Nach § 616 BGB haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus persönlichen Gründen unverschuldet an der Arbeitsleistung verhindert sind.
Arztbesuche gelten als Privatsache und sind deshalb grundsätzlich in arbeitsfreie Zeiten zu legen, es sei denn, der Arztgang in der Arbeitszeit ist erforderlich, z. B. wenn:
- akute Schmerzen / Krankheiten auftreten
- spezielle Untersuchungen notwendig sind, die nur zu bestimmten Zeiten angeboten werden, etwa Blutentnahme in nüchternem Zustand, Röntgen oder Computertomografie
- alle Sprechstunden der Arztpraxis in die Arbeitszeit fallen.
Der Arztbesuch während der Arbeitszeit muss also medizinisch notwendig sein. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer nicht nur freigestellt werden, auch das Arbeitsentgelt muss für diese Zeiten weitergezahlt werden. Zur Entgeltzahlung gehört nicht nur die Zeit des Arztbesuchs, sondern auch der Weg in die Praxis.
Bei Arztbesuchen während der Arbeitszeit gilt: Gibt es keine tarifliche Regelung zur Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung, ist § 616 BGB anzuwenden, es sei denn § 616 BGB ist arbeitsvertraglich ausgeschlossen.
Ausnahmen für Jugendliche und Schwangere
Minderjährige Beschäftigte und Azubis, die zur gesetzlich vorgeschriebenen Nachuntersuchung müssen, müssen Arbeitgeber laut Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) bezahlt freistellen. Gleiches gilt bei Schwangerschaft oder Mutterschaft. Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sieht vor, dass Arbeitgeber Frauen für Untersuchungen, die zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, bezahlt freistellen müssen.
Zwei gerichtliche Entscheidungen zum Thema Arztbesuch während der Arbeitszeit:
- Nach einem Urteil des LAG Niedersachsen vom 08.02.2018 (7 Sa 256/17) ist ein Arztbesuch grundsätzlich nicht bereits dann notwendig, wenn der behandelnde Arzt einen Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zur Behandlung oder Untersuchung in seine Praxis bestellt. Der Arbeitnehmer müsse versuchen, die Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden.
Hält der Arzt außerhalb der Arbeitszeit Sprechstunden ab und sprechen keine medizinischen Gründe für einen sofortigen Arztbesuch, müsse der Arbeitnehmer die Möglichkeit der Sprechstunde außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen. Ein Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis liege bei einem Arztbesuch vor, wenn der Arbeitnehmer von einem Arzt zu einer Untersuchung oder Behandlung einbestellt wird und der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen will oder kann. - Auszüge aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.02.1984 (Az.: 5 AZR 92/82):
„Vergütung für die aus Anlaß eines Arztbesuches ausgefallene Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer nur verlangen, wenn der Arztbesuch notwendig war. … Notwendig aus der Sicht des Arbeitnehmers ist ein Arztbesuch auch schon dann, wenn der Arzt ihn zu einem bestimmten Termin einbestellt und der Arzt den terminlichen Wünschen des Arbeitnehmers auf Verlegung der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will.“
Tipp:
In vielen Betrieben ist es möglich, Zeiten für Arztbesuche heraus- oder nachzuarbeiten.
2019-10-14