Mindestlohn – Belastung für junge Unternehmen stärker als erwartet

Junge Unternehmen sind von der seit Anfang 2015 in Deutschland geltenden Regelungen zum Mindestlohn stärker betroffen, als von ihnen ursprünglich erwartet.

Neben der Notwendigkeit, für eine Reihe von Mitarbeitern/-innen die Löhne anheben zu müssen, sind es vor allem zusätzliche Bürokratie wie Berichtspflichten und Nachweise von Stundenaufschrieben sowie die geringere Flexibilität bei Bezahlungsmodellen, die die jungen Unternehmen belasten. Dies kann zu negativen Konsequenzen für die Unternehmen führen. Das ist ein zentrales Ergebnis der Befragung junger Unternehmen im Rahmen des Mannheimer Gründungspanels des ZEW.

Die Forschung zu Unternehmensgründungen zeigt, dass junge Unternehmen – im Vergleich zu etablierten Unternehmen – oft niedrigere Löhne zahlen. Das liegt daran, dass die Geschäftsmodelle junger Unternehmen häufig noch nicht etabliert und Umsätze deshalb schwer planbar sind. Auch ist ihre finanzielle Basis oft noch nicht gefestigt genug um Umsatzschwankungen auszugleichen. Insofern kann erwartet werden, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns junge Unternehmen mehr tangiert als ältere.

Mit Blick auf die konkreten Auswirkungen des Mindestlohns gab es offensichtlich Fehleinschätzungen: Junge Unternehmen waren zu optimistisch.
So erwarteten vor der Einführung des Mindestlohns elf Prozent der befragten Unternehmen, dass diese Regelung sie betreffen werde.
Nach der Einführung gaben dann allerdings 28 Prozent an, tatsächlich von den Regelungen zum Mindestlohn  betroffen zu sein.
Rund 20 Prozent mussten Lohnanpassungen vornehmen und knapp zehn Prozent gaben an, durch bürokratischen Aufwand wie Berichtspflichten oder Nachweise von Stundenaufschrieben belastet zu sein.Besonders häufig erwähnt wird von den Unternehmen nun Schwierigkeiten bei der Einstellung von Praktikanten/-innen sowie studentischen und anderen Hilfskräften zu haben.

Folgen des Mindestlohns unterschätzt

Die unterschiedlichen Befragungsergebnisse vor und nach der Einführung des Mindestlohns zeigen, dass anscheinend viele junge Unternehmen über die Konsequenzen dieser Neuregelung nicht ausreichend informiert waren beziehungsweise deren konkrete Auswirkungen auf flexible Entlohnungsmodelle bei Aushilfskräften wohl unterschätzt hatten. Besonders junge Unternehmen, die im Bereich von Aushilfskräften flexible Entlohnungsmodelle nutzen, haben erst nach der Einführung festgestellt, wie sich die Mindestlohnregelung konkret im Geschäftsablauf auswirkt.

Auswirkungen des Mindestlohns

Der höhere bürokratische Aufwand und die nun vorgeschriebene Lohnuntergrenze (Mindestlohn) werden für die Entwicklung junger Unternehmen nicht ohne Folgen bleiben. Zum einen verfügen junge Unternehmen meist noch über keine spezialisierten Personalabteilungen, die sich mit der konkreten Umsetzung bestehender Berichtspflichten auskennen. Daher werden hierfür Ressourcen der Unternehmensgründer gebunden, die ansonsten in die Weiterentwicklung des Unternehmens geflossen wären. Dabei sind eben auch die jungen Unternehmen betroffen, die ohnehin Löhne über Mindestlohn zahlen. Auch bei ihnen binden die bürokratischen Erfordernisse der Berichtspflichten Ressourcen und Zeitkapazitäten.

Zum anderen sind flexible, erfolgsabhängige Entlohnungsmodelle gerade für junge Unternehmen besonders wichtig, weil ihre Umsätze oft noch stark schwanken.
Die mit der Mindestlohneinführung einhergehende Einschränkung dieser Flexibilität kann zu größerer Vorsicht und Zurückhaltung bei der Umsetzung von Wachstumsplänen führen. Und dies gerade bei Unternehmen, von denen sich die Wirtschaftspolitik besonderen Schub für die langfristige ökonomische Entwicklung in Deutschland erhofft.

Um die konkreten Wirkungen des Mindestlohns abzuschätzen, ist allerdings ein Vergleich der langfristigen Entwicklung des Überlebens und Wachstums von Unternehmensgründungen vor und nach der Einführung des Mindestlohns nötig. Für fundierte Bewertungen – in welche Richtung auch immer – ist es allerdings noch zu früh.

Mannheimer Gründungspanel, Herbst 2016

Hintergrund und Grundlagen der Befragung

In Deutschland existierte vormals kein Datensatz, der es ermöglicht hätte, Gründungen nicht nur auf Jahresbasis sondern kontinuierlich auch über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg zu beobachten. Das ZEW, die KfW Bankengruppe und der Verband der Vereine Creditreform haben deshalb beim Aufbau eines Gründungspanels für Deutschland kooperiert: Die Gesamtlaufzeit des sogenannten KfW/ZEW-Gründungspanels war von 2008 bis 2014 auf sechs Jahre angelegt mit dem Ziel, einen Datensatz mit Angaben zu jungen Unternehmen zu generieren, der die Anwendung panelökonometrischer Methoden zur adäquaten Modellierung der individuellen Heterogenität von Unternehmen erlaubt.

In der Befragungsrunde 2015 des aktuellen Mannheimer Gründungspanels wurden rund 5.000 Unternehmen der Gründungskohorten 2011 bis 2014 in Deutschland telefonisch befragt. Die Ergebnisse der Befragung wurden dann für diesen Zeitraum auf die Grundgesamtheit der rund 313.700 Gründungen in den vom Mannheimer Gründungspanel abgedeckten Branchen hochgerechnet.

Um zu erfahren, wie sich die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 auf die jungen Unternehmen mit angestellten Mitarbeitern/-innen ausgewirkt hat, wurden diese Unternehmen etwa ein halbes Jahr vor und dann erneut ein halbes Jahr nach der Einführung des Mindestlohns dazu befragt. Die Bruttostichprobe des Panels wird aus den Daten des Mannheimer Unternehmenspanels (MUP) gezogen und umfasst Hightech und NichtHightech-Unternehmen.

Quelle: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW)

2017-01-03

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