Arbeitsvertraglich vereinbarte oder tarifliche Ausschlussfristen beginnen in aller Regel mit der sog. „Fälligkeit” zu laufen. Allerdings tritt „Fälligkeit” nicht stets ohne Weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein.
Entstanden ist ein Anspruch erst dann, wenn alle Voraussetzungen eingetreten sind, von denen er abhängt. Er wird fällig, wenn Gläubiger die Leistung verlangen können.
Dieser Zeitpunkt kann auch erst nach dem Entstehen der Forderung liegen. Der Begriff der Fälligkeit in Ausschlussfristen ist unter Einbeziehung des Kenntnisstands der Gläubiger und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht auszulegen.
Es muss Gläubigern tatsächlich möglich sein, ihren Anspruch geltend zu machen. Liegen die rechtsbegründenden Tatsachen für einen Zahlungsanspruch in der Sphäre des Schuldners/der Schuldnerin, ist zu prüfen, ob Gläubiger es durch schuldhaftes Zögern versäumt haben, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die für die Geltendmachung seines Anspruchs benötigt werden.
Bundesarbeitsgericht hat aktuell zu Ausschlussfristen entschieden
Das BAG hatte mit Urteil vom 31.03.2021 einen Fall zu entscheiden, wonach ein Arbeitgeber innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten an insgesamt mehr als sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entrichtet hat. Erst einige Monate später stellte sich durch eine Mitteilung der Krankenkasse heraus, dass eine Fortsetzungserkrankung vorgelegen hatte.
Der Arbeitgeber klagte nach zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses daher auf Rückerstattung. Die beklagte Arbeitnehmerin berief sich auf die anwendbare tarifliche Ausschlussfrist.
Das BAG urteilte zugunsten der Arbeitgeberin und führte in der Urteilsbegründung u. a. folgende Argumente auf:
Die dem Arbeitgeber vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen über das Bestehen und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthalten keine Angaben über die Ursachen der Erkrankung. Dem Arbeitgeber war es deshalb nicht möglich zu erkennen, ob eine frühere und eine erneute Arbeitsunfähigkeit auf verschiedene Krankheiten oder dieselbe Krankheit zurückzuführen waren.
Der Arbeitgeber hat es auch nicht schuldhaft versäumt, sich zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Geltendmachung seines Rückzahlungsanspruchs zu verschaffen. Sie war nicht verpflichtet, bei der Arbeitnehmerin nachzufragen, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Eine solche Obliegenheit ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast bei Fortsetzungserkrankungen.
Tipp:
Arbeitgeber sollten trotz der aktuellen Entscheidung des BAG bei Vorliegen von bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten von insgesamt über 42 Kalendertagen innerhalb eines Betrachtungszeitraums von sechs Monaten bei den betreffenden Arbeitnehmern nachfragen, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Falls ja, sollten Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung ab dem 43. Kalendertag entweder von vornherein verweigern oder aber nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung zahlen. So könnte man bei einem eventuellen Rechtsstreit auf der sicheren Seite sein.
Quelle: BAG, Urteil vom 31.03.2021 – 5 AZR 197/20
2021-08-06