betriebliche Unfallversicherung, Stundungen, Beitragszahlungen

Wann greift die betriebliche Unfallversicherung?

Immer wieder gibt es Unklarheiten darüber, was als Arbeits- bzw. Wegeunfall anzusehen ist.
Nachfolgend drei Gerichtsentscheidungen zur Frage, wann die betriebliche Unfallversicherung für Arbeitnehmer greift – und wann nicht.

1. Arbeitsunfall bei Grillabend
Das Sozialgericht Dortmund hat am 01.02.2018 einen Grillabend bei einem vom Arbeitgeber durchgeführten Workshop als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gewertet und den Sturz einer alkoholisierten Arbeitnehmerin auf dem Weg zur Toilette als entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall.
Der Arbeitgeber hatte zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Abteilungen in seinem Unternehmen in einem Hotel einen Workshop organisiert. Während eines Grillabends mit offenem Ende und freiem Essen und Trinken knickte die Mitarbeiterin auf dem Weg zur Toilette alkoholisiert gegen Mitternacht um und zog sich einen Bruch des linken Sprunggelenks zu.
Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) in Dortmund lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab, weil sich die Mitarbeiterin zum Unfallzeitpunkt nicht bei einer versicherten Tätigkeit befunden habe.
Die hiergegen von der Klägerin bei dem SG Dortmund erhobene Klage hatte Erfolg.
Das SG stellte nach Vernehmung mehrerer Zeugen fest, dass das Umknicken der Klägerin mit Bruch des linken Sprunggelenks ein Arbeitsunfall gewesen sei. Die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt auf einem versicherten Weg zur Toilette im Rahmen einer Betriebsgemeinschaftsveranstaltung befunden.
Der Grillabend sei von den Vorgesetzten der Klägerin nicht beendet worden, auch wenn zum Unfallzeitpunkt keine Anwesenheitspflicht mehr gegolten habe. Die Alkoholisierung der Klägerin habe dem Ziel der Veranstaltung nicht entgegengestanden, denn sie sei noch zu einer angemessenen Teilnahme an dem geselligen Beisammensein in der Lage gewesen.
(Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 01.02.2018 – S 18 U 211/15)

2. Wegeunfall bei Fenstersturz
Wegeunfälle stehen grundsätzlich nach § 8 SGB VII unter dem Schutz der Unfallversicherung. Startpunkt des unfallversicherten Weges ist grundsätzlich das Verlassen des eigenen Hauses. Ab diesem Zeitpunkt steht der Mitarbeiter unter dem Schutz der Unfallversicherung.
In dem zu entscheidenden Streitfall des Bundessozialgerichtes war der unmittelbare Weg durch die Außentür versperrt und der Mitarbeiter versuchte, das Haus durch ein Fenster zu verlassen.
Das Bundessozialgericht nahm weiterhin einen versicherten Wegeunfall an. Der Versicherte habe mit dem Klettern aus seinem Fenster den Arbeitsweg begonnen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn ein objektiver Beobachter noch annehmen konnte, dass das Herabklettern aus dem Fenster unfallfrei gelingen könne. Bei einem Höhenunterschied von 2,60 m könne ein Versicherter davon ausgehen, dass dies ohne Unfall bewältigt werden könne.
(Bundessozialgericht vom 31.08.2017 – B 2 U 2/16 R)

3. Kein Wegeunfall bei Unterbrechung des Weges zur Arbeit
Der Kläger befand sich zunächst auf dem unmittelbaren versicherten Weg zur Arbeit. Der damit verbundene Versicherungsschutz wurde jedoch durch die nicht nur geringfügigen Handlungen des Klägers unterbrochen, die dem beabsichtigten Einkauf in einer Bäckerei dienten. Diese rein privatwirtschaftliche Handlung stand nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.
Der Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung wurde auch – entgegen der Rechtsansicht des LSG – nicht wieder begründet, als der Kläger mit der subjektiven Handlungstendenz zur Arbeitsstätte zu gelangen, den Kaufversuch wegen der Schlange vor der Bäckerei aufgab. Zum Zeitpunkt des Sturzes war die Unterbrechung des an sich versicherten Weges objektiv noch nicht beendet und der ursprüngliche Weg noch nicht wieder aufgenommen.
Im vorliegenden Fall war der Kläger zu seiner Arbeitsstätte mit dem Auto unterwegs; die konkrete, zur Zurücklegung des versicherten Weges unternommene Verrichtung “Autofahren” hatte der Kläger zur Erledigung des eigenwirtschaftlichen Motivs “Semmeln kaufen” unterbrochen und zum Zeitpunkt des Unfallereignisses noch nicht wieder aufgenommen.
(Bundessozialgericht vom 31.08.2017 – B 2 U 1/16 R)

Quelle: Pressemitteilungen des Bundessozialgerichts

2018-05-03

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