Sannah Wagner

Hier hat man einen guten Tag als Kunde

Mächtige Ketten wie Thalia, Amazon, Weltbild, Hugendubel und Co. waren viele Jahre eine echte Herausforderung für kleine Buchläden. Viele mussten schließen. Sannah Wagner aus Schwerin hat den Schritt in die Selbstständigkeit mit einem Buchladen trotzdem gewagt. Im März 2016 feierte sie ihr erstes Firmenjubiläum. „Ein guter Tag – Literatur & so“ heißt ihr kleiner Buchladen in Schwerins Altstadt, der immer mehr Kundschaft anlockt. Was das Erfolgsrezept der Jungunternehmerin ist, verrät sie in diesem Interview.

Der Online-Shop ist zwar nicht so gut besucht wie der Laden in Schwerin, trotzdem will Sannah Wagner den Shop weiter betreiben. Foto: Sannah Wagner

Der Online-Shop ist zwar nicht so gut besucht wie der Laden in Schwerin, trotzdem will Sannah Wagner den Shop weiter betreiben.
Foto: Sannah Wagner

Frau Wagner, nachträglich herzlichen Glückwunsch zum Einjährigen. Haben Sie den 28. März feierlich begangen?

Da der 28. März auf den Ostermontag fiel, haben wir erst am 31. gefeiert. Wir hatten unsere Kunden eingeladen, mit uns anzustoßen, von den hausgemachten Häppchen zu naschen und sich mit einem Lieblingsbuch fotografieren zu lassen. Aus den Bildern soll so eine Art Jahrbuch entstehen, das im Laden ausliegen wird und so Inspiration für uns und andere ist. Es war ein wirklich schöner Abend.

Wie haben Sie Ihren Start ins Unternehmerinnenleben vor einem Jahr in Erinnerung?

Oh Gott, ich glaube, so fertig und gleichzeitig so fokussiert wie in den Wochen vor der Eröffnung war ich noch nie in meinem Leben.
Die Umbauarbeiten hatten, ganz Klischee, wirklich bis zum letzten Tag gebraucht und so waren wir, mein Mann und ich, in der Woche vor der Eröffnung im Schnitt 14 Stunden und mehr vor Ort, um zu bauen, um einzusortieren, zu putzen, die Technik einzurichten, etc. Aber als wir dann das erste Mal die Tür für die Kunden öffneten, passte alles. Naja, fast alles. Das Kartenlesegerät war noch nicht da.
In den ersten Wochen und Monaten war es im Vergleich zu heute ruhig. Auf der einen Seite war das gut, da wir so ohne Stress in unsere neuen Aufgaben reinwachsen konnten. Auf der anderen Seite machte mich das auch sehr nervös. Da mir Vergleiche und Routine fehlten, war ich unsicher, wie ich die Situation einschätzen sollte und ja, das hat mich so manche schlaflose Nacht gekostet.

Foto: Sannah Wagner

Foto: Sannah Wagner

Sie sind eine mutige Gründerin! Seit Jahren meldet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ein Umsatzminus in Ihrer Branche. Zudem kommen Sie nicht mal vom Fach, sind keine ausgebildete Buchhändlerin. Wie ist die Gründungsidee entstanden?

Anfang Vierzig haben mein Mann und ich Bilanz gezogen. Unser Wunsch, etwas Gemeinsames aufzubauen, stand schon lange im Raum. Er kommt eigentlich aus dem Grafik-Design und der Gastronomie, während ich freischaffend geschrieben und getextet habe. Als wir die Fernausbildung zum Buchhändler vom mediacampus frankfurt entdeckten, war alles klar. Während des anderthalbjährigen Lehrgangs wurde auch viel über die Situation des Buchhandels im Kontext zum Onlinehandel oder dem eBook diskutiert. Nicht alles war ermutigend, doch merkten wir schnell, dass wir grundsätzlich die richtige Einstellung und die richtigen Ideen hatten. Als Quereinsteiger brachten wir Kompetenzen wie Marketing, Gestaltung, Kundenbetreuung und

"Wir stehen da, wo wir erwartet haben, nach einem Jahr zu stehen. Das ist ein gutes Gefühl, weil es zeigt, dass wir die Lage durchaus realistisch eingeschätzt haben. ", sagt sannah Wagner nach dem ersten Geschäftsjahr als Unternehmerin. Foto: Sannah Wagner

“Wir stehen da, wo wir erwartet haben, nach einem Jahr zu stehen. Das ist ein gutes Gefühl, weil es zeigt, dass wir die Lage durchaus realistisch eingeschätzt haben. “, sagt sannah Wagner nach dem ersten Geschäftsjahr als Unternehmerin. Foto: Sannah Wagner

Interneterfahrung mit, die im heutigen Multi-Channel-System einen großen Vorteil darstellen. Außerdem haben wir schon sehr früh die Anliegen an uns und unsere Arbeit definiert: Kompetenz, Individualität, Qualität und Liebe, in allem was wir tun. Und diese Eigenschaften sollten sich auch in allem ausdrücken: im Ambiente, in der Sortimentsauswahl, in der Kundenansprache, im Service – vom Schaufenster über die Website bis zur Kaffeetasse. Und tatsächlich, wir erleben, dass sehr viele unserer Kunden genau das wahrnehmen und schätzen – zu unserer großen Freude.

Sannah Wagner fand in Schwerins Altstadt ein 55 Quadratmeter großes Eckgeschäft für ihre Geschäftsidee. Foto: Sannah Wagner

Sannah Wagner fand in Schwerins Altstadt ein 55 Quadratmeter großes Eckgeschäft für ihre Geschäftsidee.
Foto: Sannah Wagner


Sie wohnen in der Nähe von Crivitz. Warum haben Sie sich für einen Laden in Schwerin entschieden?

Schwerin ist eine große Stadt mit einem vielfältigen kulturellen Angebot und unterschiedlichsten Menschen und Bedürfnissen. Das passt einfach gut zu einer Buchhandlung. Crivitz hingegen ist eine kleine Stadt, die vor allem die Versorgungsinfrastruktur für die umliegenden ländlichen Dörfer und Gemeinden bietet. Wir haben natürlich auch darüber nachgedacht, dort zu eröffnen. Doch Tatsache ist, dass dort immer mehr Geschäfte schließen und nicht durch andere ersetzt werden. Gerade auf dem Land blüht der Leerstand und parallel dazu der Onlinehandel. Da der Buchhandel eh schon kämpft, wäre es wohl sehr naiv von uns gewesen, dort zu gründen. Wir bieten jedoch für die Einwohner in unserem Dorf und den umliegenden Gemeinden einen Lieferservice an.
Schwerin hingegen bietet die nötige Vielfalt an Bedürfnissen und Interessen, um mit einer liebevoll geführten Buchhandlung die nötige Beachtung zu finden. Wir haben uns schon von Beginn der Ausbildung an auf dem Immobilienmarkt orientiert, doch waren die Mieten im Zentrum im Verhältnis zur tatsächlichen Kaufkraft Schwerins deutlich zu hoch. Wir waren schon nicht mehr sicher, ob wir eine Chance bekommen würden. Und dann hatten wir Glück. Wir konnten ein mit 55 Quadratmeter Verkaufsfläche optimal großes Eckgeschäft im Herzen der Altstadt zu einem sehr fairen Preis erwerben. Jetzt sind wir unabhängig und haben Sicherheiten. Im Grunde ist es perfekt.

"Es ist für uns immer noch erstaunlich, wie enthusiastisch die Kunden versuchen, uns zu unterstützen. Sie kommen mit Freunden und Verwandten, um ihnen den Laden zu zeigen, sie verschenken Gutscheine, so dass der Beschenkte bei uns vorbeischauen „muss“, sie teilen regelmäßig unsere Facebookbeiträge, um auf uns aufmerksam zu machen, etc. Das zu erleben, berührt uns immer noch und immer wieder.", sagt Sannah Wagner. Foto: Claudia Kottisch

“Es ist für uns immer noch erstaunlich, wie enthusiastisch die Kunden versuchen, uns zu unterstützen. Sie kommen mit Freunden und Verwandten, um ihnen den Laden zu zeigen, sie verschenken Gutscheine, so dass der Beschenkte bei uns vorbeischauen „muss“, sie teilen regelmäßig unsere Facebookbeiträge, um auf uns aufmerksam zu machen, etc. Das zu erleben, berührt uns immer noch und immer wieder.”, sagt Sannah Wagner.
Foto: Claudia Kottisch

Claudia Kottisch

Welche Bücher verkaufen sich am besten?

Tatsächlich die Kinderbücher und natürlich die Belletristik, da unterscheiden wir uns nicht groß von der Durchschnittsstatistik. Das passt aber auch zu unserem Konzept, dessen Schwerpunkt im Bereich Familie und im Bereich „Das schöne Buch“ liegt. Sachbuch und meine persönliche Liebhaberei, die Graphic Novel, laufen zu unserer großen Freude deutlich besser als erwartet. Das Jugendbuch hingegen, das wir mit viel Enthusiasmus angegangen sind, bleibt noch hinter den Erwartungen zurück. Was schade ist, da es wirklich tolle Bücher in diesem Bereich gibt – jenseits von Fantasy, Dystopie oder ähnlichem. Ich habe beispielsweise gerade zwei Jugendbücher zum Thema Homosexualität und Coming-Out gelesen, „Aristoteles und Dante“ von Sàenz und „Nur drei Worte“ von Albertelli, die wirklich vielschichtig und berührend sind. Ich persönlich glaube, dass solche Bücher zu mehr Verständnis und Empathie verhelfen, ohne dass man gleich einen direkten Bezug zum Thema haben muss. Dies ist aber nicht immer ganz einfach zu vermitteln.

Sie haben auch einen Online-Shop. Wird der genauso so gut besucht wie Ihr Laden in Schwerin?

Nein, absolut nicht! Es gibt einige Kunden, die das Abholfach nutzen, also über den Shop bestellen und das Buch dann aber im Laden abholen. Einige Kunden, die uns in ihrem Urlaub kennengelernt haben, bleiben uns Online treu, was uns sehr freut, doch im Verhältnis wird der Laden deutlich besser besucht. Derzeit rechnet sich der Shop noch nicht, doch die Ausgaben sind überschaubar, da uns durch die Zusammenarbeit mit Libri und der Einkaufsgenossenschaft eBuch gute Konditionen gewährt werden. Grundsätzlich halte ich es für wichtig, dem Kunden so viel Service wie möglich zu bieten. Daher werden wir auch am Shop festhalten.

Ein guter Tag – Literatur & so - der Geschäftsname ist Programm. Foto: Sannah Wagner

Ein guter Tag – Literatur & so – der Geschäftsname ist Programm.
Foto: Sannah Wagner

Wie werden die Kunden auf „Ein guter Tag – Literatur & so“ überhaupt aufmerksam?

Bei uns führen viele Wege zum Buch. Zum einen haben wir einen schön gestalteten Informationsflyer, den wir in verschiedenen Läden auslegen, aber auch durch Verteilung in unterschiedlichen Stadtteilen verbreiten. Zudem pflegen wir unsere Facebookseite und haben verschiedene Kolumnen auf unserer als Blog geführten Website, die durch Verlinkung oder ähnliches für eine überregionale Streuung sorgen. Darüber hinaus werben wir in Touristenführern, der „Räuberpost“, auf Sonderseiten lokaler Zeitungen, oder hin und wieder in Veranstaltungskalendern. Gerade sind wir dabei, Kooperationen mit verschiedenen Einzelhändlern aufzubauen, um gemeinsam Veranstaltungen auszurichten, Schaufenster zu teilen oder ähnliches. Doch zusammen mit dem Flyer ist wohl die erfolgreichste Werbung die Mundpropaganda. Es ist für uns immer noch erstaunlich, wie enthusiastisch die Kunden versuchen, uns zu unterstützen. Sie kommen mit Freunden und Verwandten, um ihnen den Laden zu zeigen, sie verschenken Gutscheine, so dass der Beschenkte bei uns vorbeischauen „muss“, sie teilen regelmäßig unsere Facebookbeiträge, um auf uns aufmerksam zu machen, etc.

Foto: Sannah Wagner

Foto: Sannah Wagner

Das zu erleben, berührt uns immer noch und immer wieder. Dabei sind unsere Kunden so bunt gemischt, wie man es sich nur wünschen kann: Vom Schüler bis zum Rentner, vom Tierpfleger bis zum Beamten.

Wie erfolgreich sind Sie jetzt nach einem Jahr?

Wir stehen da, wo wir erwartet haben, nach einem Jahr zu stehen. Das ist ein gutes Gefühl, weil es zeigt, dass wir die Lage durchaus realistisch eingeschätzt haben. Jetzt geht es darum, den guten Anfang auszubauen und unsere Strukturen zu vertiefen und zu festigen. Worüber wir uns am meisten freuen, ist, dass das, was wir vermitteln wollen, so positiv angenommen wird.

Wann schreiben Sie laut Businessplan schwarze Zahlen?

Im dritten Jahr.

Als Unternehmerin wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem haben Sie sich fit gemacht für die Selbstständigkeit?

Ich stamme von einem Hamburger Kaufmann ab, aber das Interesse und der Spaß an der Sache kam tatsächlich erst in Verbindung mit dem Produkt Buch. Am wichtigsten für uns war die Ausbildung am mediacampus frankfurt. Hier wurden wir sehr gut und umfassend vorbereitet, sowohl im betriebswirtschaftlichen Sinne als auch in Bereichen wie Recht, Personalführung, Einkauf, etc. Viele rieten uns, einfach loszulegen, doch davon würde ich nach einem Jahr Betrieb und der entsprechenden Vorbildung unbedingt abraten. Der Buchhandel ist sicher mit seiner Sonderstellung, der gesetzlichen Preisbindung, spezieller in der Handhabung, aber generell sollte man die Arbeit und Mühe jenseits des Kassentresens nie unterschätzen.

Haben Sie schon den Durchbruch geschafft?

Was immer damit gemeint ist, nach einem Jahr sicher noch nicht. Aber wir sind auf der Ebene der Bekanntheit schon weiter, als wir gedacht hätten.

Wo sehen Sie in der nächsten Zeit Ihre größten Herausforderungen? 

Foto: Sannah Wagner

Foto: Sannah Wagner

Die nächsten Stufen unseres Konzepts einzuleiten, aufzubauen und umzusetzen.

Gibt es etwas, das noch fehlt? Ein Mitarbeiter, Geld oder eine Maschine?

Zeit…So gesehen vielleicht am ehesten ein Vollzeitmitarbeiter, der uns dann Zeit für andere Schritte ermöglicht.

Ergänzen Sie bitte die folgenden Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig sein bedeutet für mich,… frei zu sein, gestalten zu können und Verantwortung zu übernehmen.

Würde ich noch mal neu starten, dann… würde ich es wieder genauso machen. Nur würde ich meinem Gründer-Ich sagen, sorge Dich nicht!

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich: Bereitet Euch gut vor, seid ehrlich zu euch selbst, liebt was ihr tut und glaubt daran.

Die Fragen stellte Grit Gehlen

Kontakt:
Ein guter Tag – Literatur & so
Buschstraße 16
19053 Schwerin
Telefon: 0385 – 39 37 99 77
E-Mail: eingutertagschwerin@gmail.com
Website: https://ein-guter-tag-schwerin.com
Facebook: https://www.facebook.com/eingutertagschwerin/?fref=ts

18.4.2016

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