Gärtnern ohne Erde

Weit über hundert Gurken, mehr als 40 Paprika, kiloweise Erdbeeren und sogar Honigmelonen hat Christoph Kunkel in diesem Sommer schon in seinem kleinen Gewächshaus geerntet. Das Besondere: Die wenigen Pflanzen wachsen nicht in Erde, sondern nur in Blähtonkugeln.

Christoph Kunkels Geschäftsidee wird zwar noch ein bisschen Zeit brauchen, aber er kann sich gut vorstellen, mit seinen Systemen einen mittelständischen Betrieb aufzubauen. Alle Fotos: Grit Gehlen

Die Wurzeln werden mehrmals am Tag für einige Minuten mit Wasser umspült, dem in genau abgestimmter Dosierung Dünger zugefügt ist. Fast zwei Jahre hat der 31-jährige Greifswalder an der Idee getüftelt. Sein Ziel ist es, dass Jedermann so ein System künftig kaufen kann. Für große industrielle Gewächshausbetreiber gibt es sowas schon lange.

Christoph Kunkels Schrebergarten sieht etwas verwildert aus. Ein riesiger Kürbis fällt jedem Besucher sofort ins Auge, es gibt auch süße gelbe Himbeeren. Rosenkohl und Mangold wachsen in der Erde. Doch Christoph Kunkel hat nicht recht Zeit zum Rasen mähen und zum Ernten. Notgedrungen verbrachte er in diesem Sommer schon viel Zeit in seinem Versuchsgewächshaus. „Zwei Mal stand der Garten samt Gewächshaus nach Gewittern unter Wasser. Die Pumpe, die die Pflanzen hier drin mit Wasser versorgt, ging kaputt. Die Pflanzen haben dann sofort schlapp gemacht.“ Eingegangen sind auch der Brokkoli und die Kohlrabis, nachdem es sich Schmetterlingsraupen im Gewächshaus gemütlich gemacht hatten. Ein anderes Mal hatte Christoph Kunkel mit zu viel Salpetersäure das Wasser völlig übersäuert. Die Wurzeln sahen wie weggefressen aus und die Pflanzen erholten sich nur langsam.
Doch Christoph Kunkel sieht das alles gelassen: „Ich habe in diesem Jahr viel gelernt. Auch, dass ich von meinen Ernteerfolgen hätte Fotos machen müssen“, sagt er und schmunzelt. Nun können nur die Lebensgefährtin, die beiden Kinder und die Eltern bezeugen, wie gut seine Idee funktioniert.

Die Pflanzen hat Christoph Kunkel in Steinwolle selbst gezogen. Sobald sie groß genug sind kommen sie samt Steinwolle in einen kleinen Topf, der mit Blähtonkügelchen gefüllt ist. Dieser Topf steckt nun in einem quer liegenden Regenwasserrohr, durch das  zehn Mal am Tag  das mit Nährstoffen angereicherte Wasser gepumpt wird. „Die Pflanzen haben lange Wurzeln gebildet und schauen unten aus den Töpfen raus“, erklärt der 31-Jährige. Er nimmt eine prächtig gewachsene Erdbeerpflanze aus dem Rohr. „Die hatte riesige Erdbeeren dran. Mein kleiner Sohn hat immer begeistert genascht“, freut er sich.

Studiert hat der junge Mann Geografie und Geologie in Greifswald.  „Als Geograf habe ich mich auf Böden spezialisiert. Das Wissen über Standortansprüche gewisser Pflanzenarten ist dabei von enormer Wichtigkeit. So können Standortparameter bereits abgeschätzt werden, ohne den Boden geöffnet und untersucht zu haben.“

Dieses Wissen ist für seine Geschäftsidee sehr hilfreich. Denn Tomaten brauchen beispielsweise eine ganz andere Düngerzusammensetzung als Eisbergsalat. Der wurde deswegen auch nicht im erdlosen Versuchsgewächshaus angebaut.  Dafür aber Erdbeeren, Paprika und Melonen. Alle diese Pflanzen benötigen eine sehr ähnliche Nährstoffzufuhr, die Christoph Kunkel genau berechnet hat.
In das mit Dünger gemischte Wasser wird zudem regelmäßig Sauerstoff  gepustet, damit sich keine Algen bilden. „Tagsüber geht die Pumpe stündlich etwa zwei Minuten lang an und pumpt das Wasser durch die Rohre und wieder zurück in den Behälter.“  Die Pflanzen „trinken“ sozusagen in der Zeit genau so viel wie sie brauchen. Nichts versickert nebenbei. „Das spart Wasser, Dünger und der Ernteertrag ist bis zu fünf Mal höher gegenüber dem herkömmlichen Gartenanbau“, zählt Christoph Kunkel die Vorteile auf.

Zehn Mal am Tag springt die Pumpe an und pumpt das mit Nährstoffen angereicherte Wasser etwa zwei Minuten lang durch die Rohre.

Mit seiner Idee überzeugte er kürzlich auch die Jury des UNIQUE-Wettbewerbs an der Uni in Greifswald. Hier arbeitet der junge Mann halbtags als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Per Mail erfuhr er, dass die Uni innovative Geschäftsideen sucht. „Ich hab eigentlich nur mitgemacht, weil ich mal von Experten hören wollte, was sie von meiner Idee halten.“ Die Teilnahme war Gold wert, ist das Fazit des 31-jährigen Tüftlers.
„Um teilzunehmen musste ich meine Idee auf Papier bringen, Zahlen und Fakten konkret aufschlüsseln und selber hinterfragen, ob es sich rechnet, solche Systeme herzustellen und zu vertreiben.“ Die 750 Euro, die er als Zweitplatzierter in der Kategorie „Forschende“ erhielt, hat Christoph Kunkel für Materialien eingeplant. Die will er preiswert in China bestellen. „Ich werde über den Winter im Keller verschiedene solcher Systeme bauen. Denn jeder Kunde hat andere Wünsche. Der eine will das System vielleicht in seiner Wohnung an der Wand befestigen und das ganze Jahr über selbst gezogenes Gemüse ernten. Ein anderer Kunde will es auf den engen Balkon stellen und der nächste vielleicht an der Hauswand montieren. Jeder soll ein System nach seinen Wünschen bekommen können, inklusive Empfehlungen, was welche Pflanze braucht “, ist das Ziel des Geografen.

Die Herausforderung dabei sei das Aussehen des Systems. Ein ansprechendes Design ist wichtig. Christoph Kunkel ist klar, dass sich niemand graue Regenwasserleitungen aus Plastik in die Wohnung hängt oder auf den Balkon stellt. Solche „unschönen“ Systeme gebe es zudem bereits und sie seien hammerteuer, kritisiert er.

Als nächstes will sich Christoph Kunkel in der Industrie- und Handelskammer grundlegend beraten lassen. „Ich brauche einen Plan, wie ich vorgehen soll, was zuerst bedacht und was später gemacht werden kann.“ Toll findet er auch das Mentoring-Programm. Gestandene Unternehmer aus Mecklenburg-Vorpommern bieten in diesem Programm Gründern ehrenamtlich ihre Hilfe an, vermitteln Kontakte und geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter.
Christoph Kunkels Geschäftsidee wird zwar noch ein bisschen Zeit brauchen, aber er kann sich gut vorstellen, mit seinen Systemen einen mittelständischen Betrieb aufzubauen. „Ich finde meine Idee wirklich toll und viele Hobbygärtner bestimmt auch!“

Grit Gehlen

Kontakt:

Privat:
Christoph Kunkel, Dostojewskistr. 3b, 17491 Greifswald
Tel: 0151 – 581 65 359
E-Mail: christophkunkel1@gmx.de

Dienstlich:
Dipl. Geogr. Christoph Kunkel, Institut für Geographie und Geologie, Friedrich-Ludwig-Jahn-Str. 17a, 17489 Greifswald
Tel: 03834/86-4597
christoph.kunkel@uni-greifswald.de

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