Aus Stammkundin wird Nachfolgerin

Catleen Reimer braucht man nicht zu fragen, ob sie sich wieder selbstständig machen würde. Die einstige Sozialpädagogin hat in Neubrandenburg ein Handarbeitsgeschäft übernommen und ist nach nur zwei Monaten rundum glücklich und zufrieden: „Ich stehe jeden Tag erst um halb neun auf, schlendere dann zum Bäcker und weiter zum Laden. Hier kann ich den ganzen Tag das tun, was ich am liebsten tue: Stricken, häkeln, Kunden beraten und in kleinen Abendkursen Handarbeitstechniken lehren.“

Foto: Grit Gehlen

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Es ist punkt 10 Uhr. Catleen Reimer hat ihren handmade Laden in Neubrandenburgs Innenstadt vor wenigen Minuten aufgeschlossen. Jetzt häkelt sie entspannt lächelnd in einer einladend eingerichteten Sitzecke hinterm Kassentresen. Eine Kundin hat ein türkisfarbenes Baby-Schnuffeltuch bestellt. „Nur noch wenige Maschen, dann ist es fertig.“, erklärt Catleen Reimer. Seit Mitte April ist die 32-Jährige ihre eigene Chefin in einem Laden in dem sie sonst Stammkundin war und für guten Umsatz sorgte. „Ich bin ein Woll-Junkie“, sagt sie lachend.

„Die einstige Inhaberin hat mich vor etwa zwei Jahren angesprochen, ob ich das Geschäft weiterführen möchte. Aber damals habe ich das gar nicht so ernst genommen und mit meinen Freundinnen noch rumgeblödelt, was man hier am Standort so alles auf die Beine stellen könnte.“ Beim Rumblödeln blieb es erst mal.

Foto: Grit Gehlen

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Im Frühjahr 2015 sprach die Inhaberin sie wieder an. „Sie erzählte mir, dass sie zum Jahresende in Rente gehen will. Wir haben uns dann kurzentschlossen verabredet, damit ich mehr erfahren kann und wir uns in Ruhe unterhalten können. Man hat ja doch viele Fragen zu Umsatz, Kundenzulauf, Herausforderungen und Hürden.“
Zu diesem Zeitpunkt steckte die Jungunternehmerin mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen. Sich nebenbei noch um den Start in die Selbstständigkeit zu kümmern, dafür war eigentlich keine Zeit. Doch mit jedem Gespräch über das Angebot im Freundes- und Familienkreis wuchs der Traum vom eigenen Handarbeitsladen.
Catleen Reimer begann im Internet zu recherchieren. Schnell war klar: “Ich brauche einen Unternehmensberater, der mir professionell hilft.“ Den fand sie auf einem Vermittlungsportal. Doch die Chemie stimmte beim ersten Treffen nicht. Kurzentschlossen suchte sich Catleen Reimer den nächsten.

Foto: Grit Gehlen

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„Herr Finke ist ein Glücksgriff“, sagt die Jungunternehmerin dankbar. „Er kann zwar nicht stricken und häkeln, hat von Wolle, Knopflochseide und Garnen keine Ahnung, aber er kennt sich bestens mit Zahlen aus und hat mir immer alles auf einem großen Flipchart bis in kleinste Detail erklärt.“ Keine Frage sei ihm zu dumm oder nervig gewesen. „Zusammen haben wir meinen Businessplan geschrieben und einen Kreditantrag gestellt. Herr Finke ist mit mir zu den Verhandlungen bei der Sparkasse gegangen und hat mir immer wieder Hausaufgaben aufgegeben.“

Foto: Grit Gehlen

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Catleen Reimer legt das Häkelzeug zur Seite. Eine Kundin betritt den Laden. Sie sucht Stricknadeln in Stärke fünf. Kaum sitzt die 32-Jährige wieder fragt die nächste Kundin nach Klettband. Die dritte Kundin an diesem Vormittag braucht Schulterpolster und sagt beim Bezahlen: „Irgendwie alles anders hier. So hell und freundlich. Umgeräumt haben Sie auch?“ Catleen Reimer freut sich sichtlich: „Ja, ich habe den Laden von Frau Aßmann übernommen, renoviert und einige neue Marken und Angebote eingeführt. Eine kleine Auswahl an Bändern, Borten und Stoffen zum Beispiel und die Handarbeitskurse sind auch neu.“

Immer donnerstags führt Catleen Reimer gegen eine kleine Kursgebühr zweistündige Workshops für bis zu sechs Personen durch. Der Kursplan liest sich exotisch: Knooging für Anfänger, Tunesisch Häkeln oder Amigurumi sind beispielsweise im Angebot. Die Kurse sind gut gebucht, obwohl die Jungunternehmerin bisher nur in ihrem Laden dafür wirbt.
„Die Internetseite muss noch warten, weil ein professioneller Auftritt einiges kostet. Aber eine Facebook-Seite wird es bald geben“, verspricht Catleen Reimer. So ein Auftritt ist vor allem für die jüngere Kundschaft wichtig. Hier wird sich ausgetauscht, nachgefragt, werden Handarbeitsprojekte per Foto stolz herumgezeigt und Empfehlungen gegeben. Catleen Reimer weiß das, tut sich aber mit dem Thema Facebook schwer und hat deswegen eine Freundin um Hilfe gebeten.

Foto: Grit Gehlen

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„Mein Marketingbudget habe ich in ansprechende Flyer, ein Logo und mein Ladenschild gesteckt. Jetzt wird Geld angespart und nach und nach weiter investiert.“

Das mit dem Ansparen sollte klappen: Ein Mann um die 70 betritt den Laden. Er sucht breites Gummiband für seine Turnhose. Die Ehefrau und ein weiteres Ehepaar folgen, sehen sich aufmerksam um und freuen sich, „dass es sowas wie hier noch gibt.“ Eine nächste Kundin bewundert lautstark die neuen Woll-Marken und schwelgt schon in Träumen, was man davon alles stricken kann. Aber erst will sie ihre Reste verarbeiten und auch für Catleen Reimer etwas stricken. „Hausschuhe in Fliegenpilzoptik vielleicht?“, fragt sie die überraschte Gründerin, die sonst nur für andere strickt und häkelt.

Foto: Grit Gehlen

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Es ist Mittagszeit. Der Boulevard gleich um die Ecke wirkt jetzt etwas belebter. „Ich hatte auch schon zwei schlechte Tage mit wenig Kundschaft. Aber das macht nichts, dann schaffe ich mehr Auftragsarbeiten. Zu tun habe ich immer.“, sagt Catleen Reimer entspannt. Man glaubt ihr auch auf Anhieb, dass sie wegen ihrer Existenzgründung nie schlaflose Nächte hatte. „Als Sozialpädagogin hört man zwangsläufig von vielen zerplatzten Träumen und gescheiterten Plänen. Das war oft schwer zu ertragen. Deswegen habe ich leichten Herzens meinen festen Job gekündigt und von Anfang an damit gerechnet, dass das Arbeitsamt mich nicht mit dem Gründungszuschuss unterstützt. Denn ich gelte als vermittelbar.“
Aber das war der Gründerin egal: „So entspannt wie jetzt, war ich noch nie auf Arbeit.“

Grit Gehlen

27.6.2016

Kontakt:
handmade
Wartlaustraße 14
17033 Neubrandenburg
Tel: 0395 – 36 15 14 36
E-Mail: handmade@web.de

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