Auch die Würde des Kranken ist unantastbar

Unsere Rubrik: Was macht eigentlich …?

Krankenschwester hat Fanny Fatteicher gelernt und vor fünf Jahren ihre eigene Firma MediTex gegründet: Bei beiden Lebensentscheidungen geht es für die Rostocker Gründerin um das Wohl von Patienten.

Der letzte Schrei der Mode ist Fanny Fatteicher aus Rostock relativ schnuppe. Der ehemaligen Krankenschwester und Unternehmensgründerin der Firma MediTex liegt das Wohl von Patienten am Herzen. Dann kommt die medizinische Funktionalität der von ihr selbst entworfenen Bekleidung. Dann vielleicht Farbe und Schnitt.

2017 konnte Fanny Fatteicher mit ihrem jungen Unternehmen richtig durchstarten.
2017 konnte Fanny Fatteicher mit ihrem jungen Unternehmen richtig durchstarten.
Fotos: Ralph Schipke

Fanny Fatteicher hat einige Jahre als Krankenschwester Dialyse-Patienten betreut, bevor ihr vor über fünf Jahren die Idee für eine spezielle Funktionswäsche in den Sinn kam, die sie 2014 erst im Nebenerwerb entwickelte, bis sie im Mai 2016 den mutigen Schritt tat, eine GmbH zu gründen.





„Mut ist so ziemlich das Wichtigste, was eine Gründerin oder ein Gründer mitbringen muss“

Mehr als vier Jahre bis zu Marktreife und Serienproduktion sind für die junge Firmenchefin ein Zeichen, „dass manche Prozesse für Startups im Bundesland leider zu langsam gehen.“ Dabei sei die Unterstützung mit Fördermitteln gut, die Netzwerke in Mecklenburg-Vorpommern funktionieren, hat Fanny Fatteicher immer wieder erfahren können.

Jedoch am Anfang ihres Weges zur Gründung stand das praktische Problem auf der Station: Wie komme ich immer wieder an den Zugang, den der Patient gelegt bekommen hat?“ Das nervte sie täglich bis ihr der Einfall kam, selbst Kleidung zu erfinden. Die erste Generation bekam zunächst eine Brust- und eine Armöffnung verpasst. Diese das Leben von Patienten und Klinikpersonal erleichtern. „Mir ging es dabei gleichermaßen um mehr Würde für die kranken Menschen und um die Verbesserung hygienischer Standards“, bekennt die Unternehmerin, die dafür den Schritt aus einer sicheren Anstellung in die Selbstständigkeit wagte.

Und je mehr sie sich mit ihrem Problem befasst, umso klarer wurde ihr: Da geht viel mehr! „Außer auf der Onkologie und bei Dialyse-Patienten kommt unsere Funktionswäsche inzwischen bei Frühchen zum Einsatz“; berichtet die Mutter zweier Töchter nicht ohne Stolz. Bei der Ernährung über eine Kanüle in Krankenhäusern und in der Pflege böte MediTex-Kleidung Bequemlichkeit für Patienten und Pflegebedürftige ebenso wie mehr Komfort und Sicherheit für Pfleger, Ärzte und Schwestern. „Eine Erleichterung für die Patienten, die sich vernünftig anziehen und wohlfühlen können, trotz eines akuten Leidens oder chronischen Erkrankungen“, lautet das Credo bei MediTex.

In zwei Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern können Patienten und Personal von Fanny Fatteichers Ideenreichtum bereits profitieren. „Kranke Menschen müssen ihre Kleidung nicht mehr komplett aus- oder hochziehen. Das ist bequemer, angenehmer. So wird viel mehr Rücksicht auf die Intimsphäre genommen“, weiß die Ideengeberin von praktischen Erfahrungen bei zahlreichen Tests auf Stationen und in Pflegeeinrichtungen zu berichten.

Die Idee war die eine, die praktische Umsetzung die andere Seite der Medaille. Schwester Fanny hatte in der Gründungsphase sogar einen Nähkurs belegt, bevor endlich gemeinsam mit einer Rostocker Schneiderin ein Prototyp entstand. Bei mindestens 60 Grad Celsius waschbar und angenehm zu tragen – um solche Ansprüche zu erfüllen, mussten Stoffmuster gesichtet werden und schließlich eine Fertigung in Konfektion organisiert werden. Heute fertigt das Startup von der Ostsee unter anderem bei einem Familienbetrieb im sächsischen Burgstädt, „der sich auf die Verarbeitung von Jersey-Stoff spezialisiert hat“, erzählt sie aus einem Kapitel ihrer Gründergeschichte, die einer Jury aus IHK und Ostseezeitung 2016 dann einen Gründerpreis wert war.

Und immer noch fallen Fanny Fatteicher neue unternehmerische Ideen ein. Sie kann sich ein Mietmodell für ihre hochwertige Patientenkleidung vorstellen, wie es für Personalkleidung in Kliniken längst Usus ist. In einem Onlineshop bietet sie eine Premium-Linie für Endkunden an. „Die Anwender sind einfach zu überzeugen.“ Jedoch bei den Einkäufern medizinischer Einrichtungen muss sie wieder und wieder Klinken putzen.

Dabei hilft der Gründerin inzwischen Sarah Evers (l.), die so sehr vom Produkt überzeugt war, dass sie einen anderen Job kündigte, um in dem Startup mitzuarbeiten und die Entwicklung dieses jungen Unternehmens aus dem Nordosten selbst aktiv mitgestalten zu können.

Die junge Frau entlastet die Firmenchefin insbesondere in kaufmännischen Dingen, unterstützt die MediTex-Gründerin beim Vertrieb genauso wie bei der Suche nach Investoren oder im Marketing.

Eine Erleichterung für ihr Startup wäre es schon, wenn etwa die Krankenkassen einen Zuschuss für medizinische Funktionswäsche zahlen würden und noch mehr Kliniken über die Landesgrenzen hinaus Interesse an den durchdachten, praxistauglichen, medizinischen Textilien von der Waterkant zeigen würden.

Fanny Fatteicher weiß, dass das junge Medizin-Unternehmen in diesem Geschäftsjahr, wenn die Förderung ausläuft, auf eigenen Beinen stehen soll. Dafür und für ihre mittlerweile drei Produktlinien kämpft sie wie eine Löwin.

Porträt Ralph Schipke

Autor:
Ralph Schipke © GRUENDER-MV.DE
| 07.05.2019 |

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