Unternehmer für Vorpommern

Gründen auf dem Sonnendeck

Selten waren die Voraussetzungen, sich selbstständig zu machen so günstig, die Möglichkeiten, einen Betrieb zu übernehmen, so vielfältig wie im Moment. Bis 2025, so die Prognose der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammer im Land, werden rund 20 000 Unternehmen zur Nachfolge bereit stehen.

Mit dem Projekt „Neue Unternehmer für Vorpommern“ soll der Lockruf nach potenziellen Selbstständigen in alle Himmelsrichtungen getragen werden. Wer schon eine Weile davon träumt, sein eigenes Ding zu machen, ist hier genau richtig. Ob Betriebsgründung, Unternehmensübernahme oder die Führungsposition – als engverzahntes Netzwerk wollen Fachverbände, Kammern, Innovationszentren, Bürgschaftsbanken dazu beitragen, motivierten Menschen beim Schritt in den Chefsessel zu verhelfen.

Beim ersten Arbeitskreistreffen im Barockschloss Griebenow fanden sich am 1. März die Akteure zusammen, um Ideen zu spinnen, wie man die neuen Unternehmer ins Land holen kann. Drei von ihnen haben wir dazu befragt, was Gründer sich von diesem Projekt erhoffen können. Foto: WFG

„Das Thema ‚Gründungshilfe‘ und Unternehmensnachfolge ist an sich nicht neu“, sagt Marie Büchler von der Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern, die das Projekt leitet. „Wir wollen es mit diesem Projekt jedoch noch einmal intensiver ausleuchten, um zu schauen, wo noch versteckte Kapazitäten sein könnten.“ Der Fokus liege darauf, die Fördermöglichkeiten dem individuellen Profil der Klienten gezielter anzupassen. Frank Bartelsen von der Bürgschaftsbank weiß um ein Hauptproblem, das damit gelöst werden soll: „Dass diejenigen, die Unternehmen abgeben wollen und diejenigen, die eins übernehmen wollen, sich finden können.“

Marie Büchler: “Bei der Nachfolgethematik wollen wir künftig verstärkt auf die emotionale und psychische Ebene unserer Klienten eingehen.” Foto: WFG

„Wir von der WFG können mit dem Projekt keine Finanzierungsmöglichkeiten anbieten, dafür mit den Partnern zusammen viel Know-How. Dank dieses Projektes haben die Möglichkeit, Einzelbetreuungen besser wahrzunehmen und uns damit besser an dem Profil der Gründungs- oder Nachfolgeinteressierten orientieren. Somit helfen wir unseren Klienten durch den Förderdschungel, bis wir die beste Lösung gefunden haben. Entscheidend sind vor allem die Lebensumstände und in welcher Branche der- oder diejenige tätig sein möchte.
Bei der Nachfolgethematik wollen wir künftig verstärkt auf die emotionale und psychische Ebene unserer Klienten eingehen. Für den einen steht eine große emotionale Bindung dahinter, für den Nachfolger wiederum großer Druck, in die Fußstapfen zu treten. Mit Hilfe eines Mentorenprogramms wollen wir diese Gefühlslagen ausbalancieren, um den Prozess für alle Beteiligten zu erleichtern.
Geplant sind außerdem sogenannte „Bootcamps“ und „Sommercamps“, also Exkursionen und Intensivworkshops, in denen interessierte Gründer sich ihrer Möglichkeiten noch mehr bewusst werden sollen.
Für diejenigen, die zu uns kommen, ist alles kostenfrei. Wir stehen dabei auch Jenen zur Verfügung, die schon gegründet haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Gründungsunterstützung oft zu früh endet. Mit diesem Projekt möchten wir uns auch um diejenigen bemühen, die die ersten essentiellen Schritte längst getan haben und Rat suchen.“

Marie Büchler – Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern (WFG), Projektleiterin „Neue Unternehmer für Vorpommern“
”Im besten Fall ergibt sich ein Termin zum persönlichen Kennenlernen.” Foto: Joern Lehmann

„Wer ein Interesse daran hat, ein Unternehmen oder einen Laden zu übernehmen, kann sich bei der Nachfolgezentrale kostenfrei registrieren und einen Suchauftrag stellen. Anhand von Eckdaten wie bevorzugter Landkreis, Unternehmensgröße, Kaufpreisvorstellungen, Angestelltenzahl werden Übereinstimmungen gesucht, sogenannte „Matches“ – ähnlich wie bei einer Partnerbörse. Die Daten sind nur für uns und die Unternehmer sichtbar. Findet sich ein Match, umschreiben wir dem Interessenten in anonymisierter Form das Unternehmen. Im besten Fall ergibt sich ein Termin zum persönlichen Kennenlernen. Verläuft dieses positiv, geben wir Orientierung zur weiteren Abwicklung. Wir verweisen zum Beispiel auf Experten, die den Prozess professionell begleiten können. Wichtig ist uns, dass weder Unternehmer noch potenzielle Nachfolger Daten der jeweils anderen Partei einsehen können, ohne dass es dazu von beiden Seiten eine Zustimmung gibt. Das ist dann also ggf. bei einem Matching der Fall.”

Frank Bartelsen, Koordinator der Nachfolgezentrale MV

Solange die Vermittlung läuft, ist es ratsam, unsere zusätzlichen Sprechtage bei den Kammern zu nutzen – einmal im Monat in Schwerin, Stralsund, Greifswald, Rostock, Neubrandenburg und ab und zu auch mal Waren. Aktuell verzeichnen wir 300 Unternehmen in unserem Datenpool, die einen Nachfolger/ eine Nachfolgerin suchen. Die Branchen umfassen vornehmlich Handwerk, Handel, Gastgewerbe und den Dienstleistungssektor. Wir hoffen, dass sich noch mehr Unternehmer anmelden werden. Oft wissen viele nicht, an wen sie sich mit ihrem Nachfolge-Anliegen wenden sollen, aus Angst, Kunden zu verprellen, Mitarbeiter zu verunsichern – all das wird bei uns mit der Nachfolgezentrale seriös abgefangen und gefiltert. Für uns ist entscheidend, dass die Akteure sich finden können.

Seit dem Online-Start verzeichnen wir mehr als 100 neue Anmeldungen von Nachfolgeinteressierten. Wer Unternehmerblut in sich spürt, hat in unserem Land gute Chancen, etwas Bestehendes weiterzuentwickeln. Weil er auf vorhandene Strukturen aufbauen kann, ist das finanzielle Risiko mitunter geringer als bei einem Startup, die sich erst noch auf dem Markt etablieren müssen. Sofern ernsthafte Absichten auf beiden Seiten erkennbar sind, können wir von der Bürgschaftsbank zu Finanzierungsmöglichkeiten beraten. Mitunter können wir dann eine Ausfallbürgschaft ausstellen, wo eine Hausbank einfach aufgrund fehlender Sicherheiten nicht weiterhelfen kann.“

Dr. Wolfgang Blank: “Mit dem Projekt „Neue Unternehmer in Vorpommern“ wolle wir eine Art „Gründerökosystem“ schaffen, um hier in Greifswald und in den Landkreisen die Gründer-Szene bespielen zu können.” Foto: Ralph Schipke

“Die Wirtschaftsförderung Vorpommern, die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft MV, die IHK’en, die Sparkasse Vorpommern und viele andere Organisationen, darunter auch die Landkreise, tun sich mit uns als ein nachhaltiger Förderverbund zusammen, um dieses Ziel zu erreichen. Einen gemeinsamen Ansatz habe ich in der Form in unserer Region noch nicht gesehen und ich bin überzeugt, dass diejenigen, die wir damit erreichen wollen, auf verschiedenste Weise davon profitieren können. Mit unserem Teilprojekt „Startup-Nordost“ wollen wir diese Message ab dem 1. April ins Ländliche tragen. Neben unserer Arbeit an den Hochschulen wollen wir mit den Partnern zusammen, wie etwa den Kammern, auch allgemeine Beratungstage vor Ort anbieten. Wir möchten schauen, welches Potenzial wir hier haben, die jungen Leute erreichen mit ihren frischen Ideen. Gleichzeitig liegt unser Fokus auf den Zuzüglern aus den Städten und wie wir ihnen dabei helfen können, sich mit ihrem Unternehmergeist im ländlichen Umfeld anzusiedeln. Für die Koordination und als Ansprechpartnerin wird uns eine Regionallotsin zur Verfügung stehen – von der reinen Anfrage bis hin zur Sprechstunde. Ihre Aufgabe umfasst auch, die Klienten an die entsprechenden Experten weiterzuleiten. Wir wollen so viel wie möglich von innen heraus bewegen.“

Dr. Wolfgang Blank, Geschäftsführer Witeno

Autorin: Annika Kiehn| 08.03.2019 |

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