bedingungsloses Grundeinkommen

Einstieg in den Ausstieg aus der Arbeitswelt?

Rege Diskussion bei einer Podiumsdiskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen an der Fachhochschule Lübeck.

bedingungsloses Grundeinkomm

Susanne Wiest schätzt das Landleben und gibt dem Dorf durchaus eine Chance. Doch vieles wäre leichter, sagt sie, wenn man ihr Leitmotiv, das bedingungslose Grundeinkommen, in Vorpommern ausprobieren könnte. Sie kämpft in M-V und bundesweit seit Jahren um eine bedingungslose, finanzielle Absicherung für jeden Menschen. Auch Gründern könnte ein solches  staatliches Grundeinkommen ohne Vorbedingungen durchaus zu Gute kommen, solange sie in der Startphase Zeit und Geld für ihre Ideen benötigen. Sie müssten sich dann nicht um eine soziale Absicherung sorgen. Foto: Ralph Schipke

„Am Ende kommen wir immer wieder auf unser Menschenbild zu sprechen“ resümiert Professor Leef H. Dierks nach circa zweistündiger Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen. Der BWL-Professor der FH Lübeck hatte am 26. Juni 2017 zum fünften Mal zu einer Diskussion zu aktuellen wirtschaftlichen Themen geladen. Rund 200 Personen waren dieser Einladung gefolgt und diskutierten mit ihm und Stefan Füsers vom Hamburger Netzwerk Grundeinkommen über das Für und Wider des bedingungslosen Grundeinkommens.

„Der Mensch ist schon Mensch bevor er arbeitet“ legt Füsers, engagierter Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens, die Basis seiner Argumentation. Die starke Orientierung auf die erwerbsmäßige Arbeit fördere gesellschaftlich schädliches Konkurrenzdenken, das mit Hilfe des Grundeinkommens überwunden werden könne. Indem die Lebensgarantie direkt dem Menschen und nicht dem Arbeiter zugestanden werde, könne sich jeder und jede mit vollem Engagement in die Gesellschaft einbringen, ohne um die Existenz bangen zu müssen. „Der Mensch macht die Arbeit, die er für sinnvoll hält. Dies geschieht unabhängig vom Einkommen“, so Füsers.

Kritisches Publikum

Beim Publikum dürfte er damit zunächst auf offene Ohren gestoßen sein, hatten doch in einer anonymen Umfrage mit dem Smartphone zu Beginn der Veranstaltung rund 76 Prozent für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gestimmt. In Anbetracht dessen waren die Fragen aus dem Publikum jedoch überaus kritisch. Wieso sollte ich noch Leistung erbringen, wenn sie sich finanziell nicht lohnt? Wird es Preissteigerungen geben, die so hoch sind, dass der Betrag des Grundeinkommens zum neuen Nullpunkt wird? Wird das Grundeinkommen nicht alleine schon von den Kosten der Krankenversicherung aufgefressen, die ich dann selbst tragen muss?

Dierks weist auf die ungesicherte Finanzierung eines solchen Grundeinkommens hin und stellt in Frage, ob die Bevölkerung tatsächlich bereit sei, zu Gunsten eines Grundeinkommens auf die gewohnten Sozialleistungen, wie zum Beispiel die Arbeitslosen-, Kranken oder Rentenversicherung zu verzichten. „Trauen Sie sich zu, sich um sich selbst zu kümmern? Und trauen Sie es all Ihren Mitmenschen zu?“ Auch die Idee, die Kosten teilweise über Kapitalertragssteuern zu decken, verwirft der Finanzexperte als unrealistisch, da das Kapital in andere Länder abwandern würde. „Wenn wir etwas wissen, dann dass das Kapital im Gegensatz zur Arbeit sehr mobil ist“, so Dierks.

Finnisches Experiment

Angereichert wurde die Diskussion mit Fakten zu bisherigen Versuchen mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, vorgetragen von Moderator Professor Ulf Timm. Prominentes Beispiel ist ein soziales Experiment in Finnland, das im Januar 2017 begonnen hat. Dabei bekommen 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitslose anstelle ihres Arbeitslosengeldes ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 560 Euro.

Und das Publikum? Das geht am Ende der Veranstaltung zwar informierter, aber nicht unbedingt mit einer klaren Meinung nach Hause, ergibt eine kurze Befragung einzelner Besucherinnen und Besucher. Das Für und Wider des bedingungslosen Grundeinkommens bleibt kompliziert.

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Quelle: idw/Fachhochschule Lübeck
06/29/2017

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