Grüner wird’s nicht

Modernes
Gänselieschen

Astrid Grün
hat in Vorpommern
einen Hof mit Gänseaufzucht gegründet.
Text und Fotos: Ralph Schipke

Astrid Grün promovierte in England zu landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und hat in Vorpommern einen Hof mit von Gänseaufzucht gegründet, um ihre eigene Verbindung zum Landleben zu erhalten, anderen den Reiz der Landwirtschaft nahe zu bringen und zudem Arbeit und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Wer Astrid Grün bei ihren Gänsen sieht und mit Ost-Rockmusik groß wurde, muss unwillkürlich an den Klassiker der Renft-Combo „Gänselieschen“ denken: „Uns’re LPG hat 100 Gänse, und ein Gänselieschen – das ist meins. Jeden Morgen ziehn sie auf die Wiese, 100 Gänse und die Hundert eins.“

Die junge Landwirtin kannte das fröhlich-ironische Liedchen vom DDR-Landleben noch nicht. Aufgewachsen ist sie selbst in Rheinland-Pfalz. Studiert hat sie in Stuttgart-Hohenheim und an der Kieler Förde. Promovieren konnte Astrid Grün am „Rothamsted Reseach Institut“, einer der traditionsreichsten landwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen – und dem ältesten Langzeitdüngeversuch überhaupt. In ihrer Doktorarbeit befasste sie sich mit der Aufnahmeeffizienz von Phosphat bei verschiedenen Weizensorten. „Sehr praxisbezogen mit Material vom Feld und aus dem Gewächshaus, konnte ich in Harpenden bei London mit molokular-biologischen Methoden über Phosphatdüngung experimentieren und forschen. Das war ausgesprochen spannend“, erinnert sich die selbstbewusste Existenzgründerin aus Vorpommern.

„Der ,Gänselieschen‘-Hit ist aber ein echter Ohrwurm“, freut sich die 33-Jährige, zweifache Mutter, als sie sich die Melodie von Thomas „Monster“ Schoppe erstmals angehört hat. Bis auf die LPG, die längst Geschichte ist, passt es sogar ganz gut zu ihrer Gründergeschichte.

Ihren Ehemann Emanuel Reim lernte sie beim Studium kennen. Der konnte im Dorf seiner Eltern in Mecklenburg-Vorpommern einen Betrieb übernehmen – heute die „Agrar Schwennenz GmbH“. So lockte er Astrid Grün so aufs pommersche Flachland. Noch während Astrids dreijähriger Forschungsarbeit in Großbritannien erwarb das junge Paar einen ehemaligen Bauernhof in Ladenthin: „Als Wohnhaus und unseren künftigen, gemeinsamen Lebensmittelpunkt gedacht.“

Warum sie schließlich Gründerin in der Landwirtschaft wurde, hatte handfeste, praktische Gründe. „Spätestens nach meiner Rückkehr aus England ließ sich die Frage, was mit den sanierungsbedürftigen Wirtschaftsgebäuden des alten Hofes geschehen sollte, nicht länger verschieben. Hinter der Scheune liegen elf Hektar extensives Grünland.“

Es schien der jungen Landwirtin geeignet für einen eigenen Gänsehof und endlich auch Erwerbsarbeit in der Praxis. Freunde hatten in Niedersachsen ein ähnliches Projekt verwirklicht. Sie dienten Astrid Grün als Inspiration für ihr eigenes Gründungsvorhaben. „Das ganze Ensemble hier war einfach perfekt für Gänse“, schwärmt sie von ihrem Hof, auf dem jedoch zuerst einmal ein neues Wohnhaus für die junge Familie entstand.

Die Land-Gründerin leistet sich sogar ein paar echte Pommerngänse. „Nur als Hobby und zur Erhaltung alter Rassen.“ So konnte sie jedenfalls Postkarten vom Mela-Tier 2018 für den Landfrauenverband beisteuern. „Meine Gänsefotos gingen damals in den Sozialen Netzwerke hin und her“ war sie doch ein wenig stolz auf ihre kleine Pommerngans-Familie. Für die professionelle Haltung und Mast aber erwiesen sich Tiere anderer Rassen als geeigneter.

Angefangen hat alles 2016. Als ersten Schritt in die Selbstständigkeit gründete Astrid Grün einen kleinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb mit 26 Gänsen, der langsam, aber nachhaltig und robust wachsen sollte. Inzwischen verbindet er etwas mehr als 60 Hektar Ackerbau, Grünlandwirtschaft und Gänsehaltung. Nicht mal eben nebenbei hat die junge Mutter ihre beiden Kinder geboren und mit ihrem Mann eine Familie gegründet.

Seit Januar 2018 arbeitete die bis dahin vorrangig akademisch und projektplanerisch im Bauernverband tätige Jungbäuerin auf ihrem eigenen „Grünen Gänsehof“ und wurde eine sehr moderne und emanzipierte „Gänse-Astrid 4.0“. Im ersten Geschäftsjahr hat sie einiges ausprobieren können. Mittlerweile kümmert sie sich auch um die Vermarktung des Rindfleisches der robusten „Uckermärker Rinder“, die ihr Mann im etwas größeren Partnerbetrieb hält.

YouTube player

Ihre Gänse sind und bleiben ein guter Aufhänger, um mit der Region in Kontakt zu treten, ist Astrid Grün überzeugt. „Ein Ackerbaubetrieb verkauft seine Ernte an den Landhandel. So ladet, was hier wächst, auf dem Weltmarkt. Oft abseits der öffentlichen Wahrnehmung und des allgemeinen Verständnisses. Meine Gänsehaltung ist anschaulich zugänglich und vermittelbar. Ich konnte schon Gänse für einige Tombolas auf den hiesigen Ernetefesten bereitstellen. Oder bringe Küken in der Kita vorbei, damit die Kinder Landwirtschaft zum Anfassen bekommen.“

Vollzeit-selbstständig pendelt sich ihr Landleben zwischen Familienpflichten – die ältere Tochter ist jetzt zweieinhalb Jahre alt – und der Aufzucht der Gänse sowie der Bewirtschaftung von Acker- und Grünland ein. Gute Unterstützung bekommt die Existenzgründerin vom Lohnunternehmen RLD Randow in Ladenthin sowie natürlich vom Agrar-Betrieb ihres Mannes im Nachbardorf Schwennenz.

Partnerschaftlich entwickelt das Landwirts-Paar weiter neue Ideen. Nur unweit der westpommerschen Metropole Stettin, unmittelbar der polnischen Grenze, liegen die landwirtschaftlichen Betriebe von Astrid Grün und ihrem Mann Emanuel Reim. So können sie gemeinsam leben und arbeiten und sich um ihre beiden Kinder kümmern.

Wesensgerechte Tierhaltung, integrierter Pflanzenbau und endlich ein örtliches Angebot für Kunden aus der Nachbarschaft und Umgebung zu schaffen, wiegen für Astrid Grün schwerer, als ein Bio-Siegel. „Dabei sind wir keinesfalls ein idyllischer Bullerbü-Hof, sondern betrachten uns als moderner Landwirtschaftsbetrieb. Immer auf der Suche nach Wegen, die Landwirtschaft anderen Menschen zugänglich zu machen. den Gänsen geht das einfach sehr gut.“

Denn 100 Gänse oder sogar 400, wie sie Astrid Grün in diesem Sommer bis kurz vorm Martinstag und Weihnachten auf die Wiese hinter der Scheune treibt, sind schwerlich zu übersehen.

Info „Lokalhelden Gründerwerkstatt“:

Zuspruch und Gründerhilfe erhält Astrid Grün in der „Lokalhelden Gründerwerkstatt“.
Dort trifft sie regelmäßig Gleichgesinnte, die sich im ländlichen Raum eine Existenzgrundlage aufbauen und in neuen Lebensmodellen experimentieren.
Ausschließlich in Ostdeutschland bietet dieses Förderprogramm des Vereins „Wertewandel – soziale Innovation und demokratische Entwicklung“ Wissen, Erfahrungen, Beratung und ein Unterstützungs-Netzwerk für die selbständige Planung und Umsetzung eines Gründungsprojektes.
Rat und Hilfe auf dem Weg in die Selbstständigkeit bekommen die jungen Leute bis Mitte 30 über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Kontakt:

Grüner Gänsehof

Mehr unter:
www.lokalhelden-werden.de
www.gruener-gaensehof.de

Autor: Ralph Schipke
Print Friendly, PDF & Email