Verdachtskündigung wegen fehlerhafter Arbeitszeiterfassung

Besteht der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung, so kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.

Erbringen Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit teilweise im Homeoffice, so muss die Arbeitszeit grundsätzlich auch dann erfasst werden. Arbeitgebern stellt sich in diesem Zusammenhang häufig die Frage, welche Sanktionen ergriffen werden können, wenn Arbeitnehmer die Arbeitszeit nicht korrekt erfassen.

Mit der Frage, ob der Verdacht der fehlerhaften Arbeitszeiterfassung die Kündigung rechtfertigen kann, musste sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern beschäftigten.
Es hat mit Urteil vom 28.03.2023 entschieden, dass der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, wenn sich ein Arbeitnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach von zu Hause aus im Zeiterfassungssystem eingebucht hat, die Arbeit aber erst später im Dienstgebäude aufnimmt.

Der Kläger war in Gleitzeit bei der Beklagten beschäftigt und entsprechend einer Dienstvereinbarung für die korrekte Erfassung seiner Arbeitszeit verantwortlich. Es bestand u. a. die Möglichkeit, sich online ein- bzw. auszustempeln. Der Kläger selbst arbeitete weder mobil noch im Homeoffice.

Der maßgebliche Verdacht für die fehlerhafte Erfassung der Arbeitszeit ergab sich daraus, dass sich der Kläger an mehreren Tagen morgens z. B. um 6.24 Uhr online eingestempelt hatte, aber nicht vor 8.09 Uhr am Arbeitsplatz in seinem Büro angetroffen werden konnte. Im Rahmen der erfolgten Anhörung konnte der Kläger diesen Umstand nicht nachvollziehbar erklären. Um arbeitsrechtliche Konsequenzen seines Arbeitgebers zu vermeiden, bot der Kläger an, künftig mit festen Arbeitszeiten tätig zu werden, damit solche Verdachtsmomente erst gar nicht aufkommen könnten. Die Beklagte sprach daraufhin eine ordentliche Verdachtskündigung wegen Arbeitszeitbetrugs aus. Hiergegen wehrte sich der Kläger.

Das LAG wies die Klage ab und stellte klar, dass unabhängig davon, wie die Aufzeichnung der Arbeitszeit erfolge, der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen die ihm übertragene Pflicht, seine abgeleistete, vom Arbeitgeber schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen (und damit erst recht für eine ordentliche) Kündigung darstelle. Der Arbeitgeber müsse auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit, der am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmer vertrauen können.
Einer Abmahnung als milderes Mittel bedurfte es nicht, da die Pflichtverletzung so schwerwiegend sei, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und für den Kläger erkennbar ausgeschlossen sei. Vor diesem Hintergrund helfe dem Kläger sein Angebot auch nicht, dass er bereit gewesen sei, in Zukunft nicht mehr in Gleitzeit, sondern zu festen Arbeitszeiten zu arbeiten.
Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das LAG zugunsten der Beklagten auch, dass diese auf die korrekte Erfassung der Arbeitszeit hätte vertrauen können müssen, da sie – anders als bei festen Arbeitszeiten – die individuell unterschiedlichen Arbeitszeiten nicht oder nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand kontrollieren könne. Eine gleitende Arbeitszeit diene insbesondere dem Interesse der Belegschaft, private und dienstliche Belange besser miteinander verbinden zu können. Diese Flexibilität könne die Beklagte ihren Arbeitnehmern aber nur dann einräumen, wenn diese ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen würden.  

Quelle: LAG MV, Urteil vom 28.03.2023 – 5 Sa 128/22

2023-07-11

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