Nach rund einem Jahr intensiver Vorbereitung und Weiterbildung hätte Jens Nowak seine Idee von der Selbstständigkeit als Einzelhändler beinahe begraben. Er fand einfach keinen passenden Laden. Im Rostocker Stadtgebiet Am Brink wurde er dann doch noch fündig: In seinem „Vom Fass“ – Geschäft bietet er als Franchise-Nehmer seit Ende 2012 allerfeinste Öle, Liköre, Whiskeys, Essige und viele andere Produkte an. Der Start ins Unternehmerleben lief super. Doch dann folgte eine lange Durststrecke.

Jens Nowaks Kunden lieben die kulinarische Entdeckungsreise. Doch der Unternehmer hat länger gebraucht als vermutet, sich einen festen Kundenstamm aufzubauen.
Foto: Grit Gehlen

Jens Nowak steht vor einem Tonkrug und zapft Waldhimbeeressig für eine junge Mutti zum Probieren ab. „Der hat nur vier Prozent Säure und schmeckt etwas milder als der normale Himbeer-Balsam-Essig“, sagt er und freut sich sichtlich, als die Kundin genüsslich den Löffel ableckt. Danach probiert sie noch einen Marillen-Likör und entscheidet sich auch für zwei Öle, die sie schon kennt. 27 Euro bezahlt die junge Frau und verlässt zufrieden und fröhlich mit ihrem Kinderwagen den Laden. Von diesen Kunden wünscht sich Unternehmer Jens Nowak mehr.
„Die Rostocker sind nicht sehr probierfreudig und sehr skeptisch gegenüber Neuem“, hat der gebürtige Sachse schnell nach der Eröffnung festgestellt. Das hatte er anders eingeschätzt.
Auch die Lage des Ladens fand der 50-Jährige zu Beginn noch ideal. An verschiedenen Tagen und unterschiedlichen Zeiten hatte er an mehreren Rostocker Standorten die vorbeieilenden Passanten gezählt. „Ganz klar ist auf der Kröpi in der Innenstadt am meisten los. Doch dort sind die Mieten extrem hoch. Die kann sich kein kleiner Einzelhändler leisten.“

Jens Nowak gibt seinen Kunden Tipps auf, zu welchem Gericht welches Öl am besten passt: Mit Kaffeeöl kann man beispielsweise wunderbar helles Fleisch würzen oder es für Schokoladenkuchen verwenden.
Foto: Grit Gehlen

Deswegen entschied sich Jens Nowak für die Nummer zwei laut seiner Zählung – die Gegend am Doberaner Platz in Rostock. „An guten Tagen laufen gut 500 Menschen in der Stunde an meinem Geschäft vorbei. Ich habe lange gegrübelt und hatte ja genug Zeit zu beobachten, warum ich weniger Kundschaft als gedacht habe. Die meisten wollen hier in der Gegend gezielt irgendwohin und machen keinen Einkaufsbummel wie auf der Kröpi.“ Das spürt der Jungunternehmer in seiner Kasse.

Die Franchisekette Vom Fass hat bundesweit über 20 weitere Standorte ausgeschrieben, darunter beispielsweise auch in Greifswald.
Foto: Grit Gehlen

Doch der gelernte Gastronom bleibt optimistisch. Er hat mehr als 20 Jahre in leitenden Positionen bei großen Hotelketten gearbeitet, die Ausbildung zum Weintrainer gemacht und auch seinen Franchise-Geber von sich und seinem Können überzeugt. 2011 bewarb sich Jens Nowak bei „Vom Fass“. „Die nehmen längst nicht jeden. Ich musste Weiterbildungen und Praktika absolvieren und eine Produktprüfung bestehen, ehe ich die Zusage hatte“, erinnert er sich.

Eine Rentnerin betritt derweil den Laden. Ein Fläschchen Pflanzenöl will sie verschenken und lässt es sich hübsch verpacken. Auch sowas lernte Jens Nowak im Praktikum.
Rund 100.000 Euro sollte er für die Gründung seines Ladens einplanen. Fast 7.000 Euro davon sind die Einstiegsgebühr ins System, dazu kommt die Ladeneinrichtung, das Kassensystem, die erste Warenausstattung, Miete und Kaution. „Das kann man aber alles auf der Website nachlesen“, erklärt Jens Nowak, der für eine Finanzierungsanfrage zur erstbesten Bank um die Ecke ging. „Ich wollte mir erst mal grundlegende Informationen holen und bekam gleich einen Kontakt zur Unternehmensberaterin Doreen Jacobsen.“ Sie half beim Businessplanschreiben, stellte neue Kontakte her und vermittelte auch ein weiteres Bankgespräch, das sehr gut lief“, freut sich Jens Nowak noch heute. Wegen der enorm hohen Finanzierungssumme empfahl die Bankberaterin die Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern. Diese bürgt nun – nach umfangreicher Prüfung des Geschäftsplans – für den Kredit. Ohne die Bürgschaftsbank hätte es mit der Finanzierung vielleicht nicht geklappt.

Essige und Öle, Weine, Spirituosen und Liköre allerfeinster Qualität werden direkt aus dem Fass, Glasballon oder Tonkrug abgezapft und in hübsch beschrifteten Flaschen verkauft, auf Wunsch auch liebevoll verpackt.
Foto: Grit Gehlen

Während die Finanzierung bei anderen Gründern meist das größere Problem ist, war es bei Jens Nowak die Suche nach dem passenden Geschäft. Insgesamt waren zeitweise bis zu sieben Makler beauftragt. Ende Juli 2012 war der 50-Jährige kurz davor seine Idee von der Selbstständigkeit aufzugeben. „Ich wollte wieder Bewerbungen schreiben und notfalls umziehen. Da kam der erlösende Anruf eines Maklers.“ In dem 40 Quadratmeter großen Ladenlokal war früher ein Bankshop. Rechts und links gibt es Bäcker, eine Drogerie, einen Handyladen, andere kleine Einzelhandelsgeschäfte und Wohnhäuser. Vor der Tür hält die Straßenbahn. Auch der Vom Fass-Partnerbetreuer fand die Lage ideal und stimmte dem Mietvertrag zu.
Im September 2012 feierte Jens Nowak seine Eröffnung. Über 100 Kunden kamen am ersten Tag. Das war sehr gut. Doch dann begann gleich die bereits erwähnte Durststrecke.
„Die Vom Fass-Franchise-Partner in andere Regionen Deutschlands, z.B. Baden Württemberg machen Umsätze, von denen ich nur träumen kann. Aber dort ist auch die Kaufkraft höher“, sagt Jens Nowak. Also ging er Klinken putzen und suchte sich Kooperationspartner. Ein Fitnessstudio, das es heute leider nicht mehr gibt, verschenkte bei Vertragsabschluss 10 Prozent Vom Fass-Gutscheine bei. Auch einer seiner damals beauftragten Makler verteilt solche Gutscheine im Wert von 10 Euro an neue Kunden.

Foto: Grit Gehlen

Monatlich wiederkehrend finden in seinem Geschäft auch Veranstaltungen statt. Das Whiskey Tasting ist immer sehr gut gebucht und auch der Wein-Abend und der Essig-Öl-Abend locken Probierfreudige an. Daraus werden dann Stammkunden. So mancher kommt mit seinen leeren Flaschen schon regelmäßig zum Vom Fass und lässt sie nachfüllen.
Und auch der Glühweinstand zur Weihnachtszeit vorm Laden lockt immer mehr Kunden an. Im Dezember wurde so viel Glühwein verkauft, dass die beiden Studentinnen, die immer mal wieder aushelfen, kaum mit dem Ausschenken nachkamen. Das war ein super Umsatz, freut sich der 50-Jährige.
„Es geht zwar deutlich langsamer als gedacht, aber stetig bergauf. Ja, ich würde wieder mit der Vom Fass-Geschäftsidee hier in Rostock einen Laden eröffnen“, antwortet Jens Nowak spontan auf die Frage, ob er den Schritt in die Selbstständigkeit rückblickend wieder wagen würde.

Bundesweit gibt es rund 160 Vom Fass-Läden. Das Franchise-System ist mehr als 20 Jahre alt, das Konzept erfolgreich erprobt und Jens Nowak fühlt sich gut betreut. „Klar, würde ich gerne den ein oder anderen regionalen Anbieter bei mir listen, aber dass das nicht geht, wusste ich vorher und habe mich damit arrangiert.“ Die Vorteile als Franchise-Nehmer überwiegen für ihn.
Jens Nowak begrüßt die nächsten Kunden. Ein junges Pärchen, das ohne Umschweife eine kleine Flasche Whisky aussucht: „Besser als Blumen“, sagt die Kundin beim Bezahlen. Jens Nowak nickt zufrieden und gibt anderen angehenden Unternehmern mit auf den Weg: „Man muss einen langen Atem haben. Die Puste darf einem nicht ausgehen. Wer sich das nicht zutraut, der sollte sich den Schritt in die Selbstständigkeit gut überlegen.“

Grit Gehlen

6.4.2016

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