Weltraumschrott: Kein außerirdisches Problem mehr

Die Menschen haben seit Jahren in der unmittelbaren Umgebung ihres Heimatplaneten ein Problem, das sie selbst geschaffen haben: Weltraummüll, im Englischen auch Space Debris genannt. Denn seit dem Start von Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 hinterlassen sie neben Satelliten und Raumsonden auch Unmengen von Abfall verschiedenster Größe im All.

Das sind ausrangierte Raketenoberstufen, abgeschaltete Satelliten, aber auch das verlorengegangene Werkzeug eines Astronauten gehört dazu. Dieser Weltraumschrott bleibt teilweise Jahrzehnte oder noch länger in der Umlaufbahn und gefährdet zunehmend die außerirdischen Aktivitäten des Menschen. Insgesamt etwa 61.000 Kilogramm Weltraummüll schwirrt im Jahr in der Atmosphäre um die Erde herum. Derzeit umkreisen etwa 16.000 erfasste und katalogisierte Teile die Erde in einer Umlaufbahn. Typischerweise haben diese Objekte einen Durchmesser von mindestens 10 Zentimeter. Anhand von Modellen, wie etwa dem in Deutschland entwickelten ESA-MASTER-Modell, schätzen Wissenschaftler, dass sich insgesamt etwa 750.000 Teile, die größer als ein Zentimeter und 150 Millionen Teilchen, die größer als 1 mm sind, in der Erdumlaufbahn befinden.

Weniger schwereloser Müll

Aber auch Verpackungsmaterial aus Kunststoff, in dem die Astronauten ihr empfindliches Equipment während der Reise im All schützen, gehört zum Weltraummüll. Diesem speziellen Schrott widmen sich drei engagierte Schüler, Lara Neubert, Adrian Schorowsky und Leni Thermann, in ihrem Projekt ReUse in Space. Ein Projekt, bei dem sie dem Problem an dessen Ursache zu Leibe rücken wollen. Ihre Lösung: weniger Müll durch Recycling in der Schwerelosigkeit. Ihre Idee: Der Astronaut soll den Weltallschrott in eine Art Schredder stecken, und auf der anderen Seite erhält er ein gedrucktes Teil wie beispielsweise ein benötigtes Werkzeug. „Es hat noch niemand darüber nachgedacht, aus Müll Dinge herzustellen, die auf der Raumfahrt wichtig sind“, begründet Teammitglied Lara Neubert diese Vorgehensweise.

Speziellem Weltraumschott – versursacht durch Verpackungsmaterial aus Kunststoff  –  widmen sich drei engagierte Schüler, Lara Neubert (links), Adrian Schorowsky (rechts) und Leni Thermann, in ihrem Projekt ReUse in Space.
Fotomontage: GRUENDER-MV.DE

Die Raumfahrtstation ISS begrüßt dieses Engagement hat den Schülern für ihre Experimente Schaumstoffblöcke mit einem Gewicht von 1.200 g und Maßen von 10 x 76 x 41 cm zur Verfügung gestellt, die sie benutzt haben, um ein Recyclingverfahren zu entwickeln, das jetzt in die Praxis überführt werden kann.

Stattdessen Rohstoff für den 3-D-Drucker

Bei diesem Prozedere wird der Schaumstoff zerkleinert, um den Stickstoff herauszubekommen. Dann wird das Material eingeschmolzen und im Vacuum zu grobem Granulat verarbeitet. Nun muss eine Maschine entwickelt werden, die diesen Prozess im großen Stil durchführen kann.

Im Extruder eines 3D-Druckers kann dieses Granulat dann erhitzt und zu einer zähflüssigen Masse eingeschmolzen werden. Wenn diese abkühlt ist, können verschiedene Objekte gedruckt werden. Verwendungs- und Einsatzmöglichkeiten gäbe es viele. Momentan wird an der Belastbarkeit des gedruckten Teils geforscht.

Die Idee kam dem jungen Forscherteam bei einem Univortrag, den Thomas Reiter, Koordinator von der EASA, vor einigen Jahren hielt. Auf eine Publikumsfrage, was denn mit dem Müll an Bord einer Rakete passiert, kam damals die lapidare Antwort: Den entsorgen wir. Aber natürlich mit dem Hinweis, dass dieser Abfall nicht nur das Weltall verschmutzt, sondern auch gefährlich werden kann. Nur eine Lösung hatte man damals noch nicht.

Inzwischen ein echtes Forschungsprojekt

Was zu dem damaligen Zeitpunkt als Freizeitprojekt begann, hat sich mittlerweile zu einem veritablen Forschungsprojekt entwickelt. Die Recycling-Technologie haben sich die jungen Forscher mittlerweile patentieren lassen. Unterstützt werden sie von Kirsten Mantau, einer Lehrerin des Gymnasiums Reutershagen, und ihrem Mann Jan Mantau, der an der RST Rostock für Sales & Marketing zuständig ist, und Peter Schmedemann, dem Projektbetreuer beim BilSe Institut. Aber auch AIM 3D, das Likat sowie die Uni Rostock finden das Projekt spannend und helfen.
Bereits mehrere Auszeichnungen hat die Forschergruppe für ihre Arbeit erhalten. Sie bekam den Nachwuchspreis vom INNO Award und wurde beim Bundeswettbewerb von „Jugend forscht“ zweifach ausgezeichnet.

Wertsteigerung für “Abfall”

Natürlich haben auch die Protagonisten der Raumfahrt Wind von dem Projekt bekommen und sind interessiert. Kein Wunder: Denn wenn der Schaumstoffmüll durch Recycling an Bord einer Rakete oder Raumstation einer anderen Verwendung zugeführt werden kann, wird er enorm aufgewertet: Die Schüler rechnen durch den teuren Raketenstart, durch den der Verpackungsmüll ins All befördert wird, dann nicht entsorgt werden muss, sondern recycelt werden kann, mit 50.000 bis 60.000 US Dollar pro Kilo für den ursprünglich wertlosen Abfall. So steht die Schülergruppe bereits mit Airbus in Kontakt, Gespräche mit anderen Unternehmen laufen. Doch die Schüler geben sich zurückhaltend. Lara Neubert weiß: „Raumfahrt dauert. Wenn wir das Projekt in vier Jahren zum Erfolg gebracht haben, ist das schon sportlich.“

Autorin: Silke Bohrenfeld | 15.10.2018

Das ReUse in Space-Projekt errang 2018 bei “Jugend forscht” den 1. Preis Geo- und Raumwissenschaften.

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