Auch im Online- und Versandhandel kann man die Waren nur so weit ausprobieren, wie es in einem Ladengeschäft möglich wäre.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 55/15) mit der Frage befasst, ob ein Verbraucher, der einen im Onlinehandel erworbenen Katalysator in sein Fahrzeug einbaut und anschließend eine Probefahrt unternimmt, nach dem daraufhin erfolgten Widerruf seiner Kauferklärung verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlechterung zu leisten.
Hintergrund:
Auslöser der Entscheidung war ein Fall aus dem Jahr 2012:
Ein Kunde bestellte bei einem Onlineshop für Kfz-Zubehör einen Katalysator für sein Fahrzeug, der nach Herstellerangaben für den Typ seines Autos passend war. Er ließ den Katalysator von einer Fachwerkstatt in sein Fahrzeug einbauen, stellte dann aber bei einer Probefahrt fest, dass die Leistung des Fahrzeugs reduziert war. Daraufhin erklärte er noch innerhalb der Widerrufsfrist den Widerruf vom Kaufvertrag, schickte den Katalysator an den Händler zurück und bat um die Rücküberweisung des Kaufpreises.
Da der Katalysator deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, erklärte der Händler die Aufrechnung mit seinem Wertersatzanspruch wegen des übermäßigen Gebrauchs der Ware im Rahmen des Widerrufsrechts und lehnte die Rückerstattung des Kaufpreises ab.
Während das Amtsgericht Berlin-Lichtenberg einen Wertersatzanspruch des Verkäufers abgelehnt hatte, sah das Landgericht einen Wertersatzanspruch des Händlers als gegeben an.
Entscheidung des BGH:
Der BGH stellte im Rahmen der Revision fest, dass dem Verkäufer gegen den Käufer ein Anspruch auf Wertersatz zustehe, sofern dieser den Käufer vorab wirksam über die Wertersatzpflicht belehrt habe, da der Käufer den Katalysator über die im Rahmen des Widerrufsrechts zulässige Prüfung von Eigenschaften und Funktion hinaus genutzt hatte.
Nach der Entscheidung des BGH war der Käufer zwar zur Prüfung der Ware berechtigt, dieses Prüfungsrecht müsse sich jedoch an dem orientieren, was dem Kunden auch im Ladengeschäft möglich sei.
Im stationären Handel sei jedoch unter keinen Umständen die Möglichkeit einer Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Katalysators auf die Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis gegeben.
Eine derartige Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel sei – so der BGH – weder vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt.
Aus diesen Gründen hat der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Grenzen des ihm wertersatzfrei zuzubilligenden Prüfungsrechts überschritten hat. Jedoch fehlen bislang Feststellungen dazu, ob der Kläger bereits bei Vertragsschluss – was das Gesetz in § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF für einen Wertersatzanspruch des Verkäufers voraussetzte – spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die Rechtsfolge einer möglichen Wertersatzverpflichtung hingewiesen worden war.
Bewertung:
Die Entscheidung des BGH zieht hier eine erfreulich deutliche Grenze und orientiert diese klar am gesetzgeberischen Zweck des Widerrufsrechts:
Beabsichtigt war eine Regelung, die ausgleicht, dass der Verbraucher die Ware erst nach dem Kauf ansehen kann. Aus diesem Grund wurde ihm eine zusätzliche Frist nach Erhalt der Ware zugestanden, innerhalb derer er sich noch vom Kauf lösen kann. Nie jedoch sollte eine Phase geschaffen werden, in der der Käufer die Ware kostenlos ausprobieren und nutzen kann.
„Wir begrüßen das Urteil des BGH, da es für den Käufer deutlich macht, dass er auch im Online- und Versandhandel die Waren nur so weit ausprobieren kann, wie ihm dies im Ladengeschäft möglich wäre“, betont Stephanie Schmidt, Justiziarin beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. (bevh).„Diese Entscheidung schafft Rechtsklarheit für Verbraucher und Händler und wirkt dem Missbrauch des Widerrufsrechts im Onlinehandel deutlich entgegen“, so Schmidt.
Quellen:
BGH (Entscheidung vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 55/15)
Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V.
2016-11-10