Ehemalige Schlecker-Beschäftige gründen Drogerie in Gnoien

Mehr als 170 Kunden kauften gestern allein in den ersten drei Stunden nach Eröffnung bei Monika Paschen und Marlies Anders ein. Die beiden Frauen haben lange gezögert und immer wieder erfolglos Bewerbungen geschrieben, ehe sie sich zu dem Schritt in die Selbstständigkeit entschlossen.

„Die Familie muss hinter der Geschäftsidee stehen und mitziehen“, rät Marlies Anders (rechts) anderen Menschen, die auch über das Thema Selbstständigkeit nachdenken. „Wichtig ist auch Beratung und ein Existenzgründerkurs“, fügt Monika Paschen (links) hinzu. Foto: Grit Gehlen

Monika Paschen und Marlies Anders haben ihren Eröffnungstag zum Glück perfekt organisiert: Die Nichte kassiert, die Schwiegertochter fotografiert, der Sohn steckt im Froschkostüm und lockt Kunden an, der Bruder, der Ehemann und eine Freundin kümmern sich um Sekt und Kuchen für Gratulanten und Kunden. Im Laden ist es rappelvoll, eine meterlange Schlange vor der Kasse. Am Eingang stehen immer wieder Gratulanten mit Blumensträußen und Geschenken. In der Drogerie herrscht ausgelassene Stimmung. Wenn man die Augen schließt, könnte man denken, man sei Gast auf einem gut besuchten Geburtstagsfest. Es fehlt nur die Musik.

Die beiden Existenzgründerinnen sind überwältigt und finden nur schwer Worte, als sie nach ihren Eindrücken gefragt werden. „Das ist wirklich super“, sagt die 55-jährige Monika Paschen fast flüsternd und auch Marlies Anders ist „einfach nur glücklich“ und auch das nur sehr leise. So, als ob sie ihr Glück noch gar nicht fassen könnte.

Im Februar 2013 schmiedeten die beiden Frauen ihren Plan von der Selbstständigkeit. „Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass sich zwei Schlecker-Gründerinnen in Wesenberg selbstständig gemacht haben. Dort sind wir kurzentschlossen hingefahren, haben uns alles in Ruhe angeguckt und dann die Gründerinnen einfach angesprochen“, erinnert sich Marlies Anders. Sie ist sehr dankbar, dass sich die einstigen Schlecker-Kolleginnen sofort Zeit nahmen, ihnen Tipps gaben und später Kontakte zu Lieferanten vermittelten. Auf dem Heimweg ins über 150 Kilometer entfernte Gnoien berieten Monika Paschen und Marlies Anders dann, wie sie vorgehen wollten und suchten gleich am nächsten Tag nach Informationen im Internet.

So kam der Kontakt zu Unternehmensberaterin Carmen Baumann zustande. Seit zehn Jahren begleitet sie Existenzgründungen und bietet in Stavenhagen Kurse für angehende Selbstständige an.
Die größte Herausforderung bei dieser Gründung sei die zeitliche Schiene gewesen, erklärt Carmen Baumann: „Es musste sehr schnell gehen, weil sonst die Chance auf den Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit verfallen wäre.“ Sechs Monate bekommen Marlies Anders und Monika Paschen den Gründungszuschuss in Höhe ihres einstigen Arbeitslosengeldes plus 300 Euro für die soziale Absicherung. Diese sichere Einnahme ermöglicht es ihnen, sich nun in Ruhe um ihr Geschäft zu kümmern, es auf- und auszubauen.

Im Existenzgründungskurs gab es immer wieder Momente, die Monika Paschen und Marlies Anders an sich als künftige Selbstständige zweifeln ließen, geben sie unumwunden zu. Unternehmensberaterin Carmen Baumann kennt das: „Buchführung, Steuern, Rechtsformen und Marketing, das sind ja Themen mit denen die meisten vorher nichts zu tun hatten. Doch man muss sich nur zu helfen wissen. Als es darum ging, welche Rechtsform für die Gründerinnen die vorteilhafteste ist, habe ich einen Kontakt zur Rechtberatung in der Industrie- und Handelskammer zu Rostock vermittelt. Die GbR ist es nun geworden.“

Der Laden ist 158 Quadratmeter groß. Die Gründerinnen haben sich aus ihrer Sicht auf eine “kulante” Kaltmiete mit dem Vermieter einigen können. Nach dem 1. Geschäftsjahr wird neu verhandelt. Foto: Grit Gehlen

Nach dem Existenzgründungskurs schrieben die Gründerinnen zusammen mit Carmen Baumann ihr Geschäftskonzept. Mecklenburg-Vorpommern förderte diese Beratung und Begleitung durch einen Coach finanziell, so dass die beiden Frauen nur einen geringen Eigenanteil an die Unternehmensberaterin zahlen mussten. Mit dem Geschäftskonzept ging es zur Bank. Die Gründerinnen brauchten Geld, insbesondere um die Regale, die Schlecker glücklicherweise hiergelassen hatte, mit Waren zu füllen.
„Das Konzept hat uns überzeugt. Wir haben nie Zweifel gehabt und die Geschäftsidee gerne finanziert!“, sagt Holger Borchert von der Raiffeisenbank eG Malchin, der plötzlich mit einem großen Blumenstrauß in der Tür steht und sich auch ganz persönlich freut, dass Gnoien nun wieder eine echte Drogerie hat.

Die Gründerinnen wohnen in Gnoien. Schnell sprach sich rum, dass die beiden Frauen den einstigen rund 160 Quadratmeter großen Schlecker-Markt als Drogerie wiedereröffnen wollten, erinnert sich Monika Paschen. „Die Gnoiener haben sich gefreut und immer gefragt, wann wir endlich eröffnen. Das hat innerlich schon Druck gemacht“, sagt Marlies Anders.
Die letzten Tage vor der Eröffnung wurde durchgearbeitet. Am meisten hielt die Ware auf: „Die Ware muss ja erst einzeln von der Kasse erfasst werden, bevor sie ins Regal kommt und dann verkauft werden kann“, erklärt Marlies Anders. „Wir dachten schon, wir schaffen das nicht.“
Vor der Zukunft haben die beiden keine Angst: „Wir überzeugen mit persönlicher Beratung. Zudem ist unser Sortiment sehr breit gefächert, wir bieten deutlich mehr als die Discounter in der Umgebung. Und der Laden hier lief schon immer gut“, zählt Marlies Anders auf.

Natürlich gebe es auch umsatzschwache Zeiten, beispielsweise im Winter, aber das sei normal. Vielleicht überbrückt die Drogerie Warbel die mageren Zeiten mit ihrem kostenlosen Bringe-Service in Gnoien besser. Zudem liegt ein Wunschzettel für Kunden aus, was noch ins Sortiment soll. Denn das schon jetzt sehr umfangreiche Angebot soll in jedem Fall weiter ausgebaut werden. „Parfüm und Haarschmuck wollen wir nach und nach beispielsweise dazu nehmen“, sagt Monika Paschen noch schnell, bevor sie wieder eine Kundin mit Blumenstrauß umarmt.
Grit Gehlen

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