Sie sind klein wie Zigarettenschachteln, grau und unscheinbar und gehören zu den modernsten Überwachungssystemen weltweit. Entwickelt wurden die drahtlosen Messsysteme in Mecklenburg-Vorpommern – von Dr. Frank Grassert und Dr. Matthias Handy. Die beiden haben sich im Januar 2008 mit ihrer Firma SENEON in Rostock selbstständig gemacht und wollen jetzt die Welt erobern.
Das etwa 20 Quadratmeter große Büro der beiden Firmenchefs erinnert auf den ersten Blick an eine „Bastelbude“. Grünpflanze, Chefsessel? Fehlanzeige! Kabel, Schrauben und viel Papierkram stapeln sich auf den Schreib- und Ablagetischen neben den Laptops. „Wir entwickeln und verkaufen drahtlose Messsysteme für Labore in denen beispielsweise Zellzüchtung betrieben wird“, erklärt der 32-jährige Wirtschaftsingenieur Matthias Handy. „Das muss unter ganz bestimmten Bedingungen passieren. Unsere Drahtlosnetzwerke können die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und verschiedene Gaskonzentrationen messen. Kabellos, versteht sich. Die Daten können dann jederzeit weltweit über’s Internet abgerufen werden.“
Anfang 2006, als die beiden jungen Männer noch an der Uni waren, entstand die Idee sich selbstständig zu machen. „Schuld“ war die Doktorarbeit, in der es um Nutzen,Vorteile und Möglichkeiten von drahtloser Messtechnik ging. „Wir haben dann erstmal eine Marktrecherche gemacht“, erinnert sich Frank Grassert, „und geforscht, wer so was brauchen könnte.“ Mit drahtlosen Messsystemen kann man beispielsweise die Festigkeit eines Deichs messen, die Feuchtigkeit in Getreidesilos oder die Gaskonzentration in Laboratorien. Alle ihre Gesprächspartner zeigten Interesse, fanden die drahtlose Überwachung spannend. Klar war aber von Anfang an, kaufen würden nur die, bei denen der wirtschaftliche Nutzen am größten ist. „Und da haben wir uns für die Labore als Zielgruppe entschieden“, bringt es Matthias Handy auf den Punkt. “Dort werden zum Beispiel Zellkulturen gezüchtet und wenn da mal alle Kühlschränke ausfallen, droht ein wirtschaftlicher Totalschaden.“ Ein drahtloses Messsystem, das im Notfall sogar eine SMS aufs Handy schickt, kann das verhindern.
„Dann sind wir losgezogen, haben uns erkundigt, wer uns bei der Gründungsidee helfen könnte“, berichtet der 33-jährige Elektrotechnik-Ingenieur Frank Grassert. Hilfe bekamen sie vom Bildungswerk der Wirtschaft und vom Forschungsverbund MV. „Die Idee ist gut. Wir bräuchten aber einen Geschäftsplan, wurde uns gesagt.“ Und während die beiden über Umsatzzahlen, Gewinn, Konkurrenzsituation und Finanzierbarkeit brüteten, startete der Businessplan-Wettbewerb Mecklenburg-Vorpommern. „Da kann man Geld gewinnen“, dachten sie sich und reichten ihren Geschäftsplan ein. 1000 Euro gab es für ihre Geschäftsidee in Wettbewerbsstufe 1 und in Stufe 2 für ihr ausführliches Konzept nochmals 5000 Euro. „Das war ein schönes Startkapital, konnten wir wunderbar gebrauchen. Viel Geld davon ging für Reisekosten und Messetermine drauf“, zählt Matthias Handy auf.
Kurz darauf gewannen sie nochmal: 10.000 Euro beim Uni-Ideenwettbewerb Venturesail. Über 30.000 Euro Personal- und Sachkostenzuschüsse gab es außerdem aus dem EXIST-Programm der Bundesregierung. Es unterstützt Existenzgründer aus Hochschulen mit technologisch-innovativen Ideen.
Im Frühjahr 2007 meldeten die beiden ihre Firma „SENEON“ zunächst im Nebenerwerb an. Der Firmenname war schnell gefunden.
Schwieriger war die Kundensuche. „Wir hatten noch keine Referenz-Kunden, sind eine junge, unbekannte Firma. Da sind die Labore vorsichtig“, erzählt Frank Grassert. Er holt einen kleinen grauen Kasten von seinem Schreibtisch und erläutert: „Das hier ist der Sender. Der kann ohne Bohren, Dreck und Lärm außen an der Kühlschrankseite oder im Brutkasten befestigt werden.“
An dem grauen Kasten hängt ein Kabel, so lang und dünn wie eine ausgerollte Lakritzschnecke. Darin sind bis zu drei Sensordrähte versteckt, die rund um die Uhr Luftfeuchtigkeit, Temperatur und CO2-Gehalt messen. Die Messwerte werden ständig via Funk an den Empfänger übermittelt. Der Empfänger ist auch ein kleiner grauer Kasten, der am Rechner steckt. Durch eine Software, die die beiden Tüftler entwickelt haben, können die Daten weltweit abgerufen werden.
Der erste Kunde, ein Labor aus Hamburg, bestellte das drahtlose Überwachungssystem im Dezember 2007. Kurz darauf, im Januar 2008, haben sie sich endgültig im Haupterwerb selbstständig gemacht, beantragten ein Mikro-Darlehen und bekamen fast 10.000 Euro für den Start. Matthias Handy schnappt sich ein leeres Gehäuse:„Das sind Standardgehäuse, die kaufen wir ein. Wir haben die Leiterplatte selbst entwickelt und lassen sie hier in Rostock fertigen. Zusammengebaut werden Sender und Empfänger von uns.“
Weil der Weg zum erfolgreichen Unternehmen doch schwieriger ist als gedacht, haben sich die Jungunternehmer vor kurzem beim Mentoring-Programm des Landes beworben. Sie hatten großes Glück, sind sich die jungen Männer einig. Von ihrer Mentorin, Dr. Dagmar Braun von den Riemser Arzneimittelwerken, hätten sie schon viel Branchen-Interna erfahren. Zum Beispiel, wo von wem Kühlschränke und Brutkästen für Forschungszwecke genutzt werden.
Potentielle Kunden gibt es also.
Grit Gehlen