestellt, dass der Aufhebungsvertrag in ihrer Privatwohnung abgeschlossen wurde und stellte deshalb darauf ab, ihn gemäß § 355 BGB widerrufen).
Der Gesetzgeber hat zwar in § 312 Abs. 1 i. V. m. § 312 g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt. Auch Arbeitnehmer sind Verbraucher. Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Wille des Gesetzgebers deutlich geworden, arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.

Das Landesarbeitsgericht habe jedoch nicht geprüft, ob das Gebot fairen Verhandelns vor Abschluss des Aufhebungsvertrags beachtet wurde. Dieses Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert.

Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Das Landesarbeitsgericht müsse die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags daher hinsichtlich dieser Fakten erneut beurteilen.

Quelle: BAG, Urteil vom 07.02.20196 AZR 75/18

2020-07-

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