BSG-Entscheidung: Scheinselbstständig oder Freier Mitarbeiter?

Wird eine vermeintlich selbstständige Tätigkeit im Rahmen weiterer Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und Dritten erbracht, sind im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens auch diese Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen, so das Bundessozialgericht (BSG) in einer Entscheidung vom 14.03.2018.

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen.

Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind.
Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen „Etikettenschwindel” handelt.

Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Im entschiedenen Fall ging es darum, ob ein Einzelunternehmer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und Rentenversicherung (GRV), sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Im streitbefangenen Zeitraum war dieser im Rahmen von zeitlich begrenzten Einsätzen in Drittunternehmen, den sogenannten Endkunden,  ausschließlich für ein Unternehmen tätig. Den Einsätzen lagen schriftliche, als „Beauftragung” bezeichnete Vereinbarungen zugrunde, deren Vertragsbestimmungen jeweils im Wesentlichen identisch waren.

Auch wenn die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückverwiesen wurde, sind einige Sätze aus der Urteilsbegründung für die Praxis durchaus wichtig.

Aus dem Urteil:

„…Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur ‘funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess’ verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.“

… Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben.
Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind.
Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen ‘Etikettenschwindel’ handelt, der u. U. als Scheingeschäft i. S. des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen.
Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen…“

Das gesamte Urteil des BSG vom 14.03.2018 (B 12 KR 12/17 R) kann hier nachgelesen werden.

Praxistipp:
Bestehen in der Personalpraxis Unsicherheiten, ob bei dem Einsatz eines Mitarbeiters eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, kann bei der Deutschen Rentenversicherung ein Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt werden.

Das Statusfeststellungsverfahren dient der Klärung der Frage, ob eine Beschäftigung vorliegt, die zur Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung führte.

2018-09-28

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