Risiko für Arbeitgeber: Zugang einer E-Mail muss bewiesen werden

Die Absender einer E-Mail trifft die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail den Empfängern zugegangen ist.

In der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt und dem Einsatz von E-Mails stellt sich immer wieder die Frage, wer den Zugang einer elektronischen Willenserklärung im Prozess darlegen und beweisen muss.

Das LAG Köln hat nun in einem aktuellen Urteil vom 11.02.2022 (4 Sa 315/21, Pressemitteilung) entschieden, dass den Absender einer E-Mail gemäß § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt nicht dadurch eine Beweiserleichterung des Anscheinsbeweis zugute, dass er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält.

Zum verhandelten Fall:

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Verpflichtung des Arbeitnehmers, ein ihm von dem Arbeitgeber für eine Fortbildung zum Flugzeugführer gewährtes Darlehen zurückzuzahlen sowie einen vertraglich vereinbarten Verzicht des Arbeitgebers auf die Rückzahlung des Darlehens, wenn sie dem Kläger aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarf an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.
In dem hieraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Der Arbeitgeber verwies auf sein Postausgangs- und Posteingangskonto. Danach war die E-Mail verschickt und eine Meldung über die Nichtzustellbarkeit hatte der Arbeitgeber nicht erhalten.
Der Arbeitnehmer behauptete, diese E-Mail sei erst drei Tage später bei ihm eingegangen und machte u. a. geltend, dass der Arbeitgeber nicht rechtzeitig ein Vertragsangebot unterbreitet habe mit der Folge, dass die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Rückführung des Darlehens eingetreten seien.

Zu den Entscheidungsgründen

Das Landesarbeitsgericht Köln vertritt die Auffassung, dass der Arbeitgeber den rechtzeitigen Zugang der E-Mail nicht dargelegt und damit nicht rechtzeig ein Vertragsangebot unterbreitet hat.
Denn ausgehend vom Wortlaut des § 130 BGB muss die abgegebene Willenserklärung unter Abwesenden dem Empfänger zugehen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach den allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann. Da der Versender die Art der Willenserklärung wähle, trage er das Risiko, dass die E-Mail nicht ankomme. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreiche, habe der Versender in der Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

Tipp für Arbeitgeber

Arbeitgebern ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidung weiterhin anzuraten, bei Willenserklärungen, bei denen es auf den nachweislichen Zugang beim Empfänger ankommt, den konventionellen sichersten Weg per Boten zu wählen. Ausnahmsweise kommt auch ein Einwurf-Einschreiben in Frage.
Sofern dennoch eine E-Mail genutzt werden soll, empfiehlt sich, diese mit einem Hinweis auf eine Rückäußerungsfrist zu versehen und mit der Anforderung einer Lesebestätigung zu versenden. Bei dieser Vorgehensweise sollte aber eine etwaige Frist nicht ausgereizt werden, um notfalls im Falle einer ausbleibenden Lesebestätigung oder Rückäußerung, die Erklärung noch per Boten zustellen zu können.

2022-04-08

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