Regionale Gründungsförderung

IfM: Gründungsförderung sollte Standortfaktoren berücksichtigen

Aktueller Standpunkt des IfM Bonn: Regionale Gründungsförderung sollte Standortfaktoren berücksichtigen

Die Zahl der Selbstständigen in Deutschland geht zurück. Insbesondere im gewerblichen Bereich wagen immer weniger Erwerbstätige den Schritt in eine eigene Existenz. Mangelt es unserer Gesellschaft an Risikobereitschaft? Müssen wir auf Dauer um das Wohl unserer Volkswirtschaft fürchten?

Wohl nicht. Aktuell liegt ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Existenzgründungen in der positiven Arbeitsmarktentwicklung. Dies führt dazu, dass qualifizierte Erwerbstätige ausreichend attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten finden und daher eine Festanstellung der Selbstständigkeit vorziehen. Entsprechend sind auch Gründungen aus der Not heraus deutlich seltener als noch vor 10 Jahren.

Minijober
Qualifizierte Erwerbstätige finden ausreichend attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten in einer Festanstellung: Foto: Ralph Schipke

Gleichwohl werden die rückläufigen Gründungszahlen von vielen politischen Verantwortlichen kritisch beäugt. Schließlich gelten Unternehmensgründungen und junge Unternehmen als Impulsgeber für die Modernisierung der Wirtschaft, da sie aufgrund ihrer Innovativität den Wettbewerbsdruck für die etablierten Unternehmen erhöhen. In Folge dessen sind diese gezwungen, selbst neue Produkt- bzw. Dienstleistungsangebote zu entwickeln bzw. neue Technologien einzusetzen. Wem das nicht gelingt, scheidet aus dem Markt aus.

Auf den ersten Blick überrascht es daher nicht, wenn angesichts der rückläufigen Gründungszahlen (finanzielle) Unterstützungsmaßnahmen gefordert werden. Tatsächlich ist aber eine Stimulierung des Gründungsgeschehens um jeden Preis nicht sinnvoll. Denn nicht immer gehen von (Neu-)Gründungen tatsächlich auch positive Wachstumsimpulse aus. Entsprechend ist auch die Formel “Mehr Gründungen führen zu mehr Wirtschaftswachstum” nicht per se richtig, wie jüngst eine Studie des IfM Bonn sehr anschaulich nachgewiesen hat. Darin ist der Einfluss des Gründungsgeschehens auf die wirtschaftliche Entwicklung in den 402 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten untersucht worden.

Natürlich gibt es Regionen, in denen ein aktives Gründungsgeschehen mit einem hohen Wirtschaftswachstum beziehungsweise wenige Gründungen mit niedrigem Wachstum einhergehen. Und natürlich weisen städtische Kreise durchschnittlich höhere Gründungsraten auf als ländliche Gebiete. Gleichwohl gibt es aber auch zahlreiche Gebiete in Deutschland, in denen das Wirtschaftswachstum trotz regem Gründungsgeschehen dauerhaft unterdurchschnittlich bleibt. Dagegen stehen anderenorts die Kreise trotz geringer Gründungsraten wirtschaftlich sehr gut da. Woran liegt das?

Laura von Oberelecker
  Städtische Kreise weisen durchschnittlich höhere Gründungsraten auf als ländliche Gebiete. Foto: Ralph Schipke

Generell betrachtet wirkt sich der Markteintritt junger Unternehmen zweifellos positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung einer Region aus. Dieser Effekt sinkt jedoch, je höher die Gründungsraten steigen. So ist beispielsweise in den Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg zu beobachten, dass der Wettbewerbsdruck dazu führt, dass Neugründungen häufig nicht lange am Markt bestehen können. Schließlich bringen strukturstarke, urbane Regionen auch Standortnachteile mit sich wie beispielsweise hohe Mietpreise bzw. fehlende Büro- und Gewerbeflächen.

Ideenwettbewerb
Wenige Neugründungen, die sich durch einen innovativen Charakter oder durch eine hohen Beschäftigungsnachfrage auszeichnen, beflügeln die wirtschaftliche Entwicklung einer Region stärker als viele junge Unternehmen, deren Produkt- und Dienstleistungsangebote nur zur Nachfrageverschiebung führen. . Foto: Ralph Schipke

Aber auch in einer Kleinstadt wirkt es sich nicht positiv auf das Wirtschaftswachstum aus, wenn beispielsweise zu den bereits bestehenden drei Nagelstudios ein weiteres hinzukommt. Oder anders ausgedrückt: Wenige Neugründungen, die sich durch einen innovativen Charakter bzw. durch eine hohen Beschäftigungsnachfrage auszeichnen, beflügeln die wirtschaftliche Entwicklung einer Region stärker als viele junge Unternehmen, deren Produkt- und Dienstleistungsangebote nur zur Nachfrageverschiebung führen. Die Qualität der Gründung ist also entscheidend. Das Problem: Im Vorfeld ist diese in der Regel kaum zu identifizieren.

Wenn finanzielle Fördermaßnahmen aufgrund der dargestellten Crowding-out-Problematik nicht empfehlenswert sind, was hilft stattdessen? Foto: Ralph Schipke

Der negative Effekt lässt sich aber auch für Regionen mit Branchenclustern wie dem Großraum Stuttgart aufzeigen: Die dort angesiedelten Autokonzerne und die Hochschulen begünstigen zwar (Existenz-)Gründungen, weil dadurch ein hohes spezifisches Fachwissen und viele Fachkräfte vorhanden sind. Der Wettbewerbsdruck unter den Automobilzulieferern führt jedoch zugleich dazu, dass unter Umständen etablierte Unternehmen von innovativen (Existenz-) Gründungen verdrängt werden, die aber selbst auf Dauer nicht am Markt bestehen können. Auch in diesem Fall sind daher die Impulse, die vom Markteintritt junger Unternehmen für die Wirtschaftsregion ausgehen, nur von begrenzter Dauer. All das erschwert die Gründungsunterstützung auf regionaler und lokaler Ebene. Aber wenn direkte (finanzielle) Fördermaßnahmen aufgrund der dargestellten Crowding-out-Problematik nicht empfehlenswert sind, was hilft stattdessen?

Eine erfolgsversprechende Gründungsförderung auf regionaler und lokaler Ebene ist in erster Linie Standortpolitik – und damit rahmenorientiert. Dazu gehört natürlich eine gute ausgebaute Infrastruktur und im besten Fall auch “E-Government”, das den Gründern ermöglicht, alle notwendigen Formalitäten elektronisch abzuwickeln. Dazu gehört aber auch, dass die Wirtschaftspolitiker die spezifischen Standortfaktoren wie beispielsweise regionale Gegebenheiten oder Branchenstruktur in die Vorüberlegungen einbeziehen und die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten.

Quelle: Erschienen am 1.10.2018 auf Wirtschaftswoche online | 04.10.18

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