Essbare gezuckerte Blüten und Fichtennadel-Gelee verzücken die Kunden

„WunderBlume“ hat Kerstin Biedermann aus Sandhof bei Schwerin ihr kleines aber feines Unternehmen genannt. Die 41-Jährige stellt in Handarbeit Marmeladen, Gelees und kandierte Blüten her. Der Kundenkreis ist noch sehr exklusiv, weil sich Kerstin Biedermann ihre Kunden selbst sucht und aussucht. Wie sie dabei vorgeht, erzählt sie in diesem Interview.

Kerstin Biedermann ist ihrem Mann Steffen sehr dankbar für seine Unterstützung: “Er hält mir den Rücken frei und macht mir immer wieder Mut. Er ist auch mein größter Kritiker, wenn ich neue Sachen ausprobiere.” alle Fotos (7): Kerstin Biedermann

Frau Biedermann, am 14. Mai feiern Sie Ihr zweijähriges Bestehen als Unternehmerin.
Erinnern Sie sich gerne an die ersten Tage?

Ja sicher, aber nicht nur an die ersten Tage. Ich freue mich jeden Tag, das tun zu dürfen was mir Freude macht. Am Anfang war es schon spannend für mich, denn ich wusste ja nicht wie die Kunden meine Produkte annehmen und wie sie auf mich und das was ich tue reagieren. Schließlich bin ich ja mit meinen „Zuckerblüten“ in eine kleine Nische getappt.

Wer sind Ihre Kunden?

Meine Kunden sind vor allem Menschen, die gesunde Ernährung schätzen, die Wert auf die Regionalität der Lebensmittel legen, die offen sind für Neues und die Natürlichkeit nicht nur schmecken sondern auch sehen und riechen möchten. Diese Kunden arbeiten in individuellen Einrichtungen mit Wohlfühlcharakter. Also Häuser, in denen auch ich gern etwas kaufen würde. Beispielsweise Klosterläden oder Hotels mit gehobener Gastronomie und besonderem Ambiente.
Auch auf den Märkten fühle ich mich sehr wohl. Ich mag es, mit den „älteren Damen“ über vergessene Marmeladenrezepte zu plaudern und ich bin immer wieder gespannt, wie vor allem die älteren Herrschaften auf meine Probierhäppchen reagieren. Ich meine damit die Gelees, Liköre oder den Sirup aus Fichtensprossen. Ich nenne diese Produkte „waldige Genüsse“ und das spricht besonders die Männerwelt an.
Sehr interessant finde ich es, mich mit jungen Leuten auszutauschen über neue Süßungsmethoden beispielsweise. Statt Zucker dies oder jenes zu verwenden. Und daraus sind schon viele neue, gute Kontakte entstanden.

Wie ist überhaupt die Idee entstanden, sich selbstständig zu machen?

Es kam der Zeitpunkt an dem der Verstand  eine Auszeit nahm und mein Gefühl mal ein paar Fragen stellte: Was kann ich? Was will ich und vor allem, was will ich nicht mehr? Was macht mir Freude? Warum tue ich es nicht einfach?
Meine Antworten auf diese Fragen lauten: Freude macht mir, in unserem Garten zu arbeiten, Blumen zu binden, Kräuter zu sammeln und zu trocknen und alles im Einklang mit der Natur zu verarbeiten. Wir haben über 60 Obstbäume, ein Gewächshaus und drum herum auch noch so einiges und ich mag es einfach draußen zu sein.
Ich habe Abschlüsse für zwei Berufe und eine Berufung: Meine erste Ausbildung schloss ich als Restaurantfachfrau ab. Ich habe in einigen guten Hotels gearbeitet. Somit kannte und kenne ich das Klientel  und weiß worauf es ankommt. Mit 33Jahren habe ich noch einmal eine neue Ausbildung gestartet und den Abschluss als Mediengestalterin Fachrichtung  Grafik/Design gemacht. Mit jungen Leuten habe ich damals die Schulbank gedrückt, Businessenglisch und Formeln gepaukt.  Als ich auch diese Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, konnte ich mit tollen Grafikprogrammen umgehen, Visitenkarten und Flyer gestalten und wusste so richtig was Kommunikation und Marketing bedeutet. Ich sammelte Messeerfahrung, durfte Hofläden bei der Gründung begleiten, sprich die Werbung gestalten vom Schaufenster bis zum Firmenwagen und habe die Leute bewundert. Damals wusste ich nicht, dass ich das alles einmal für meine eigene Firma nutzen werde.
Dann kam die Liebe ins Spiel und ich zog nach Mecklenburg. Hier gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz für mich doch schwieriger als gedacht. Gut, in Hamburg wo auch mein Mann arbeitet, hätte ich sofort  eine super Arbeit haben können. Mit eigenem Dienstwagen, gutes Geld und so weiter. Ein sehr verlockendes Angebot sozusagen. Doch dann, als ich in einem der schönen Cafés saß und die Leute aus der großen Stadt mit Handy am Ohr im Dauerlauf über rote Ampeln flitzen sah, war mir klar: Das möchte ich nicht.

Eines Morgens saß ich im Schaukelstuhl unter unserem Apfelbaum und konnte drei von den fünf Fragen schon mal beantworten. Tausende Gänseblümchen lächelten mich an und ich erinnerte mich an den Satz einer alten Frau: „ Alle großen Pläne und Ziele sind zwar gut, aber ich solle doch darauf achten was ganz nah um mich herum ist, denn dort übersieht man oftmals  das Glück. Ja, und da waren sie die Gänseblümchen. Wunderschön und der Schlüsselmoment für meine Geschäftsidee! Ich dachte, man müsste sie konservieren um die Schönheit bewahren zu können. IN diesem Moment war klar: Ich mache jetzt mein eigenes Ding.  Das ist es was ich will, kann und liebe. Alles was ich brauche befindet sich direkt hier vor mir und um mich herum.
Noch am gleichen Tag habe ich mich schlau gemacht, wie und ob es funktionieren könnte, essbare Blüten für einen längeren Zeitraum, für mehrere Monate in Farbe, Form und Geschmack haltbar zu machen, sozusagen den Sommer einzufangen. Mit einer befreundeten Apothekerin habe ich dann eine Tinktur entwickelt, ausprobiert, bezuckert und Lagertests gemacht. Dann habe ich mich ein paar Regentage lang an den Schreibtisch gesetzt und mein Konzept geschrieben und bin losgezogen zum Arbeitsamt in Lübz. Danach ging es zum Existenzgründerlehrgang, zum Lebenmittelaufsichtsamt usw.
Vieles ging wie von selbst, denn seit dem Moment im Schaukelstuhl wusste ich, egal welche Hindernisse vielleicht auftreten, ich werde es schaffen.

Wie erfolgreich sind sie mit Ihrem Unternehmen“ WunderBlume“?

Erfolg ist ein Begriff den jeder anders definiert. Erfolgreich bin ich wenn meine Kunden mit den Produkten absolut zufrieden sind.  Wenn ich ein  gutes Feedback bekomme für meine Kräutersalze oder den Hagebuttensirup und wenn Kunden dann auch noch einen Blumenkranz mit nach Hause nehmen, dann ist das für mich ein Erfolg!
Ich weiß dann, dass sie lange an meinen Produkten und meinen  gestalterischen Ideen Freude haben werden. Das macht mich glücklich.
Obwohl ich schon so viele verschiedene Dinge ausprobiert habe, bin ich jedes Mal wieder verzückt, was die Natur alles bietet und  was man letztendlich daraus herstellen kann. Zum Beispiel Lavendel-, Strohblumen- und Heideblütenkränze. Kränze aus Kastanien, Nüssen und Eiern, aber auch aus Muscheln oder Kränze aus Moos und Ästen finde ich immer wieder wunderschön.

Als Selbstständige hat man viele Hürden zu bewältigen, erlebt aber auch sicher viele schöne Momente. Gibt es ein oder zwei herausragende Erlebnisse?

Ja, die gibt es. Ganz am Anfang habe ich für den Empfang auf einer Hochzeitsfeier mit 140 Gästen, jedes Sektglas mit einer meiner Zuckerblüten bestückt. Im Vorfeld kam ein befreundeter „ Spitzenkoch“ zu uns nach Hause und wir mussten erst mal Austesten, wie wir die Blüten an den Gläsern befestigen. Schließlich sollte man sie ja beim Trinken vernaschen. Nach einigen Versuchen haben wir dann eine Lösung gefunden.
Beim Empfang selbst kamen alle Gäste auf einmal. Der Service war leicht überfordert und ich schnappte mir kurzerhand die Tabletts mit dem Zuckerblütensekt und habe die Gäste dann selbst bedient. Da die Gäste nicht wussten, dass die Blüten meine Handschrift trugen, konnte ich zu 100 Prozent die Reaktionen darauf live erleben, unverstellt und echt. Die Zuckerblüten wurden bestaunt und bewundert.
Und genau das ist es, was ich erreichen will: Das einfach Natürliche in etwas Besonderes umwandeln. Den Kunden nur einen kleinen Augenblick zum Staunen bringen, ihn die Schönheit der Natur im Detail sehen und schließlich auch schmecken zu lassen. Das ist mir bei  der Hochzeit gelungen und war für mich ein sehr schönes Erlebnis gleich zum Start meiner Selbstständigkeit.

Es gibt aber auch heute noch sehr viele schöne Momente: Sehr schön finde ich, wenn ich unerwartet Post oder einen Anruf erhalte, von Menschen die auf dem Markt etwas von mir gekauft haben. Die mir dann, nach Tagen oder Wochen, ihre Meinung schreiben und sich nochmals bedanken, manchmal sogar mit Foto. Das ist und bleibt etwas besonders für mich. Und ich bin immer sehr dankbar, dass sich jemand die Zeit nimmt, das zu tun.

Zur Vorbereitung auf das Interview habe ich im Internet nach Ihrer Webseite oder Fanpage gesucht und erstaunlicherweise nichts gefunden. Ist das Absicht?

Ja, ganz bestimmt!
Von Anfang an gab es so guten Zuspruch, dass ich nicht sicher war, wie ich zeitlich alles bewältigen kann. Ich musst ja selbst erst einmal  in die Selbstständigkeit reinfinden. Ich möchte mein Unternehmen langsam aufbauen, mit einem guten und stabilen Fundament, das lange halten soll.
Irgendwann wird es mal eine Website und auch eine Fanpage geben. Aber erst, wenn ich sicher bin, Zeit und Kraft dafür zu haben. Derzeit bin ich durch meine Marktverkäufe und Mund-zu-Mund-propaganda voll ausgelastet.

Welche Rechtsform haben Sie für Ihr Unternehmen gewählt und warum?

Ich bin Einzelunternehmerin. Beim Finanzamt habe ich meine Firma „WunderBlume“ mit der Kleinunternehmerregelung mit bis zu 17.500 Euro Umsatz im Jahr angemeldet. Expandieren kann ich immer noch.

Als Unternehmerin wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem haben Sie sich damals fit gemacht für die Selbstständig?

Ich habe mein Konzept geschrieben und bin zur Agentur für Arbeit nach Lübz gefahren. Dort wurde ich mental bestärkt und auch finanzielle Unterstützung wurde mir in Form des Gründungszuschusses zugesagt. Ich bin sehr zufrieden mit der Beratung und Unterstützung durch Frau Walsleben im Arbeitsamt gewesen.
Dann habe ich mich beim Existenzgründerlehrgang in Parchim beim Verein selvnet angemeldet und dort im Kurs gleich noch andere junge Gründer kennengelernt. Wir haben viel erfahren über neue Regelungen für Firmengründer, das Thema Buchhaltung aufgefrischt usw.
Ich kann nur jedem raten, auch wenn er denkt er weiß schon alles, an einem Gründerkurs teilzunehmen!

Rückblickend: Welche Wissenslücken gab es vor Start in die Selbstständigkeit?

Ich war unsicher, ich welcher Reihenfolge ich bei der Gründung vorgehen muss: Erst  Gewerbeschein und dann Lebensmittelaufsichtsamt? Wie führe ich ein Bank- und Kassenbuch? Aber ich habe auch jetzt immer wieder Fragen, z.B. zum Thema Rente. Ich denke, das Fragen stellen hört nicht auf und soll es auch nicht.

“Ich mag es, mit den „älteren Damen“ über vergessene Marmeladenrezepte zu plaudern und ich bin immer wieder gespannt, wie vor allem die älteren Herrschaften auf meine Probierhäppchen reagieren.” Foto: Kerstin Biedermann

Was ist der entscheidendste Faktor, damit Ihr Unternehmen den Durchbruch schafft?

Durchbruch? Sie meinen, wann aus der Raupe ein Schmetterling wird? Nun, manchmal reicht es schon zu wissen, dass man einer werden könnte.

Noch bin ich ja sozusagen „Alleinkämpferin“ und mein eigener Anspruch in die Qualität der Ware, nicht nur inhaltlich sondern auch optisch – sprich Design und Entwurf der Etiketten, ist sehr hoch. Ich möchte die Klasse und Individualität beibehalten und nicht in eine Art Serienproduktion verfallen. Ich mag nicht, wenn Fließbandarbeit als „echt hausgemacht“ verkauft wird. Der Verbraucher hat ein Recht auf Authentizität – jedenfalls meine Zielgruppe. Ich möchte saisonal das verarbeiten was unser Garten und das Umfeld bieten und die Dinge dann direkt und vor allem regional vermarkten. Damit ist mein Tagesablauf gut ausgefüllt. Der Durchbruch vollzieht sich sozusagen ständig und Schritt für Schritt.
Wichtig ist für mich persönlich, auf mich aufzupassen. Ich möchte nicht betriebsblind werden! Ich will die Zeit und Fähigkeit zum Staunen nie verlieren, die kleinen Wunder immer wieder sehen können.
Zurzeit bin ich Gärtnerin, Buchhalterin, Marktfrau, Produzentin, Lieferantin, Produktdesignerin und „Marmeladenköchin“. Und all das mit Leidenschaft. Die möchte ich mir erhalten, darum sage ich: Man muss auf sich aufpassen.
Was nützt es wenn man nervös und unzufrieden wird, weil man Forderungen und die eigene Zielsetzung nicht erreicht? Das ist zum Glück noch nicht passiert. Zuverlässigkeit und Qualität stehen für mich an erster Stelle. Die Freude sollte erhalten bleiben. Und ich weiß heute, 100 Prozent sind ausreichend.

Wo sehen Sie in der nächsten Zeit ihre größten Herausforderungen?

Meine größte Herausforderung sehe ich darin, eben genau diesen Ausgleich zwischen Arbeit und Freiraum für kreative Schaffenskraft, beizubehalten. Ich weiß, wie schnell man das vergessen kann, wenn man seine Arbeit liebt.

Ergänzen Sie bitte folgende Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig zu sein bedeutet für mich,… Freiheit, selbstbestimmt meine Zukunft gestalten zu können und verantwortlich zu sein für mein „Werk“.

Würde ich noch mal neu starten, dann … Punkt.

Ich habe gelernt, keine Zeit mehr zu verschwenden mit Fragen wie: Was wäre wenn oder würde ich. Leben ist Jetzt. Und jetzt ist es gut so.

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich,… zuerst auf ihr Bauchgefühl zu achten, dann unbedingt den Verstand als guten Begleiter einzuschalten und schließlich einfach anzufangen. Und das genau in dieser Reihenfolge!

Kontakt:
„WunderBlume“
Kerstin Biedermann
Waldstraße 2
19399 Sandhof

Tel.Nr.: 038736/80878
E-Mail: kerstinkoch17@t-online.de

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