Den besten Kaffee auf Rügen gibt es laut eines Eintrags beim Bewertungsportal Tripadvisor in Prora. Tino Springer und seine Ehefrau Anja haben hier vor einem Jahr ihren Coffeeshop „Strandläufer“ eröffnet. Sie bieten Kaffeespezialitäten, Kuchen und einen kleinen Imbiss an. Alles hausgemacht. Es läuft besser als erwartet – und das trotz der vielen Baustellen rechts und links im einstigen „Kraft durch Freude“-Komplex der Nationalsozialisten.
Es ist ein Montagvormittag im Mai, kurz vor elf Uhr. Auf der Terrasse im Café „Strandläufer“ sind fast alle Plätze besetzt. Tino und Anja Springer flitzen zwischen Tresen und Tischen hin und her. Zeit für ein gemütliches Interview ist nicht. Also wird sich im Vorbeigehen unterhalten. Einige Gäste hören interessiert zu. Anja Springer schmunzelt: „Toll, dass das so unkompliziert klappt.“
Die 36-Jährige und ihr Ehemann haben viele Jahre in der gehobenen Gastronomie gearbeitet und bundesweit und auch im Ausland Berufserfahrung gesammelt. Als sich vor fünf Jahren das erste Kind anmeldete beschloss das Paar, zurück in die Heimat zu gehen. Nun wohnen sie in Binz in der Nähe von Anja Springers Eltern.
Arbeit auf der Insel zu finden war nicht schwer. Doch schnell wuchs der Wunsch, etwas Eigenes aufzubauen und Ideen und Wünsche zu verwirklichen.
„Es sollte ein Tageskonzept werden, damit wir uns abends um unsere mittlerweile zwei Kinder kümmern können und regelmäßig zu Hause sind“, erklärt Tino Springer, als er doch mal wenige Minuten im Sessel sitzt. Bei der Suche nach einer Gewerbeimmobilie wurde das Paar durch einen Bekannten auf Prora aufmerksam. Hier suchte der Vorbesitzer, ein Smoothie-Anbieter, nach nur einem Geschäftsjahr einen Nachfolger. „Unser Vorgänger hatte sicher ein gutes Konzept, aber es am falschen Ort umgesetzt“, fasst es der erfahrene Gastronom kurz und bündig zusammen.
„Wir planten, einen Coffeeshop mit Kaffeespezialitäten aus besten Zutaten zu eröffnen. Dafür brauchten wir nur einen kleinen Gastraum, aber eine große Terrasse. Coffeeshop-Gäste sitzen gern draußen und das nicht nur im Hochsommer“, weiß Tino Springer.
Auch die Inneneinrichtung, die bunt gemischt wirkt, haben er und seine Frau genau geplant. Coffeeshops haben Kunden in allen Altersgruppen. Es gibt eine gemütliche Sofaecke, Barhocker, einen runden Tisch mit bequemen Stühlen und eine Sitzecke mit Bänken. Doch am beliebtesten sind die Strandkörbe auf der Terrasse.
Tino Springer geht zur Tür und guckt kurz in die Runde. Er räumt Teller und Tassen ab, fragt lächelnd, ob es noch etwas sein dürfe. Seine Frau kassiert am Nebentisch und freut sich, dass eine Kundin den Kuchen so lobt. „Wir backen jeden Tag frisch. Der letzte Kuchen kommt gegen 13 Uhr aus dem Ofen. Die Gäste sind immer total entzückt, wenn der Käsekuchen noch lauwarm ist.“
Es gibt auch ein kleines hausgemachtes Imbissangebot ohne viel Schnickschnack, aber immer mit frischen Zutaten: Suppen, Sandwich und gegrilltes Ciabatta. Das Selbermachen ist für die Springers auch deshalb wichtig, weil immer mehr Kunden nach Inhaltsstoffen fragen.
Doch das Hauptaugenmerk im Coffeeshop „Strandläufer“ liegt auf den Kaffee- und Teespezialitäten. Ein sündhaft teurer, chromblitzender Kaffeeautomat mit Siebträger, gefertigt in Italien, steht auf dem Tresen. Auf der Terrasse wächst marokkanische Minze für den Tee, die Kaffeespezialitäten werden aus hochwertigen Arabicabohnen hergestellt. Die Bohnen sind selbstverständlich keine industrielle Massenware.
Qualität setzt sich immer durch und spricht sich rum, ist Tino Springer überzeugt. Und die Einträge auf Facebook und Tripadvisor geben ihm Recht. Auch der Service wird dort sehr gelobt. „Ich staune immer wieder, wenn mir Gäste erzählen, dass sie uns besuchen, weil wir im Internet empfohlen werden.“, sagt Anja Springer. „Ich selbst nutze solche Bewertungsportale privat eher nicht, sondern gehe lieber spontan dort essen, wo es nett aussieht. Allerdings kann das Ambiente täuschen, habe ich kürzlich selbst festgestellt. Bewertungen sind also doch recht hilfreich.“
Auf der Terrasse verabschieden sich immer mehr Gäste. Es wird ruhiger. Anja Springer schnappt sich ihren zehn Monate alten Sohn, der sich bisher mit der Oma im Strandkorb vergnügte. „Max hat Hunger und muss ins Bett. Ich schau am Nachmittag noch mal rein, wenn sich unsere Stammgäste, die hier eine Ferienwohnung haben, bei Kaffee und Kuchen verabschieden wollen“, sagt sie und ist ruckzuck verschwunden.
Jetzt ist kein einziger Gast mehr da. Kurze Verschnaufpause. Tino Springer steht in der Tür zur Terrasse. Insgesamt gibt es im „Strandläufer“ um die 60 Plätze, die meisten draußen. Auf die Frage nach Fördermitteln und Finanzierungsproblemen schmunzelt der 44-Jährige. „Ich wollte keine Zeit mit dem Schreiben von Anträgen vergeuden, sondern schnellstmöglich loslegen. Wir haben in das Café unser Erspartes gesteckt, das hat gereicht.“ Und auch schlaflose Nächte, von denen viele Gründer immer wieder erzählen, kennt Tino Springer nicht. Das liegt aber nicht nur an dem großen Selbstvertrauen, das er von Anfang hatte, sondern auch an der vielen Arbeit in den ersten Monaten. „Ich habe tagsüber mit meiner Frau und unserer Angestellten hier in unserem Café gearbeitet und bin abends zur Spätschicht ins Hotel gefahren, wo ich sicherheitshalber noch nicht gekündigt hatte.“
Tino Springer denkt kurz nach bei der Frage, ob er wieder mit dieser Doppelbelastung in die Selbstständigkeit starten würde: „Das waren 20 Stunden Arbeitstage. Rückblickend unfassbar, was ich da gleistet habe. Oder!?…Aber vermutlich würde ich es wieder so machen, um mir schlaflose Nächte zu ersparen.“
Ein Ausflugsbus bringt die nächsten Touristen nach Prora. Die ersten Gäste suchen sich auf der Terrasse ein windgeschütztes Plätzchen. Jetzt geht es wieder Schlag auf Schlag und Tino Springer muss den Ansturm alleine bewältigen. Er winkt ab: „Wir sind durch unsere Ausbildung und Berufserfahrung bestens organisiert. Das ist auch etwas, was vielen Quereinsteigern total fehlt und zum Scheitern führen kann.“
Zudem müsse man als Unternehmer jeden Tag wahnsinnig viele Entscheidungen treffen – mal kleine, mal große und oft habe man nicht viel Zeit zum Nachdenken. Wer dann Entscheidungen trifft, zu denen er später nicht stehen kann, verliert Kunden und Geschäftspartner. Verbindlichkeit sei als Unternehmer sehr, sehr wichtig.
Wichtig sei auch, sich an seinem Erfolg zu erfreuen. Die Springers haben sich abgewöhnt darüber nachzudenken, was sie nicht haben. Freie Wochenenden, Samstagabende in Familie vorm Fernseher oder Sommerurlaub gehörten von Anfang an in ihrer Branche nicht dazu.
Dafür lebt das Ehepaar seinen Traum: In unmittelbarer Nachbarschaft haben die Springers eine weitere Immobilie angemietet. Im August eröffnen sie nur 50 Meter neben dem Strandläufer-Café ein kleines Restaurant, in dem ein modernes Streetfood-Konzept umgesetzt werden soll. An der Front-Cooking-Station soll es dann Burger mit Wasserbüffelfleisch von der Insel Rügen und frischen Fisch direkt aus dem Hafen von Sassnitz geben, dazu Käse, Salate und andere Frischeprodukte aus der Region. Und in vier oder fünf Jahren gern einige weitere Coffeeshops.
Grit Gehlen
Kontakt:
Coffeeshop Strandläufer
Strandstraße 35
18609 Prora
Telefon: 038393 589741
E-Mail: info@strandlaeufer-prora.de
Internet: www.strandlaeufer-prora.de
Facebook: www.facebook.com/Café-Strandläufer-Prora-431365583705737
Tripadvisor: https://www.tripadvisor.de/Restaurant_Review-g2309041-d8006929-Reviews-Cafe_Strandlaeufer-Prora_Rugen_Island_Mecklenburg_West_Pomerania.html