Digitalisierung: Viel Lärm um nichts oder kommt da noch was?

Eine neue Studie von KfW Research hat populäre Thesen zu den Arbeitsmarktwirkungen der Digitalisierung einem Faktencheck unterzogen.

Zentrale Befunde:
Die negativen Auswirkungen der Digitalisierung werden in der öffentlichen Debatte oft übertrieben, das weckt unnötige Ängste. Der Strukturwandel hat sich in den letzten Jahrzehnten verlangsamt. Das hat hohe Arbeitsplatzsicherheit geschaffen. Ein Schwinden der Arbeitseinkommen durch Automatisierung ist für die nahe Zukunft unwahrscheinlich.
Leider werden auch die positiven Effekte überzeichnet. Angesichts der demografischen Entwicklung ist das schwache Wachstum der Arbeitsproduktivität bedenklich. Digitalisierung und Automatisierung bieten die Chance, die Produktivitätsschwäche zu überwinden. Dazu bedarf es jedoch des Abbaus von Investitions- und Innovationsdefiziten sowie einer digitalen Bildungsinitiative, die auch den hohen Anteil Geringqualifizierter reduziert.

In der öffentlichen Debatte um die Arbeitsmarktwirkungen der Digitalisierung haben Thesen Prominenz erlangt, die viele Menschen beunruhigen: Künstliche Intelligenz und Automatisierung bedrohen so gut wie jeden Arbeitsplatz. Gemeinsam mit der Globalisierung beschleunigt die Digitalisierung den Strukturwandel exponentiell. Beschäftigte und Unternehmen überfordert dies immer mehr. Zudem ist zu befürchten, dass die Arbeitseinkommen schwinden und die Finanzierungsbasis für die Sozialversicherungen wegbricht.

KfW Research hat diese Thesen anhand gesamt¬wirtschaftlicher Daten und aktueller Untersuchungen namhafter Forschungsinstitute einem Faktencheck unterzogen. Die Befunde sprechen dafür, dass sie ein schwarzes Bild von den Folgen der Digitalisierung zeichnen, das unnötige Sorgen weckt.

Die Ergebnisse der Untersuchung geben Anlass zu Zuversicht:

  • Die Lage am Arbeitsmarkt ist weiterhin gut. Die Arbeitslosigkeit sinkt und die Beschäftigung steigt. Längerfristige Prognosen von renommierten Forschungs¬instituten zu den Arbeitsmarkt-wirkungen der Digitalisierung gehen nicht von einem Einbruch der Beschäftigung in Deutschland aus. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist stattdessen ohne Gegensteuern auf längere Sicht mit zunehmendem Fachkräftemangel zu rechnen.
  • Trotz digitaler Revolution und zunehmender Globalisierung hat sich der gesamtwirtschaftliche Strukturwandel seit den neunziger Jahren nicht beschleunigt, sondern verlangsamt. Die Wirtschaftsstruktur in Deutschland war in den letzten Jahren so stabil wie seit 1970 nicht mehr. Das hat ein hohes Maß an Arbeitsplatz¬sicherheit geschaffen, nicht für alle, aber für den Großteil der Erwerbstätigen. Allerdings haben die Anforderungen an Bildung und Weiterbildung der Beschäftigten erkennbar zugenommen.
  • Ein Schwinden der Arbeitseinkommen ist in absehbarer Zukunft ebenfalls nicht zu erwarten. Die Reallöhne sind in den letzten Jahren gestiegen, und dies wird aufgrund von Fachkräfte¬knappheit im Trend voraussichtlich so bleiben. Die gesamtwirtschaftliche Lohnquote ist seit 2007 wieder deutlich gestiegen. 2017 war sie höher als 1970.
  • Bildung und Weiterqualifizierung werden für den Erfolg am Arbeitsmarkt immer wichtiger. In den letzten zehn Jahren stiegen die Arbeitsentgelte von Führungskräften und herausgehobenen Fachkräften deutlich stärker als jene von niedriger Qualifizierten. Da durch die Digitalisierung die Anforderungen an die Qualifizierung vieler Arbeitskräfte voraussichtlich weiter steigen, dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen.

Fazit der Studie

Digitalisierung bietet weit mehr Chancen als Risiken am Arbeitsmarkt. Vor allem kann sie helfen, die Fachkräfteengpässe zu beseitigen, die durch Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung ab dem Ende des nächsten Jahrzehnts für Deutschland ohne Gegensteuern zu erwarten sind. Dazu müsste digitale Automatisierung gerade in Engpassberufen das Wachstum der Arbeitsproduktivität deutlich erhöhen.

Zur Studie “Digitalisierung: Viel Lärm um nichts oder kommt da noch was?”
Präsentation der Studie

Quelle: KfW

2019-04-01

Print Friendly, PDF & Email