Honorarhöhe als weiteres Indiz zur Statusbeurteilung

Ergänzend zur GründerNews vom 23.10.2017 zum Thema „Scheinselbstständigkeit“ bzw. sozialversicherungspflichtige Beurteilung einer Beschäftigung noch nachfolgende Information:

Am 31. März 2017 hat das Bundessozialgericht (BSG) über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung eines Erziehungsbeistandes entschieden.
Nach dem Leitsatz der Entscheidung ist die Höhe der vereinbarten Vergütung ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit:

“Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für selbstständige Tätigkeit.”

Zum Sachverhalt
Der klagende Landkreis (Kläger) schließt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe Verträge mit freien Trägern und Einzelpersonen ab, die die Leistungen der Jugendhilfe vor Ort in den Familien erbringen. Der im Verfahren beigeladene Heilpädagoge (B) war neben einer Vollzeitbeschäftigung für den Landkreis etwa vier bis sieben Stunden wöchentlich als Erziehungsbeistand tätig und betreute durchschnittlich ein bis zwei Familien monatlich. Hierfür erhielt er ein Honorar von zunächst 40 Euro, später 41,50 Euro.
Für jeden Einzelfall schlossen der Landkreis und B einen Honorarvertrag sowie eine „Vereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII“.

Die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. (B) im Bescheid vom 22.06.2010 in der Gestalt des Bescheids vom 25.08.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 02.12.2010 war rechtswidrig.

Entscheidungsgründe

Das BSG verweist auf den abgeschlossenen Honorarvertrag, insbesondere auf folgende inhaltliche Fakten.

  • Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wird nicht begründet und ist nicht gewollt.
  • Der Auftragnehmer hat die übernommenen Aufgaben selbstständig, eigenverantwortlich, mit unbedingter Sorgfalt und fachlich korrekt auszuführen.
  • Er ist nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden.
  • Er unterliegt keinem Weisungsrecht und ist in der Auftragsausführung, der Einteilung seiner Arbeitszeit und seines Arbeitsortes grundsätzlich frei, soweit sich nicht aus der Natur der Sache etwas anderes ergibt.
  • Dem Auftragnehmer sind die zivilrechtlichen Konsequenzen (kein Anspruch auf Urlaub, Fortbildung, Kündigungs-, Mutter- und Schwerbehindertenschutz, keine Vergütung bei Urlaub oder Krankheit) sowie die öffentlich-rechtlichen Folgen (eigenverantwortliche Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, selbstständige Vornahme eventuell notwendiger behördlicher Anmeldungen bzw Einholung von Genehmigungen) bekannt.
  • Die Monatsstunden können flexibel erbracht werden.
  • Das Honorar beträgt 40 Euro (in späteren Verträgen bis 41,50 Euro) je vereinbarter und geleisteter Betreuungsstunde. Zur Abrechnung kommt nur die Zeit, die direkt mit dem Hilfeempfänger und dessen sozialem Umfeld gearbeitet wird.
    Die übrige fallbezogene Tätigkeit, Fahrzeiten sowie sonstige Sach- und Nebenkosten sind mit dem Fachleistungsstundensatz abgegolten.
  • Über die Teilnahme des Auftragnehmers an der hauseigenen Supervision des Auftraggebers können im Einzelfall Absprachen getroffen werden. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nicht.

Die so geschlossenen Verträge wurden auch entsprechend in der Praxis umgesetzt.

In seiner Begründung stellt das BSG vor allem auf folgende Aspekte ab:

  • Aus der Verpflichtung des B auf die im Hilfeplan genannten Ziele folgt keine Weisungsgebundenheit. Ein Weisungsrecht des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit war in den Honorarverträgen ausdrücklich ausgeschlossen.
  • Am Fehlen eines Weisungsrechts des Klägers gegenüber dem Beigeladenen zu 1. ändert auch dessen Verpflichtung auf die im Hilfeplan genannten Ziele nichts, da die Ausgestaltung der notwendigen Maßnahmen im Wesentlichen bei B lag.
  • Die Berichtspflichten, die wenig Zeit in Anspruch nehmen, sind kein Indiz für eine betriebliche Eingliederung, weil sie auch im Rahmen selbständiger Dienstleistungen üblich sind.
  • Bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Knowhow, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist das Fehlen von größeren Investitionen in Werkzeuge, Geräte oder sonstige Arbeitsmaterialien kein gewichtiges Indiz für eine Beschäftigung.
  • Die höchstpersönliche Leistungserbringung ist nur dann ein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung, wenn diese nicht den Eigenheiten und Erfordernissen der Tätigkeit geschuldet ist. Gerade bei Tätigkeiten, deren Erfolg ein besonderes Vertrauen oder aber eine Expertise voraussetzen, ist die höchstpersönliche Leistungserbringung häufig Vertragsinhalt.
  • Die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars spricht nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Bei reinen Dienstleistungen ist ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten.
  • Liegt das Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch eine Eigenvorsorge zu, so ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

 

Quellen:
Urteil Bundessozialgericht (BSG) vom 21.03.2017, B 12 R 7/15 R
Deutsche Rentenversicherung

2017-12-06

Print Friendly, PDF & Email