Geltendmachung des Mindestlohnes durch den Arbeitnehmer ist kein Kündigungsgrund., Arbeitszeiterhöhung

Entscheidungen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen. Es gilt in seinem arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6–18) für Arbeitnehmer und Auszubildende der Privatwirtschaft, aber auch für Stellenbewerber.

Nachfolgend zwei aktuell veröffentlichte Entscheidungen mit Hinweisen für die betriebliche Praxis.

– Diskriminierung nach dem AGG bei fehlender objektiver Eignung des Bewerbers

Beschäftigte dürfen nach § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht wegen ihrer Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität rechtswidrig benachteiligt werden.
Dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen einer dieser Gründe bei der Benachteiligung nur annimmt.
Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Wird ein Bewerber rechtswidrig diskriminiert, darf die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

In der Vergangenheit konnte nach Ansicht des BAG eine solche rechtswidrige Diskriminierung durch den möglichen Arbeitgeber bei einem Bewerber nicht eintreten, wenn der Bewerber die für die ausgeschriebene Stelle notwendige objektive Eignung nicht besaß.
Diese Rechtsprechung hat das BAG in einem Urteil vom 19.05.2016 (8 AZR 470/14)nun ausdrücklich aufgegeben. Die „objektive” Eignung des Bewerbers ist nicht mehr Voraussetzung für einen Anspruch nach § 15 AGG.

Das Gericht stärkt dadurch die Rechte für Diskriminierungskläger.

In einer weiteren Entscheidung vom selben Tag (BAG vom 19.05.2016 – 8 AZR 477/14) stellt das Gericht allerdings auch fest, dass der für eine rechtswidrige Diskriminierung erforderliche Ursachenzusammenhang dann nicht gegeben ist, wenn zwar eine benachteiligende Behandlung durch den Arbeitgeber vorliegt, der Arbeitnehmer aber eine zulässigerweise gestellte Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt.
Dazu ist nur notwendig, dass die Anforderung in der Stellenbeschreibung „ihren Anklang” gefunden hat.

Der Praxis ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, die Anforderungen, die ein Bewerber erfüllen muss, ausdrücklich zu bestimmen und sie dann auch einzuhalten. Es ist nämlich Sache des Arbeitgebers, im Streitfall zu beweisen, dass die Anforderungen nicht nur vorgeschoben waren.

– Geschlechtsbezogene Diskriminierung wegen ungleicher Entlohnung

Wer eine Frau schlechter bezahlt als die männlichen Kollegen, muss den Lohn noch zehn Jahre später ausgleichen.

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber einer Produktionsmitarbeiterin in seiner Schuhfabrik bei gleicher Arbeit jahrelang nur 8,45 € gezahlt, wohingegen die männlichen Kollegen 9,56 € erhielten. Später änderte er dies auf 8,61 € gegenüber 9,66 €.

Sie klagte die Differenz vor dem Arbeitsgericht ein (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.01.2016 – 4 Sa 616/14).

Das Gericht erkannte eine geschlechtsbezogene Diskriminierung der Frau.
Es verurteilte den Arbeitgeber dazu, Arbeitslohn, Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von insgesamt 13.374,94 € nachzuzahlen.
Die niedrigere Entlohnung beruhe unstreitig auf dem Geschlecht, so das Gericht, und sei daher eine ungerechte, geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung.
Die Frau habe einen Anspruch, der erst in zehn Jahren verjähre, also gelte er hier noch.

2017-01-20

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