Kein Werkvertrag, sondern Heimarbeit: Verdienstsicherung und Urlaubsabgeltung

Ein als selbstständiger Bauingenieur/Programmierer tätiger Heimarbeiter erbrachte für ein Unternehmen regelmäßig Leistungen. Nach der Kündigung klagte er Ansprüche wegen Nichtausgabe von Heimarbeit und Urlaubsabgeltung ein.

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) konnte er nach Maßgabe des Heimarbeitsgesetzes (HAG) eine Sicherung seines Entgelts für die Dauer der Kündigungsfrist sowie Urlaubsabgeltung nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verlangen.

Zum entschiedenen Fall:

Der Kläger stellte seine Tätigkeiten monatlich unter Bezugnahme auf vorgegebene Projektblätter und Stundenzettel in Rechnung. Er nahm seit August 1992 Urlaub “unbezahlt” und begehrte erstmals mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 von der Beklagten bezahlten Urlaub, den diese ablehnte. Die Beklagte zahlte seit August 1992 keine Feiertagsvergütung mehr an den Kläger.
Nachdem die Beklagte beschlossen hatte, ihr Unternehmen zum 31. 12.2013 aufzulösen und zu liquidieren, teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm nach den “nunmehr erfüllten werkvertraglichen Leistungen” keine weiteren Aufträge mehr zu erteilen.

Gerichtlich wurde durch ein Statusverfahren (mittlerweile rechtskräftig) festgestellt, dass zwischen den Parteien kein Werkvertrags-, sondern ein Heimarbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG bestanden hat.

Dieses Heimarbeitsverhältnis endete erst durch Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 30. April 2016.
Für den Zeitraum ab Ende 2013 bis Ende April 2016 hat der Kläger von der Beklagten verlangt, ihm Vergütung iHv. 171.970,00 Euro brutto zu zahlen sowie 72 Werktage Urlaub iHv. 15.584,94 Euro brutto abzugelten.

Die Vorinstanzen haben der Klage teilweise stattgegeben. Soweit die Klage abgewiesen wurde, verlangt der Kläger mit der Revision vor dem BAG die Zahlung weiterer 130.460,00 Euro brutto wegen Nichtausgabe von Heimarbeit sowie Urlaubsabgeltung für das Jahr 2014 iHv. 4.091,71 Euro brutto sowie iHv. 5.194,83 Euro brutto für das Jahr 2015.

Die Revision vor dem Neunten Senat des BAG hatte nur hinsichtlich der begehrten Urlaubsabgeltung Erfolg.

Aus der Urteilsbegründung:

Neben dem Entgelt, das die Beklagte für die Dauer der fiktiven Kündigungsfrist, während der sie keine Heimarbeit ausgab, schuldete, kann der Kläger keine weitere Vergütung verlangen.
Ein Anspruch unter den Gesichtspunkten des Annahmeverzugs oder Schadensersatzes besteht nicht. Es fehlt an einer besonderen Absprache der Parteien, dem Kläger Projekte in einem bestimmten Umfang zuzuweisen.

Heimarbeiter haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Ausgabe einer bestimmten Arbeitsmenge. Da sie aber regelmäßig auf Aufträge angewiesen sind, sehen die Bestimmungen des Heimarbeitsgesetzes zum Kündigungsschutz eine Entgeltsicherung vor.
Kündigt der Auftraggeber das Heimarbeitsverhältnis, kann der Heimarbeiter gemäß § 29 Abs. 7 HAG für die Dauer der Kündigungsfrist Fortzahlung des Entgelts beanspruchen, das er im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor der Kündigung durch Heimarbeit erzielt hat. § 29 Abs. 8 HAG sichert das Entgelt, wenn der Auftraggeber nicht kündigt, jedoch die Arbeitsmenge, die er mindestens ein Jahr regelmäßig an einen Heimarbeiter ausgegeben hat, um mindestens ein Viertel verringert. Die Entgeltsicherung nach § 29 Abs. 7 und Abs. 8 HAG steht dem Heimarbeiter jedoch nur alternativ zu.

Die Höhe der bei Beendigung des Heimarbeitsverhältnisses geschuldeten Urlaubsabgeltung ist nach § 12 Nr. 1 Bundesurlaubsgesetz ( BUrlG) auf der Grundlage des Entgelts des Heimarbeiters in der Zeit vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres zu ermitteln. Für den Urlaub aus dem Jahr 2014 ist deshalb im Streitfall auf das Entgelt abzustellen, das der Kläger in der Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 30. April 2014 erzielt hat. Die hierfür erforderlichen Tatsachen wird das Landesarbeitsgericht nach der insoweit erfolgten Zurückverweisung der Sache aufzuklären haben. Für das Jahr 2015 steht dem Kläger Urlaubsabgeltung iHv. 1.103,12 Euro brutto zu.

Quelle:
Pressemitteilung BAG zum Urteil vom 20.08.2019 – 9 AZR 41/19 (Vorinstanz: LAG Niedersachsen, Urteil vom 15.11.2018 – 6 Sa 1225/17)

Tipp:

Wie wiederum ersichtlich, ist es sowohl für Unternehmen als auch für Freie Mitarbeiter in Zweifelsfällen wichtig, ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu beantragen, nicht nur, um Störungen im Vertragsverhältnis, sondern auch eventuelle Nachforderungen (z. B. für Sozialversicherungsbeiträge) oder sogar Rechtsverstöße zu vermeiden.
(siehe dazu auch GründerNews vom 30.07.2019)

2019-08-26

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