Aufhebungsvertrag im Arbeitsverhältnis: Gegen Gebot fairen Verhandelns verstoßen?

Ob ein Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen ist, kann nur anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall entschieden werden.

Allein der Umstand, dass Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme ihres Angebots abhängig machen, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass den Arbeitnehmern weder eine Bedenkzeit verbleibt noch die Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.

Zum verhandelten Fall

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

Der Geschäftsführer sowie der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten führten im Büro des Geschäftsführers ein Gespräch mit der als Teamkoordinatorin Verkauf im Bereich Haustechnik beschäftigten Klägerin. Sie erhoben gegenüber der Klägerin den Vorwurf, diese habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln.

Die Klägerin unterzeichnete nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah u. a. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Die weiteren Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind streitig geblieben.
Die Klägerin focht im Nachhinein den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an.

Sie hat mit ihrer Klage u. a. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gefordert.
Als Begründung führte sie an, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrags die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden. Damit habe die Beklagte gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht sie auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen.

Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Auch wenn der von der Klägerin geschilderte Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten unterstellt wird, fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung.

Begründung:
Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen.
Zudem wurde die Feststellung des Landesarbeitsgerichts bestätigt, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

Quelle: Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21

2022-04-01

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