Pflichtbeitrag

Bundesverfassungsgericht zur Beitragspflicht für IHK-Pflichtmitglieder

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 12.07.2017 entschieden, dass die Beitragspflicht für Pflichtmitglieder der Industrie- und Handelskammern verfassungsgemäß ist.

Die Verfassungsbeschwerden von zwei Kammermitgliedern wurden damit zurückgewiesen. Diese hatten geltend gemacht, dass die gesetzlich normierte Pflichtmitgliedschaft in den IHKn und die daraus resultierende Beitragspflicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien.

Aus der Begründung der Entscheidung:

Die Einbindung in die Industrie- und Handelskammern im Wege der Pflichtmitgliedschaft ist gerechtfertigt.
Die in § 1 IHKG normierten Aufgaben entsprechen der für die wirtschaftliche Selbstverwaltung typischen Verbindung von Interessenvertretung, Förderung und Verwaltungsaufgaben, die vom Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach als legitimer Zweck für die Pflichtmitgliedschaft angesehen wurde.
Gerade die Pflichtmitgliedschaft sichert, dass alle regional Betroffenen ihre Interessen einbringen können und diese fachkundig vertreten werden.

Das Grundgesetz steht nicht entgegen, wenn mit der Pflichtmitgliedschaft aller Gewerbetreibenden eines Bezirks die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, ein Gesamtinteresse zu ermitteln, das tatsächlich alle Betriebe und Unternehmen berücksichtigt. Die an die Pflichtmitgliedschaft gebundene Beitragspflicht trägt dazu bei, den Kammern – bei angemessener Höhe und ordnungsgemäßer Verwendung – die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.

Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Beschwerdeführerinnen erscheint unter Berücksichtigung des weiten Einschätzungsspielraums des Gesetzgebers erforderlich.
Es ist nicht ersichtlich, dass den Industrie- und Handelskammern Aufgaben zugewiesen wurden, die unnötige Kosten nach sich ziehen, oder dass es andere Möglichkeiten gebe, finanzielle Mittel mit geringerer Eingriffswirkung gleichermaßen verlässlich von den Betroffenen zu erheben.

Eine freiwillige Mitgliedschaft ist keine verfassungsrechtlich eindeutig weniger belastende Alternative.
Die Zielsetzung des Gesetzgebers, das Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft zu erfassen, ist notwendig mit einer möglichst vollständigen Erfassung der Gewerbetreibenden und ihrer Interessen verbunden, die nach § 1 Abs. 1 IHKG „abwägend und ausgleichend“ zu berücksichtigen sind. Die Pflichtmitgliedschaft ist auch zumutbar, um die legitimen Ziele des Gesetzgebers zu erreichen, und kann die Beitragspflicht tragen.

Die Belastung der Betriebe durch die nach dem Gewerbeertrag gestaffelte Beitragspflicht und die Pflichtmitgliedschaft in einer regionalen Industrie- und Handelskammer wiegen nicht sehr schwer. Bundesweit hat sich die Beitragspflicht in den letzten Jahren auch eher verringert als erhöht.

Zudem verleiht die Pflichtmitgliedschaft den Kammerzugehörigen Rechte zur Beteiligung und Mitwirkung an den Kammeraufgaben. Bereits dieser Vorteil aus den Mitgliedschaftsrechten berechtigt zur Erhebung der Kammerumlage.

Die Beitragspflicht auf der Grundlage der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern ist auch mit den Anforderungen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) vereinbar.
Die Wahrnehmung der Aufgaben der IHKn ist hinreichend demokratisch legitimiert. Sie nehmen in einem abgegrenzten Bereich eigenverantwortlich öffentliche Aufgaben wahr, indem sie private Interessen gebündelt zur Geltung bringen, zielen aber nicht auf Eingriffe in Rechte Dritter und mit Ausnahme der Erhebung der Beiträge auch nicht auf Eingriffsbefugnisse zu Lasten der Mitglieder.

Im Übrigen gilt für die Industrie- und Handelskammern auch im Lichte des Demokratieprinzips das Gebot, schutzwürdige Interessen der Verbandsmitglieder nicht willkürlich zu vernachlässigen.

Für weitergehende Informationen:
Pressemitteilung des BVerfG Nr. 67/2017 vom 2. August 2017
Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 12. Juli 2017, 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13

Hinweis:
Dieser Beschluss ist auch für das Handwerk wichtig, denn viele Argumente der Verfassungsrichter zur Rechtfertigung der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in den IHKn sind auf die Pflichtmitgliedschaft in den Handwerkskammern übertragbar.

2017-08-16

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