Möbelbau hinterm Schaufenster

Mitten in Wismar baut Lilja Walker robuste Möbel für den täglichen Gebrauch. Sie entwirft, macht am Computer detaillierte Zeichnungen, lässt die einzelnen Teile vorfertigen, nach ihren Zeichnungen computergestützt fräsen – im Fachjargon CNC-fräsen – und gibt ihnen in ihrer Werkstatt den letzten Schliff. Fertige Möbelstücke präsentiert sie schließlich in ihrem kleinen Laden. Nur kurze Fußwege liegen die Stationen der einzelnen Produktionsschritte jeweils auseinander. Traumhafte Arbeitsbedingungen für die Möbeldesignerin, die bei ihrer Arbeit Altes mit Neuem kombiniert.

Nach fünf Jahren Elternzeit arbeitet Lilja Walker wieder als freie Möbeldesignerin. Fotos: Manuela Heberer

Es ist Anfang Dezember: Gerade baut sie ein Doppelbett, zwei Schlafzimmerschränke, ein Schallplattenregal, eine Weinkisten-Kommode und ein Geländerregal – sechs Möbelstücke auf einmal, und alle müssen noch im Dezember ausgeliefert werden. Lilja Walker ist optimistisch, obwohl es das erste Mal ist, dass so viele Aufträge gleichzeitig anstehen. Als zweifache Mutter weiß sie, ihre Zeit optimal zu nutzen, Aufgaben so zu organisieren, dass der Zeitplan eingehalten wird. Seit 2006 ist sie offiziell als selbstständige Möbeldesignerin tätig. „Richtig begonnen habe ich aber eigentlich erst im letzten Jahr, als meine Tochter in den Kindergarten kam“, erzählt die 38-Jährige. Fünf Jahre hat sie sich fast ausschließlich ihrer Familie, ihren beiden Kindern gewidmet, die 2007 und 2009 zur Welt gekommen sind. Diese Zeit habe sie extrem genossen – und genutzt, um endgültig als Familie in Wismar zu landen. Eigentlich stammt sie aus Tönning an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Durch den Job ihres Mannes ist die gelernte Tischlerin und studierte Industriedesignerin schließlich 2007 an der mecklenburgischen Ostseeküste gelandet. Weg aus Wismar, das kommt für die Familie mittlerweile nicht mehr in Frage.

Vor ein paar Jahren hat Lilja Walker sich in zwei nebeneinanderliegenden Garagen ein eigenes Werkstattatelier eingerichtet. Hier lagert sie alte Wein- und Obstkisten, mit denen sie ihren Möbeln das besondere Etwas verleiht, und hier montiert sie die fertigen Möbelstücke.  Auch während der Elternzeit hat sie hier – mit den Kindern im Schlepptau – immer mal wieder gearbeitet, Ideen umgesetzt. So entstand das eigene Bett, ein Schreibtisch für den Sohn, eine Aufbewahrungstruhe für die Tochter, Regale für Freunde. Mittlerweile hat sie eine ganze Reihe verschiedener Möbelprojekte realisiert – zum Hochsteigen, Schlafen, Aufbewahren, Präsentieren und Sitzen. Sie alle sind im typischen Stil von Lilja Walker gefertigt – lackierte Multiplexplatten kombiniert mit altem Holz, Wein- und Obstkisten, möglichst ohne Beschläge mit komplizierter Feinmechanik. Diese würden die Produkte teurer und schließlich auch anfälliger für Defekte machen, ist Lilja Walker überzeugt. „Möbel sind über Jahrhunderte ohne solche Metallbeschläge ausgekommen, warum soll das heute nicht auch möglich sein?“ Schlicht aber edel könnte man die Arbeiten von Lilja Walker beschreiben. „Meine Möbel sind ein Zwischending zwischen teurer Einzelanfertigung und Massenware“, so Walker.

Vor ein paar Jahren hat Lilja Walker sich in zwei nebeneinanderliegenden Garagen ein eigenes Werkstattatelier eingerichtet. Foto: Manuela Heberer

„Das sind zwar keine Schnäppchen, aber die Preise sind definitiv angemessen für das, was man bekommt“, ist sie überzeugt.
Derzeit entwickelt sie gewisse Standards für ihre Produkte, etwa Konstruktionsdetails, die sie bei allen Folgestücken anwenden kann. Material, Abmessungen und Farbwahl sind dagegen individuell wählbar. Dynamische Kollektionen nennt sie das. So wird das Möbelstück zwar einzeln per Hand gefertigt und auf die Wünsche und Vorstellungen eines jeden Kunden abgestimmt, die Produktion ist jedoch optimiert und dadurch kostengünstiger möglich. „Momentan befinde ich mich in so einer Art Entwicklungsphase“, erzählt sie. „Ich versuche, bestimmte Abläufe so zu organisieren, dass ich wirtschaftlich arbeiten kann.“ Dazu zählt auch, bei der Planung und Entwicklung rationeller zu werden, mehr Einzelteile nach den eigenen Plänen detailliert vorfertigen zu lassen. Zwar liebe sie die Abwechslung zwischen digitaler Planung und handwerklicher Herstellung, wenn sich die Geschäftsidee jedoch langfristig wirtschaftlich tragen soll, müsse sie in Zukunft noch mehr einzelne Arbeiten extern erledigen lassen. Zumal die Arbeit auch rein körperlich ihre Grenzen hat: „Gerade bei den großen Möbelstücken wie Schränken und Regalen ist es manchmal wirklich anstrengend, alle Teile alleine zu einem Gesamtmöbel zusammenzubauen.“ Personelle Unterstützung könnte sie sich deshalb für die Zukunft sehr gut vorstellen.

„Meine Möbel sind robust, funktional und sehr langlebig.“ Wie sie entstehen, sollen in Zukunft auch die Kunden live miterleben können. Schon jetzt fotografiert sie ihre Arbeitsfortschritte regelmäßig und stellt die Bilder auf ihrer Homepage online. „So können die Auftraggeber den Entstehungsprozess miterleben.“ Für die Zukunft wünscht sie sich eine Montagehalle mit Schaufenstern. „Damit könnte ich direkt vor Ort zeigen, was ich mache. Das ist die beste Werbung.“ In einem kleinen Laden in der Wismarer Altstadt setzt Lilja Walker dieses Konzept bereits in Ansätzen um. Hier hat sie gerade den Korpus der Schlafzimmerschränke weiß lackiert. Einige Passanten werden sie dabei gesehen haben. Irgendwann in der Zeit zwischen acht Uhr vormittags und drei Uhr am Nachmittag. „Danach schlüpfe ich wieder komplett in meine Mutterrolle und kümmere mich um meine Familie.“

Manuela Heberer

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