Freies Dienstverhältnis oder doch Arbeitsverhältnis?

Die Abgrenzung einer Arbeitnehmereigenschaft zur Selbstständigkeit birgt in der Praxis erhebliche Risiken. So haften Arbeitgeber bei falscher Zuordnung für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die für Arbeitsverhältnis anfallen würden.

Auch in einem aktuell vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin für die Beklagte im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig ist.

Zum entschiedenen Fall:

Die Klägerin erbringt seit 1998 für die Beklagte tageweise Dienste im Bereich „Grafik und Design“. Einen schriftlichen Vertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Auf der Grundlage entsprechender „Honorarabrechnungen“ berechnet die Klägerin für ihre Dienste eine Tagesgage.


Sie ist mit einem durchschnittlichen zeitlichen Umfang von 80 vH eines in Vollzeitkraft beschäftigten Arbeitnehmers für die Beklagte tätig. Sie ist in vier bis fünf Schichten pro Woche eingeteilt. Die Beklagte erwartet, dass die Klägerin regelmäßig an den montäglich stattfindenden Sitzungen im Bereich „Grafik und Design“ und an den täglichen Redaktionssitzungen teilnimmt. Zur Organisation der Arbeitsabläufe erstellt die Beklagte Dienstpläne, in die sowohl die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer als auch die für sie tätigen freien Mitarbeiter eingetragen sind.
Die Klägerin, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auf die Nutzung der ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellten technischen Gerätschaften angewiesen ist, arbeitet ausschließlich in deren Räumlichkeiten. Der arbeitsteilige Produktionsprozess erfordert die Einbindung der Klägerin in die Arbeitsorganisation der Beklagten. Ausdruck dessen ist die regelmäßige Teilnahme der Klägerin an den montäglich stattfindenden Sitzungen im Bereich „Grafik und Design“ ebenso wie die Erwartung der Beklagten, die Klägerin möge während der täglichen Redaktionssitzungen anwesend sein

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Parteien verbinde ein Arbeitsverhältnis, weil sie nicht nur örtlich und zeitlich in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden sei, sondern auch fachlich weisungsgebunden arbeite.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage u. a. mit der Begründung beantragt, die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses seien nicht erfüllt, weil die Klägerin weisungsfrei tätig sei.

In der Urteilsbegründung definiert das BAG noch einmal den Unterschied zwischen Arbeitnehmern und selbstständig Tätigen wie folgt:

„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses ist . Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich demnach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Das für ein Arbeitsverhältnis konstitutive Weisungsrecht des Arbeitgebers kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an.“

Im Ergebnis der Verhandlung stellte das BAG fest, dass das Landesarbeitsgericht den Status der Klägerin als Arbeitnehmerin rechtens beurteilt hat.

Diese Entscheidung des BAG zeigt erneut, wie wichtig es – vor allem auf Arbeitgeberseite – ist, den Status von Beschäftigen genau zu definieren.
Zu empfehlen ist daher dringend, einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen.
Das Statusfeststellungsverfahren dient der Klärung der Frage, ob eine Beschäftigung vorliegt, die zur Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung führt.

Urteil vom 25.8.2020, 9 AZR 373/19 (Gesamttext)

Tipp:

Auf das Problem „Scheinselbstständigkeit“ haben wir in mehreren Artikeln hingewiesen, zuletzt unter Datum vom 13.08.2020: „Scheinselbstständigkeit: Freiberufler, Freie Mitarbeiter oder doch Arbeitnehmer?“.

2020-11-10

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