Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.10.2021 entschieden, dass Arbeitgeber, die ihren Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns” zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen, nicht das Risiko des Arbeitsausfalls tragen und nicht zur Fortzahlung der Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugslohns verpflichtet sind.
Im entschiedenen Fall betreibt die Beklagte einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör. Die Klägerin ist seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte mit monatlicher Vergütung in Höhe von 432,00 Euro in einem Ladengeschäft der Beklagten in Bremen beschäftigt.
Im April 2020 musste die Beklagte das Ladengeschäft in Bremen aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung der Corona-Pandemie” der Freien Hansestadt Bremen vom 23. März 2020 schließen.
Deshalb konnte die Klägerin nicht arbeiten und erhielt auch keine Vergütung.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020. Sie war der Auffassung, die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung unterfalle dem Betriebsrisiko der Beklagten. Sie habe trotz Schließung des Betriebs einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar sei und von allen gleichermaßen zu tragen sei.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Mit der Revision verfolgte die Beklagte den Klageabweisungsantrag weiter.
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Klägerin habe für den Monat April 2020 keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn. Aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung war die Arbeitsleistung der Klägerin und deren Annahme durch die Beklagte unmöglich.
Der Arbeitgeber trage auch nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung nahezu flächendeckend in einem Bundesland alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden. In einem solchen Fall realisiere sich nicht ein im Betrieb angelegtes Risiko. Die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung sei Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates gegebenenfalls für einen Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen. Soweit ein solcher Ausgleich – wie bei der Klägerin, die als geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld habe – nicht gewährleistet ist, beruhe dies auf Lücken des sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem.
Eine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers lasse sich in einem solchen Fall nicht herleiten.
Quelle: Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21, Pressemitteilung)
2021-10-18