AGG

BAG-Entscheidungen zu Fragen des Arbeitsrechts

Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist

Sind die Voraussetzungen einer außergerichtlichen Kündigung gegeben, ist der Arbeitgeber  rechtlich nicht gehindert, diese Kündigung mit einer Auslauffrist zu erklären

Urteil7Der Arbeitgeber ist also bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gezwungen, fristlos zu kündigen. Er kann die Kündigung grundsätzlich auch – etwa aus sozialen Erwägungen oder weil eine Ersatzkraft fehlt – unter Gewährung einer Auslauffrist aussprechen.
Ob die Gewährung einer Auslauffrist zu der Annahme berechtigt, dem Arbeitgeber sei die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zumindest bis zum Ablauf der Frist noch objektiv zumutbar, ist unabhängig davon und nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
Für sich genommen erlaubt die Gewährung einer Auslauffrist nach einem Urteil des BAG vom 13.05.2015 einen solchen Schluss nicht.
Ein Arbeitgeber, der ausdrücklich eine außerordentliche Kündigung erklärt hat, verzichtet durch die Gewährung einer Auslauffrist auch nicht auf sein Recht zur außerordentlichen Kündigung.
(BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 531/14)

Zulässigkeit einer Aufrechnung im Rahmen der Entgeltabrechnung

Bei der Aufrechnung von Gegenansprüchen gegen Lohnansprüche des Arbeitnehmers hat der  Arbeitgeber grundsätzlich die Pfändungsfreigrenzen von sich aus zu beachten.
Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber im Rahmen der Abrechnung Ansprüche, die noch gegenüber dem Arbeitnehmer bestehen, gegen Lohnansprüche aufrechnen.
Die Aufrechnung ist jedoch nicht zulässig gegenüber unpfändbaren Ansprüchen. Denn zur Sicherung des Existenzminimums des Arbeitnehmers und seiner unterhaltsberechtigen Familienangehörigen regelt die Zivilprozessordnung einen unpfändbaren gestaffelten und nach oben begrenzten Grundbetrag.

In einem vom BAG am 22.09.2015 entschiedenen Fall hatte die Arbeitgeberin gegen die Arbeitnehmerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch einen Aufwendungsersatzanspruch für eine in Anspruch genommene Weiterbildungsmaßnahme.
Mit der Endabrechnung hatte die Arbeitgeberin die noch bestehenden Rückzahlungsansprüche gegen den Restlohn der Arbeitnehmerin in Abzug gebracht. Dabei hatte sie aber auch den unpfändbaren Entgeltanteil der Arbeitnehmerin einbehalten.

Das BAG bestätigte seine Auffassung, dass die Arbeitgeberin gegen den unpfändbaren Betrag nicht aufrechnen durfte. Es betonte aber auch, dass diese Pfändungsbeschränkungen auch, ohne dass dies der Arbeitnehmer geltend machen müsse, vom Arbeitgeber grundsätzlich zu berücksichtigen seien.

Im Prozess habe demgemäß der Arbeitgeber von sich aus vorzutragen, dass die Aufrechnung unter Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften erfolgt sei.
(BAG; Urteil vom 22.09.2015 – 9 AZR 143/14)

Auswirkung eines Praktikums auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis

Ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt nach § 20 Satz 1 BBiG zwingend mit einer Probezeit.
Beide Vertragspartner sollen während ihrer Dauer ausreichend Gelegenheit erhalten, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen.
Die Dauer eines vorangegangenen Praktikums ist in diesem Zusammenhang nach einem Urteil des BAG vom 19.11.2015  nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen. Auf den Inhalt und auf die Zielsetzung des Praktikums kommt es dabei nicht an.

Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel.
Die Beklagte versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 01.08.2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen „Praktikantenvertrag” mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013.
Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten.
Mit Schreiben vom 29.10.2013, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis zum 29.10.2013. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden.
Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Die Beklagte habe sich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Diese aus Sicht der ausbildenden Betriebe erfreuliche Entscheidung setzt indes voraus, dass es sich bei dem Praktikum tatsächlich um ein solches handelt und nicht etwa aufgrund der tatsächlichen Durchführung ein Arbeitsverhältnis vorliegt.
(BAG, Urteil vom 19.11.2015 – 6 AZR 844/14, Kurzfassung)

2016-01-19

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