“Als ich meinen Freunden von meiner Idee erzählte, war ich auf Spott gefasst…”

Johanna Otte hat sich im Sommer 2012 mit einer Babypraxis in Neustrelitz selbstständig gemacht. Sie ist ein Segen für junge Eltern: Johanna Otte bietet Beratung bei Schlaf-, Fütter- und Schreiproblemen und ganz spezielle Massage- und Tragekurse an. Für ihre Angebote nutzt die Jungunternehmerin auch die modernen Medien. Beratungen per Skype und ICQ sind möglich. Wie Johanna Ottes Geschäftsidee entstanden ist und ob sie schon erfolgreich ist, erzählt die 30 -Jährige in diesem Interview.

Foto: Ulrike Wojtaszek Photoart

Frau Otte, hatten Sie selbst Schreikinder oder wie ist die Geschäftsidee entstanden?

Ein Schreikind direkt nicht, aber die Geburt meines zweiten Sohnes war für ihn und mich recht traumatisch. Wir haben einen Weg gesucht, die Geburt zu verarbeiten und festgestellt, dass es hier vor Ort wenig Möglichkeiten dafür gab. Aus meiner Studienzeit in Dresden kannte ich die Emotionelle Erste Hilfe – eine Beratung oder ggf. Krisenbegleitung für Eltern und Kinder (0-3 Jahre), die sich um die Themen Schlafen, Schreien, Essen (Stillen), Entwicklungsschwierigkeiten und andere Elternthemen bewegt. In ganz Mecklenburg konnte ich dazu nichts finden. Also fuhr ich für einige Sitzungen nach Dresden – und beschloss dann, selbst tätig zu werden.
Schon immer habe ich mir mehr Kundenkontakt und Austausch in meiner Arbeit gewünscht, am liebsten in einer therapeutischen Richtung. Meine Begeisterung für das Tragen passte ganz hervorragend dazu. Schon vor knapp sieben Jahren habe ich meinen befreundeten Müttern das Tragen beigebracht. Als ich meinen Freunden von meiner Idee erzählte, war ich auf Spott gefasst, stattdessen hörte ich einheitlich: „Johanna, das passt zu Dir.“ Besonders begeistert bin ich von der Mischung meiner Arbeit, da ich nicht nur in akuten Situationen helfen kann, sondern auch über meine Basic Bonding-Kurse (Eltern-Kind-Interaktion und Schmetterlingsmassage) und die Trageberatung präventiv arbeiten kann.

Wie erfolgreich sind Sie?

Rein an den Zahlen gemessen darf es gerne noch mehr werden: Die Tragekurse sind zwar meist ausgebucht und ich habe sehr regelmäßig einzelne Trageberatungen, aber die Krisenbegleitung für junge Eltern wird nur zögerlich angenommen. Ich denke, die Eltern wissen nicht genau, was sie erwartet und welchen Nutzen sie davon haben. Viele Eltern neigen dazu, die Situation zu Hause mit den Gedanken „jedes Baby weint mal“ oder „ist ja bald vorüber“ auszuhalten. Manchmal kommt vielleicht noch die Angst dazu versagt zu haben, wenn sie es alleine nicht schaffen. Dabei – und darin sehe ich meinen eigentlichen Erfolg – kann ich den Eltern in wenigen Sitzungen gut weiterhelfen. Ich sehe fast immer am Ende einer Beratung ein dankbares Gegenüber vor mir.

Als Unternehmerin wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem  haben Sie sich fit gemacht für die Selbstständigkeit?

Nein, bin ich nicht? Na, ein bisschen schon. Für den Rest hatte und habe ich Halle 10 in Neubrandenburg als Unterstützung. Dort war ich schon mit meiner allerersten Gedanken mich selbstständig zu machen und zudem begleitet mich mein Steuerbüro – gerade was Fragen zu Dingen wie Dienstfahrzeug, Kleingewerbe oder doch Umsatzsteuer und Kassenbuchführung anbelangt.

Welche Wissenslücken gab es vor dem Start in die Selbstständigkeit?

Es fing für mich schon mit den ganz banalen Fragen an: Wie mache ich mich eigentlich selbstständig? Wo muss ich mich melden, welche Schritte sind notwendig? Was muss ich in der Elternzeit beachten? Was ist mit den Versicherungen wie Krankenkasse, Berufshaftpflicht etc.? Vor dem Problem stehen wahrscheinlich die meisten Existenzgründer: Das Fachwissen, die Idee zur Umsetzung ist da und dann wird man von einem Haufen „Papierkram“ erschlagen. Nicht nur zur Anmeldung und Vorbereitung der Selbstständigkeit sondern auch im laufenden Betrieb: Die ganze Dokumentation und Büroorganisation ist nicht zu unterschätzen.

Auch Sie haben vor Ihrer Gründung einen Businessplan geschrieben? Ist bis jetzt alles so eingetreten wie einst geplant?

Ja und nein. Ich halte Konzepte für sehr sinnvoll, aber man sollte immer darauf gefasst sein, dass es dann ganz anders kommt. Mein ursprünglicher Plan war, meine Praxis von Anfang an etwas größer aufzuziehen – mit mehr Angeboten und zusätzlichen Partnern. Da dies organisatorisch und finanziell neben meinen Weiterbildungen nicht zu schaffen war, habe ich mich für das „Scheibchenmodell“ entschieden. Das erste Jahr habe ich meine Beratungen von zu Hause aus gemacht, nun habe ich mich mit in eine Praxis eingemietet, diesen Monat geht mein Online-Shop online und wenn sich dieser etabliert hat, folgen die nächsten Schritte.

Brauchten Sie Geld für Ihre Gründung? Haben Sie Fördermittel beantragt?

Ja, ich brauchte Geld: Ich musste eine Menge Tragetücher und –hilfen zum Vorführen besorgen, sowie Tragepuppen, Kissen, Matten und anderes Zubehör. Das war zwar mühselig, aber nun habe ich auch wirklich alles, was das Herz begehrt. Fördermittel habe ich bisher nicht beantragt, das wird vielleicht für die nächste Scheibe interessant.

Was ist der entscheidendste Faktor, damit Ihr Unternehmen den Durchbruch schafft?

Der entscheidendste Faktor ist ein gutes Netzwerk. Gerade weil die Krisenbegleitung allgemein noch relativ unbekannt ist, bin ich auf Empfehlungen angewiesen. Ich merke langsam, dass meine Netzwerkarbeit anfängt zu greifen – und auch, dass mich Mütter, die bei mir waren, weiterempfehlen.

Wann schreiben Sie schwarze Zahlen?

Ich erwarte, dass ich schwarze Zahlen schreibe, sobald meine Weiterbildung zur Fachberaterin für Emotionelle Erste Hilfe komplett fertig ist und mein Online-Shop sich etabliert hat. Das sollte ungefähr zum 2. Jahrestag von Babypraxis Otte sein.

Wo sehen Sie in der nächsten Zeit ihre größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung sehe ich darin, den Inhalt meiner Arbeit zu transportieren, sie den Eltern wie Fachleuten verständlich zu machen. Die meisten fragen: „Emotionelle Erste Hilfe (EEH)? Was ist das?“ So wie die Eltern wissen, dass sie mit einer Blockierung ihre Kinder zum Osteopathen bringen, so selbstverständlich würde ich mir wünschen, dass Eltern EEH für sich annehmen.

Gibt es etwas, das noch fehlt? Ein Mitarbeiter, Geld oder eine Maschine?

Geld, ja das kann man immer gebrauchen. Vor allem aber wünsche ich mir langfristig Räumlichkeiten in denen ich meine Beratungen und mein Material verbinden kann. In meinen Trageberatungen brauche ich einfach viele Tücher und co. Wenn ich zu einer Einzelberatung fahre, habe ich den ganzen Kofferraum voll. Da ich das ganze Material also ohnehin habe, würde ich es auch gerne ausstellen. Am liebsten so, dass Mütter oder andere Interessierte auch unverbindlich vorbeischauen können. Die passenden Mitarbeiter, um das zu realisieren, habe ich schon um mich versammelt.

Nutzen Sie Social Media Kanäle um sich und Ihr Unternehmen bekannt zu machen?

Ich nutzte Facebook und das sogar sehr intensiv. Für Ankündigungen von Workshops und Kursen, aber auch, um gezielte Informationen zu den Themen Tragen, Stillen, Schlafen, Erziehen etc. weiterzugeben.

Ergänzen Sie bitte die folgenden Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig sein bedeutet für mich,… mein eigenes Tempo zu gehen, meinen Interessen und Neigungen Raum zu geben und mit Begeisterung zu Arbeiten.

Würde ich noch mal neu starten,… dann würde ich mich ein wenig besser organisieren und mir nicht so viel auf einmal vornehmen (schwierig, wenn man so begeistert dabei ist).

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich,… sich gut beraten zu lassen (Coaching o.ä.), sich Zeit zu nehmen auf sich selbst zu hören und nicht entmutigen zu lassen.

Kontakt

Johanna Otte
Zierker Nebenstr. 10 b
17235 Neustrelitz
Telefon: 03981/3495676

E-Mail: info@babypraxis-otte.de
www: www.babypraxis-otte.de
facebook: www.facebook.com/BabypraxisOtte

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