BSG-Entscheidung: Arbeitsplatzbewerber*in bei Betriebsbesichtigung gesetzlich unfallversichert

Personen, die sich auf einen Arbeitsplatz bewerben, haben nach einem Urteil des BSG vom 31.03.2022 bei der Besichtigung des Unternehmens im Rahmen eines eintägigen unentgeltlichen „Kennenlern-Praktikums” den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz.

Im entschiedenen Fall hatte eine Arbeitssuchende geklagt, die bei einem Unternehmen ein unentgeltliches eintägiges „Kennenlern-Praktikum” absolvierte. Während des „Kennenlern-Praktikums” fanden u. a. Gespräche, eine Betriebsführung, ein fachlicher Austausch mit der IT-Abteilung und zum Abschluss die Besichtigung eines Hochregallagers statt. Bei der Besichtigung des Hochregallagers stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm.

Anders als die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat, da sie zum Zeitpunkt des Unfalls Teilnehmerin einer Unternehmensbesichtigung war.
Teilnehmer einer Unternehmensbesichtigung sind nach der Satzung der beklagten Berufsgenossenschaft – im Unterschied zu Satzungen anderer Unfallversicherungsträger – unfallversichert. Das eigene – unversicherte – Interesse der Klägerin am Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers steht dem Unfallversicherungsschutz kraft Satzung hier nicht entgegen.

Für die Beurteilung der Versicherteneigenschaft kommt es nicht auf den gesamten „Kennenlern-/Praktikumstag“ an, sondern auf die letzte unmittelbar vor dem Unfallereignis ganz konkret ausgeübte Verrichtung. Unmittelbar vor Eintritt des Unfallereignisses besichtigte die Klägerin das Hochregallager des Unternehmens. Dass die Klägerin dabei auch eigene Angelegenheiten – Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers – verfolgte, steht der Annahme einer versicherten Tätigkeit nicht entgegen.
Nach der Satzungsregelung genügt für die Erfüllung des Versicherungstatbestandes die Teilnahme an einer Besichtigung, um potenzielle zukünftige Arbeitgeber umfassend von erhöhten Haftungsrisiken freizustellen, die durch Besichtigungen ihrer Unternehmen entstehen. Daher werden auch Bewerber bei Vorstellungsgesprächen erfasst, soweit sie das Unternehmen besichtigen.
Die zu dem Unfall führende Verrichtung war auch nicht nach anderen Vorschriften unfallversichert. Die Klägerin war während der zum Unfall führenden Verrichtung weder als Beschäftigte noch als Wie-Beschäftigte versichert.

Quelle: BSG, Urteil vom 31.03.2022, B 2 U 13/20 R (Pressemitteilung)

Hinweis: Sollte so ein Fall auch im eigenen Unternehmen auftreten, ist immer zu prüfen, welche Konditionen die für das Unternehmen zuständige Berufsgenossenschaft bietet. Dabei empfiehlt sich der direkte Kontakt, um eventuelle Auslegungsfragen direkt klären zu können.

2022-05-31

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