„Corona-Partys” zum Infizieren: arbeitsrechtliche Folgen

Welche arbeitsrechtlichen Folgen ergeben sich, wenn Arbeitgebern bekannt ist, dass sich Arbeitnehmer auf einer „Corona-Partys” infiziert oder aber zumindest den Versuch unternommen haben, sich auf diese Weise anzustecken?

Hier ist zwischen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und den kündigungsrechtlichen Möglichkeiten zu unterscheiden.

  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
    Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben Arbeitnehmer nur dann, wenn sie an ihrer Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft (siehe dazu § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgFG).
    Im Fall einer „angestrebten“ Ansteckung liegt bei einer festgestellten Arbeitsunfähigkeit in einem solchen Fall der klassische Fall eines Verschuldens vor, da solche Arbeitnehmer ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit provoziert haben.
    Problem für Arbeitgeber wird allerdings sein, dieses Verschulden nachzuweisen. Denn sie müssen darlegen und gegebenenfalls beweisen (Beweislast!), dass die Arbeitnehmer ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt haben. Allerdings sind die Arbeitnehmer gehalten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.
    Liegen folglich tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine entsprechende provozierte Ansteckung erfolgt ist, sollten Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigern.
    Eine vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hilft den Arbeitnehmern nicht weiter, denn diese hat nach der Rechtsprechung des BAG lediglich einen hohen Beweiswert hinsichtlich des Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit, sagt aber nichts über ein fehlendes Verschulden aus (siehe dazu z. B. BAG-Entscheidung vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).
    Sollten sich Arbeitgeber entschließen, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, sollten sie hiervon unbedingt die Krankenkasse der Arbeitnehmer unterrichten, damit diese nicht gegenüber den Arbeitnehmern in Vorleistung tritt (Anspruchsübergang nach § 115 SGB X!)
  • Kündigungsrechtliche Möglichkeiten
    Ein Arbeitsvertrag begründet regelmäßig nur Rechte und Pflichten während des Arbeitsverhältnisses. Vorgänge im Privatbereich kommen deshalb nur dann als Kündigungsgrund in Betracht, wenn sie das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigen (siehe § 241 Abs. 2 BGB). Durch ein rechtswidriges, außerdienstliches Verhalten von Arbeitnehmern werden berechtigte Interessen der Arbeitgeber beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Dies ist bei einer vorsätzlichen Infizierung mit dem Virus ebenso der Fall wie bei dem bloßen Versuch.
    Kommt es zur Arbeitsunfähigkeit, ist der Bezug zum Arbeitsverhältnis offensichtlich. Selbst dann, wenn es zu keiner Arbeitsunfähigkeit und keiner Infizierung kommt, stellt allein eine entsprechende Absicht eine Gefährdung der Belegschaft dar. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die betreffenden Arbeitnehmer nach der versuchten Infizierung noch einen negativen Testnachweis erhalten, obwohl eine Viruslast vorhanden ist, so dass eine Gefahr für die anderen Arbeitnehmer entsteht. Außerdem sind Beschäftigte nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten für ihre Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Neben diesem Gebot zum eigenen Schutz sind Arbeitnehmer auch dazu verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Person zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.
    Auch hiergegen verstoßen Arbeitnehmer bei einer vorsätzlichen Infektion bzw. dem Versuch, eine solche Infektion zu erreichen.
    In der Praxis sollten Arbeitgeber, die sich zu einer Kündigung entschließen, sowohl eine Tat- als auch eine Verdachtskündigung erklären.
    Eine Tatkündigung liegt vor, wenn Beschäftigten vorgeworfen wird, eine bestimmte schwere Pflichtverletzung, tatsächlich begangen zu haben (siehe dazu z. B. BAG-Entscheidung vom 07.05.2020 – 2 AZR 678/19). Können Arbeitgeber beweisen, dass Arbeitnehmer sich vorsätzlich infiziert oder den Versuch einer solchen Infizierung unternommen haben, wird man regelmäßig einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB annehmen können. Entscheidend für das Vorliegen eines solchen Grundes „an sich“ ist, welche Gefahr sich objektiv aus dem Pflichtverstoß zu verwirklichen droht. Unerheblich ist dann, ob es tatsächlich zu einem Schaden, d. h. einer Infektion bei anderen Arbeitnehmern oder Dritten, gekommen ist oder nicht. Es liegt ein erheblicher Verstoß gegen die besonderen arbeitsschutzrechtlichen Rücksichtnahmepflichten des § 15 Abs. 1 ArbSchG vor. Einer vorherigen vergeblichen Abmahnung bedarf es in einem derartigen Fall aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung nicht (siehe dazu z. B. BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18).
    Bei einer Verdachtskündigung kann bereits ein dringender Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ein an sich zur außerordentlichen Kündigung oder ordentlicher Kündigung berechtigender Umstand sein. Ein solcher schwerwiegender Verdacht kann zum Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin und damit zu einem Eignungsmangel führen, der verständig und gerecht abwägenden Arbeitgebern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (siehe dazu z. B. BAG vom 05.04. 2001 – 2 AZR 217/00). Arbeitgeber müssen aber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben, wie z. B. die Anhörung der betreffenden Arbeitnehmer.
    Derartige Tat- bzw. Verdachtskündigungen sind durchaus erfolgversprechend. Die Rechtsprechung hat z. B. auch bei einem vorsätzlichen Anhusten eines Arbeitskollegen mit den Worten „Ich hoffe, Du bekommst Corona“ eine außerordentliche fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber für gerechtfertigt gehalten (LAG Düsseldorf v. 27.04.2021 – 3 Sa 646/20).

Quelle und ausführliche Informationen:
Beitrag im ArbRB-Blog: „Corona-Partys“ oder der Wunsch nach einer Infizierung mit dem Virus – Die arbeitsrechtlichen Folgen

Hinweis: Wie bei allen arbeitsrechtlichen Entscheidungen ist es sinnvoll, sich zuvor fachkundig beraten zu lassen, welche Erfolgsaussichten sowohl bezüglich der verweigerten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall als auch der Kündigungsrechtliche Möglichkeiten bestehen.

2022-02-04

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