Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Einheit des Verhinderungsfalls

Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er nach § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

Wird der Arbeitnehmer nach wiederhergestellter Arbeitsunfähigkeit erneut krankheitsbedingt arbeitsunfähig, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, entsteht nach dieser Vorschrift grundsätzlich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht.

Von diesem Grundsatz stellt die sogenannte Einheit des Verhinderungsfalls eine wichtige Ausnahme dar:

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen.
Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt.

Letzteres ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit unabhängig von der eventuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertages bescheinigen wird.

Der Arbeitnehmer trägt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016  (5 AZR 318/15)  das Risiko, nicht mehr feststellen zu können, ob Arbeitsunfähigkeit infolge einer bestimmten Krankheit erst ab dem vom behandelnden Arzt attestierten Zeitpunkt bestanden oder schon während einer unmittelbar vorangehenden sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit eingetreten ist.
Er ist nicht nur für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig, ihn trifft auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast. Für die Darlegung und den Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer sich zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen.

Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat, und zu einer Krankheit, während derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend sechs Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der „neuen” krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen. Dafür kann er sich auf das Zeugnis des ihm behandelnden Arztes berufen.

Tipp:

Arbeitgeber sollten aufgrund dieser neuen Entscheidung des BAG das Vorliegen von Indizien prüfen, die darauf hindeuten, dass eine „neue” Arbeitsunfähigkeit bereits während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit begonnen hat, wenn die zweite Arbeitsunfähigkeit aufgrund der vorliegenden Bescheinigung nahtlos an die erste Arbeitsunfähigkeit anschließt.

2016-10-08

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