Digitale Gründer

„Wer in kurzer Zeit mit einem Produkt in den Markt eintreten will, braucht Partner.“

itk Start ups

Foto: BMWi

Brigitte Zypries, Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, hat auf der CeBIT in Hannover die Preisträgerinnen und Preisträger des neuen “Gründerwettbewerb – Digitale Innovationen” ausgezeichnet. Neben einem Startkapital für die eigene Unternehmensgründung erhalten die Preisträger ein abgestimmtes Coaching und Mentoring.

Ein Interview mit Wolfram Groß vom „Gründerwettbewerb – Digitale Innovationen“.

Herr Groß, Sie als Projektleiter des Gründerwettbewerbs des Bundeswirtschaftsministeriums sind ein ausgewiesener Experte für IKT-Start-ups. Welche Trends können Sie momentan bei Gründern und Start-ups in Deutschland beobachten?
Innovative Hardware-Lösungen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Und auch Konzepte für die Industrie, die zum Beispiel mehr Flexibilität in die Produktion bringen wollen. Wir haben mittlerweile sehr viele Einreichungen von Start-ups, die an Lösungen für den Bereich Industrie 4.0 oder das Thema E-Health arbeiten.

Und worin bestehen aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen dabei?
Junge IKT-Unternehmen benötigen Starthilfe, um sich im Markt zu etablieren. Viele Gründer müssen zunächst Hightech-Maschinen und Materialien anschaffen, kompetente Mitarbeiter finden und einstellen –dann ist häufig auch schon das gesamte Startkapital verbraucht. Gleichzeitig werden in Deutschland nach wie vor jedoch nur geringe Summen Wagniskapital zur Verfügung gestellt. Den Start-ups fehlen die Mittel, um ihr Produkt oder Konzept auch tatsächlich in bestehende Wertschöpfungsketten zu integrieren. Auch die Erschließung neuer Märkte für den Export ist ohne ausreichende finanzielle Ressourcen und stabilem Netzwerk schwierig.

Wo stehen wir denn im Hinblick auf das Thema Industrie 4.0 und haben Sie ein paar spannende Start-ups aus diesem Bereich für uns?
Alle deutschen Unternehmen, vor allem auch der Mittelstand, müssen ihre Prozesse digitalisieren, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Immer mehr etablierte Firmen erkennen jetzt die Chancen einer Zusammenarbeit mit Start-ups und öffnen sich den Ideen von jungen und innovativen Unternehmen. Für Start-ups bietet das Thema „Industrie 4.0“ im Moment also exzellente Chancen. Ein Gründerwettbewerbs-Preisträger aus diesem Bereich ist zum Beispiel Dynamic Components aus München. Das Unternehmen bietet eine Komplettlösung an, um Maschinendaten zu erfassen, zu transportieren und zu visualisieren. Oder auch das Start-up ioxp aus Mannheim/Kaiserslautern, das Augmented Reality zur Anleitung von Industrie-Mitarbeitern nutzt. Und Teraki aus Berlin stellt große Datenmengen über eine Cloudlösung in Echtzeit zur Verfügung.

Wie sind wir im IKT-Bereich im internationalen Vergleich aufgestellt?
Wenn es um die Entwicklung neuer Technologien geht, liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf einem der vorderen Plätze. Zahlreiche innovative Start-ups aus dem IKT-Bereich leisten dazu einen substantiellen Beitrag. Anders sieht es beim Aufbau der entsprechenden Infrastrukturen aus. Gerade die sind für die deutschen Technologieunternehmen eigentlich entscheidend, um ihre volle Handlungsfähigkeit aufzubauen. Die jungen Unternehmen benötigen insbesondere Geld und Partner. Doch hier liegt der Standort Deutschland leider nur im Mittelfeld. Hinzu kommt, dass sich der deutsche Mittelstand nur bedingt motiviert zeigt, die Chancen der Digitalisierung anzunehmen.

Stichwort Geschäftsmodell: Welche grundlegenden Ratschläge haben Sie hier für IKT-Gründer?
Wer in kurzer Zeit mit einem Produkt in den Markt eintreten will, braucht Partner. Frühzeitig Partnerschaften aufzubauen kann daher entscheidend sein – egal ob mit potentiellen Kunden, Kooperationspartnern oder Lieferanten. Mit dem Expertenwissen der Partner kann man auch den Weg zur Marktreife erheblich verkürzen.
Bei aller Begeisterung für das eigene Produkt sollten Start-ups jedoch nie den Kunden aus den Augen verlieren. Durch Gespräche mit Vertretern der Zielgruppe kommt man am Ende zu einem Produkt, das der Kunde auch tatsächlich benötigt. Außerdem liefern die Informationen der Zielgruppe eine solide Grundlage für eine Release-Strategie und für die Kundenkommunikation.

Wodurch zeichnen sich valide Geschäftsmodelle im IKT-Bereich aus?
Die Basis ist immer ein gutes Produkt und ein stabiles Partnernetzwerk. Darauf aufbauend werden die Beziehungen zum Kunden aktiv und zielsicher gestaltet. Das sind die Voraussetzungen, um in Bewegung zu bleiben und auch zukünftig innovative Lösungen möglich zu machen. Damit können letztlich auch die Geldgeber überzeugt werden.

Auf der Seite großer Unternehmen besteht seit einiger Zeit ein reges Interesse an Start-ups. Das gilt insbesondere auch für den IKT-Bereich, der vor dem Hintergrund der Digitalisierung als Heilsbringer für viele Konzerne gesehen wird. Wunsch oder Wirklichkeit – wie beurteilen Sie die Start-up-Bemühungen der Konzerne?
Das Interesse der großen Konzerne ist begrüßenswert. Und es ist ja auch nicht verwerflich, dass deren Bemühungen nicht altruistisch motiviert sind – das sehe ich eher positiv. Wichtig ist nur, dass beide Seiten von einer Kooperation profitieren. Die Start-ups nutzen dabei die Erfahrungen ihres Partners und erhalten Hilfe bei der Erschließung neuer Märkte. Möglicherweise bekommen sie sogar Zugriff auf Ressourcen, die sie sich sonst kaum leisten könnten. Der Konzern wiederum wird zum Nutznießer der Flexibilität und Dynamik des Start-ups – denn nur dadurch wird die Entwicklung innovativer Lösungen möglich. Ein großes, etabliertes Unternehmen kann eine solche Umgebung gar nicht reproduzieren. Nun erhält es Zugriff auf innovative Ideen, die zudem unkompliziert erprobt werden können.

Bevor größere Finanzierungsrunden angestrebt werden können, muss der Proof of Concept oder wenigstens ein Prototyp her. Welches Vorgehen empfehlen Sie Start-ups in dieser Phase?
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, den Weg zum Prototyp oder zumindest zum Proof of Concept abzusichern. Eine davon ist der „Gründerwettbewerb – Digitale Innovationen“. Wir bieten für alle Gründungsinteressierten die Möglichkeit, die eigene Idee auf den Prüfstand zu stellen. Funktioniert das Konzept, kann es mit Hilfe von Preisgeld und Coaching-Angeboten zur Reife geführt werden. Die Preisträger profitieren zudem von der öffentlichen Aufmerksamkeit, die eine erfolgreiche Teilnahme nach sich zieht. Denn die Bereitschaft, das Start-up näher zu betrachten und Kontakt aufzunehmen, nimmt bei potentiellen Geldgebern, aber auch auf Kundenseite spürbar zu.
Es gibt aber zum Beispiel auch zahlreiche Businessplanwettbewerbe, die bundesweit oder regional ausgeschrieben werden. Eine gute Orientierung bietet der jährliche Wettbewerbsleitfaden von für-gründer.de.

Welche Bewertungsmaßstäbe werden bei IKT-Geschäftsmodellen nach Early-Stage-Finanzierungen aktuell angelegt?
In vielen Fällen suchen Geldgeber immer noch nach Start-ups, die überproportional wachsen und in kurzer Zeit eine möglichst hohe Rendite bieten. Das typische Technologie-Start-up kann diese Wünsche aber oftmals nicht erfüllen. In der Regel zeichnen sich Start-ups aus der Tech-Branche durch ein organisches, dafür aber sehr stabiles Wachstum aus. Viele bewegen sich in einer Nische mit nachvollziehbar langfristigem, aber nicht extrem skalierendem Bedarf. Das macht einige dieser jungen Unternehmen für Investoren uninteressant. Dementsprechend schwer haben sie es daher, die benötigten Mittel zu akquirieren.

Gründerinnen sind im IKT-Bereich sehr spärlich vertreten. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Und haben Sie ein paar Beispiele für Start-ups, die andere Gründerinnen motivieren können?
Ein Grund für die niedrige Zahl der Gründerinnen ist der immer noch geringe Anteil weiblicher Studenten in den MINT-Fächern. Doch hier besteht Hoffnung: Denn die Zahl der MINT-Studentinnen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Entscheiden sich diese Studentinnen zu gründen, profitiert die gesamte IKT-Branche enorm.
Grundsätzlich gelten Gründerinnen bei der Gründungsplanung als vorsichtiger. Oftmals starten sie als Einzelgründerin und bauen erst dann ein Team auf, wenn es eine klare Erfolgsperspektive gibt. Statistiken zeigen, dass obwohl Frauen seltener ein Unternehmen aufbauen und meist länger dafür brauchen, sie in der Regel langfristig erfolgreicher sind. Im Krisenjahr 2009 beispielsweise wiesen Start-ups, die von Frauen gegründet wurden, zwar negative Wachstumsraten auf, doch sie hatten weniger Umsatzeinbußen als Unternehmen von Männern. Leider halten viele Geldgeber solch eher defensive Konzepte oft für uninteressant.Erfolgreiche Gründerinnen, die am Gründerwettbewerb teilgenommen haben, sind beispielsweise Catharina van Delden von Innosabi  oder Lenka Ivantysynova von Asaphus Vision. Innosabi entwickelte eine Software und Online-Plattform, mit denen Unternehmen ihren Entwicklungsprozess per Crowdsourcing für andere öffnen können. Asaphus Vision brachte eine Gesichtserkennungssoftware auf den Markt, die Autofahrer identifiziert und anhand der Gesichtsaufnahmen feststellt, ob diese fahrtauglich sind.

Herr Groß, abschließend noch drei Tipps an Gründer, die sie zum Anfang ihrer Unternehmerlaufbahn unbedingt berücksichtigen sollten?
Erstens ist es wichtig, mit vielen Leuten zu reden und die eigene Gründungsidee breit zu kommunizieren. Das Feedback hilft, das Produkt und das Unternehmen effizient und erfolgsversprechend weiterzuentwickeln. Der zweite Punkt betrifft das Team: Die Teammitglieder sollten sich gegenseitig ergänzen und in der Lage sein, gemeinsam ein Produkt zu entwickeln und an den Markt zu bringen. Drittens: Auf eine solide Planung muss großer Wert gelegt werden! Immer wieder sollte das eigene Konzept überprüft und angepasst werden. Keine Scheu vor Strategiewechseln, wenn diese sich als notwendig erweisen!

Weitere Informationen sowie die Kurzporträts aller Gewinner finden Sie unter www.gruenderwettbewerb.de.

Dieses Interview ist im März 2017 auf www.fuer-gruender.de erschienen.

03/22/2017

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