Vorsteuerabzug: EuGH hält rückwirkende Rechnungsberichtigung für zulässig

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist es möglich, fehlerhafte Rechnungen auch rückwirkend zu berichtigen. Damit kann der Vorsteuerabzug gerettet und eine Verzinsung vermieden werden.

Wird der Vorsteuerabzug in einer Betriebsprüfung wegen einer unvollständigen Rechnung versagt, kann dies mitunter zu hohen Nachzahlungszinsen führen.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann der Vorsteuerabzug bei Rechnungsberichtigungen nämlich erst zu dem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt und die zu berichtigenden Angaben an den Rechnungsempfänger übermittelt hat.

Aktuell hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung in diesem Zusammenhang präzisiert:
Nach der in Bezug genommenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15.09.2016 (Rs. C-518/14) können demnach Rechnungen mit Rückwirkung auf den ursprünglichen Ausstellungszeitpunkt berichtigt werden. Durch die deutsche Handhabung wird die Neutralität der Umsatzsteuer eingeschränkt.

Zum Fall:

In dem vom EuGH entschiedenen Streitfall stellte das Finanzamt im Rahmen einer Prüfung fest, dass den von der deutschen Firma ausgestellten Gutschriften die Umsatzsteuernummer bzw. die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Gutschriftempfängers fehlten. Folge war, dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug kürzte und deshalb zudem Nachzahlungszinsen drohten.
Die Firma legte aber noch vor Ablauf der Prüfung berichtigte Gutschriften vor.

Das Finanzamt hielt jedoch trotzdem an der Kürzung der Vorsteuer fest, weil die formell richtigen Rechnungen erst in späteren Jahren den Vorsteuerabzug ermöglichen.

Das sah der EuGH völlig anders: In enmtschiedenen Fall war eine rückwirkende Rechnungsberichtigung zulässig.
Das Gericht geht davon aus, “dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt hat…”
Hinzu kam, dass die klagende Firma “zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausübte, über Rechnungen verfügte und die Mehrwertsteuer gezahlt hatte”.

Hinweise:

Der Europäische Gerichtshof hält die Verzinsung zwar für unangemessen. Die Mitgliedstaaten sind aber befugt, Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der formellen Bedingungen für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts vorzusehen – etwa die Auferlegung einer Geldbuße oder einer finanziellen Sanktion, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.

Zudem gibt es immer noch offene Fragen, z. B.:
– Welche Mindestanforderungen sind an eine Rechnung zu stellen sind, damit diese rückwirkend berichtigt werden kann?
– Bis zu welchem Zeitpunkt muss eine Rechnung korrigiert werden, um Rückwirkung entfalten zu können?

Tipp:

Noch sind die Finanzämter angewiesen, die rückwirkende Rechnungsberichtigung abzulehnen. Tritt ein solcher Fall ein, sollte das Unternehmen gegen Steuernachforderungen sowie gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a Abgabenordnung Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen.
Es muss abgewartet werden, wie die Oberste Finanzverwaltung auf die Entscheidung des EuGH reagiert.

2016-12-05

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