Margret Benz profitiert von Mund zu Mund Propaganda und verteilt Flyer und Visitenkarten: Die Kunden wollen was in die Hand, argumentiert die Jungunternehmerin. Foto: Petra Walter-Moll

Eine gute Adresse für Satz und Gestaltung

Margret Benz hat sich vor zwei Jahren als freiberufliche Grafikdesignerin in Wismar selbstständig gemacht. Damals war sie 53 Jahre alt. Ein Alter, in dem sich viele andere den Stress einer Existenzgründung nicht mehr zumuten und lieber im eintönigen und ungeliebten Job ausharren. Ob sich der Stress gelohnt und ein Traum in Erfüllung gegangen ist, auch darüber erzählt die Grafikdesignerin in diesem Interview.

Frau Benz, Sie sind nun schon seit zwei Jahren selbstständig. Wie haben Sie Ihren Start in Erinnerung?

Ich war sehr aufgeregt! Aber an meinem ersten Tag als Selbstständige passierte dann irgendwie gar nichts. Kein Kunde kam vorbei, keiner rief an. Und dabei hatte ich so lange auf diesen Tag hingearbeitet. Es war alles bestens vorbereitet, die Werbebanner im Schaufenster platziert, den Gründungszuschuss in der Tasche und mein Arbeitsplatz eingerichtet in der Bürogemeinschaft Bademutterstraße 20.

Warum sind Sie nicht im heimischen Büro gestartet? Das hätte bestimmt Kosten gespart. 

Vor dem Schaufenster der Bürogemeinschaft Bademutterstraße 20: Birgit Schmidt-Leinigen und Margret Benz. Foto: Petra Walter-Moll

Vor dem Schaufenster der Bürogemeinschaft Bademutterstraße 20:
Birgit Schmidt-Leinigen und Margret Benz.
Foto: Petra Walter-Moll

Schon während meines Studiums habe ich kleine Aufträge bearbeitet, es gab auch den Prototyp meiner Visitenkarte, die ich hier und da schon mal ausgelegt habe.
Im November 2012 erreichte mich dann eine Mail, ob ich nicht in die besagte Bürogemeinschaft einziehen möchte. Es sei noch ein Schreibtisch frei und „die ‚Bademütter‘ warten auf dich“, stand da sehr einladend formuliert.
Bis dahin hatte ich mir eigentlich vorgenommen von zu Hause zu arbeiten. Ich wollte die monatlichen Kosten so gering wie möglich halten. Die Einladung der ‚Bademütter‘ war allerdings doch sehr reizvoll. Ein Arbeitsplatz in der Wismarer Altstadt mit netten Leuten zusammen – den Gedanken trug ich bis März 2013 mit mir herum. Dann zog ich ein. Das Geld für ein paar Monate Miete hatte ich zusammen. Und ich gestehe: Über diese Entscheidung freue ich mich jeden Tag aufs Neue.
Durch die Bürogemeinschaft war es nicht so tragisch, dass sich ausgerechnet am ersten Tag kein Auftrag anbahnte.
Die ersten beiden Bücher konnte ich ab Oktober bearbeiten, dann folgten Anfang 2014 die nächsten.

Was genau bieten Sie als Grafikdesignerin an?

Ich arbeite gerade an einer umfangreichen Broschüre und die Besprechung für das nächste Buch ist für nächste Woche anberaumt. Dazwischen gibt es kleinere Aufträge wie z.B. Einladungskarten, Werbeplakate für monatliche Ausstellungen oder auch die Bildbearbeitung für eine Reprovorlage.
Ich arbeite meist für kleine und mittlere Unternehmen. Zu meinen Angeboten gehören das Entwickeln und Umsetzen von Grafikkonzepten und die Buchgestaltung. Ich entwerfe Flyer, Plakate, Außenwerbung, Logos, entwickle Corporate Designs und gestalte Broschüren und Bücher.
Meine Specials sind Bücher in Kleinstauflage, handgefertigt in der Buchbinderei hier gleich um die Ecke. Genauer gesagt in der Buchbinderei Angela Bock in der ABC-Straße. Entstanden sind bisher Bücher in Auflagen von ein bis zwölf Stück zu Themen wie Geschichten, Gedichte, Erinnerungen an die Flucht 1945, ein Reisebericht von 1929, Stammbaumlinien und vieles mehr. In diesen Büchern geht es meist um persönliche, familiäre Erinnerungen mit ganz besonderem Wert. Einige dieser Projekte stelle ich auf meiner Internetseite vor. 
Eine tolle Sache auch für Betriebschroniken oder ähnliches. Um diese Bücher zu gestalten, bekomme ich von meinen Kunden eine Sammlung von Textmaterial, Fotos, Zeichnungen u.s.w. Daraus erarbeite ich ein Gestaltungskonzept. Dazu gehören das passende Buchformat, das Papier, die Schriftauswahl, die Farbigkeit, der Seitenaufbau, die Gestaltungsidee für das Vorsatzpapier. In Zusammenarbeit mit dem Kunden und der Buchbinderin wird auch gleich zu Beginn das passende Leinen und die Art der Bindung ausgewählt.
Da ich gelernte Schriftsetzerin bin, biete ich auch die Gestaltung von Akzidenzen für den traditionellen Buchdruck an, z.B. für Visitenkarten oder Einladungskarten.
Ich mache all das mit viel Freude. Das persönliche Gespräch mit den Kunden hat dabei einen großen Stellenwert. Das fertige Produkt soll am Ende richtig gut und der Kunde zufrieden sein.
Besonders gern bearbeite ich umfangreiche Aufträge mit viel Gestaltungsfreiheit. Also, angefangen bei der Strukturierung, über die Konzeptentwicklung und –umsetzung bis hin zu Vorschlägen von Druck und Weiterverarbeitung.
Ich habe um mich herum auch ein kleines Netzwerk aufgebaut. Dadurch kann ich den Kunden, zusätzlich zu meiner Gestaltungsarbeit, ein Gesamtpaket anbieten. Wenn beispielsweise eine künstlerische Illustration gewünscht wird, arbeite ich mit meiner Tochter Johanna zusammen. Sie ist freiberufliche Illustratorin.
Wenn ein Lektorat oder der passende Werbetext bzw. -slogan gewünscht wird, arbeite ich innerhalb unserer Bürogemeinschaft mit Birgit Schmidt-Leinigen zusammen. Und hier könnte meine Aufzählung noch viel weitergehen…

Wie ist überhaupt die Idee entstanden, sich als Grafikdesignerin selbstständig zu machen?

Die Idee war immer da, nur der Mut und die Energie zum Durchstarten brauchte etwas länger. Ich mache jetzt genau das, was ich immer wollte. Glücklicherweise habe ich den Zeitpunkt erwischt, an dem alles passte.
Woher kam nun die Idee: Mit 16 hatte ich mich dafür entschieden, Schriftsetzerin zu werden. Mich hat der Umgang mit Schrift, mit Buchstaben und Zeichen beeindruckt. Ich wollte gestalterisch arbeiten und fand das Handwerkliche daran toll. Bis 1990 habe ich in verschiedenen Druckereien im Bleisatz gearbeitet und dann kam alles anders. Die Wende machte meinen Beruf museumsreif, was natürlich auch neue Ideen und Chancen auf den Plan rief. Nicht zu vergessen, ich war inzwischen verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Es folgten ein Studium für Umwelttechnik und immer wieder befristete Jobs.
Also war mein Plan mit 40: „Zurück zu den Wurzeln!“ In diesem Falle bedeutete das die Weiterbildung und Arbeit als Mediengestalterin oder auch: „Schriftsetzerin am Rechner“. Von 2007 bis 2012 absolvierte ich nebenberuflich ein Studium für Grafikdesign an der Hamburger Technischen Kunstschule.
Die betriebsbedingte Kündigung kam und das war mein Startsignal! Im Sommer 2012 begannen die Vorbereitungen für meine Selbstständigkeit.

Wie werden Kunden auf Ihr Angebot aufmerksam?

Meine Werbung funktioniert am besten durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Wo es passt, nehme ich an Veranstaltungen teil, nehme Einladungen wahr. Sich vorstellen, kennenlernen, reden und Kontakte knüpfen, das mag ich und es passt zu mir. Kunden die einmal da waren kommen wieder. Was will ich mehr?! Gute Arbeit spricht sich rum.
Einer meiner Leitsätze: „Freude an der Arbeit lässt vortrefflich Werk gelingen.“
Natürlich bin ich auch mit meiner Internetseite präsent und man findet mich in den Gelben Seiten. Aufmerksamkeit bringen auch meine Visitenkarten und Flyer oder Postkarten. Die Leute wollen Informationen in der Hand haben und suchen danach. Die Drucksachen müssen natürlich auch ansprechend und zum Lesen einladen, am besten gleich einzigartig sein.
Gut ist auch immer, nachzufragen, wie der Kunde den Weg – in meinem Falle in die Bademutterstraße 20 – gefunden hat.

Wie erfolgreich sind Sie bereits?

Der Start ist geschafft, eine gute Entwicklung ist spürbar. Ich habe inzwischen viele zufriedene Kunden, die auch wiederkommen und nicht zuletzt gute Aufträge. Und die dürfen jetzt gern mehr werden!

Wann schreiben Sie laut Businessplan schwarze Zahlen?

Die Kundenanfragen, Anzahl und Umfang der Aufträge haben sich in diesem Jahr sehr gut entwickelt. Der Businessplan hat sich als gute Hilfe und Orientierung bewährt.

Als Unternehmerin wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem haben Sie sich vor zwei Jahren fit gemacht für die Selbstständigkeit?

Wohl wahr. Am Anfang gab es viele Aufgaben, Anträge zu stellen, Probleme zu lösen und sich selbst immer wieder zu motivieren: „Das wird!“
Den Existenzgründerlehrgang habe ich bei ATI Westmecklenburg gemacht und konnte auch an einem Start-Up-Coaching teilnehmen. Das hat sehr geholfen. Es gab Unterstützung beim Businessplan, der Formulierung der AGBs und der Antragstellung für den Gründungszuschuss. An dem Coaching fand ich gut, dass ich je nach Bedarf meine Fragen stellen konnte, denn die entwickeln sich ja auch erst im Laufe der Zeit.
Dann habe ich verschiedene Beratungen der Initiative für Kreativwirtschaft genutzt, die hier in Wismar monatlich im Landesfilmzentrum kostenlos angeboten werden. Vor kurzem hatte ich dort ein sehr erfrischendes Gespräch mit Terry Krug. Von ihr bekam ich auch die Empfehlung, mich bei GRUENDER-MV.DE für ein Interview zu melden.
Auch die kostenfreien Beratungsangebote der IHK zum Thema Existenzgründung haben mir weitergeholfen. Bei Fachfragen haben mir Dozenten der Hamburger Technischen Kunstschule zur Seite gestanden.

Brauchten Sie Geld für Ihre Gründung? Haben Sie Fördermittel beantragt? 

Margret Benz profitiert von Mund zu Mund Propaganda und verteilt Flyer und Visitenkarten: Die Kunden wollen was in die Hand, argumentiert die Jungunternehmerin. Foto: Petra Walter-Moll

Margret Benz profitiert von Mund zu Mund Propaganda und verteilt Flyer und Visitenkarten: Die Kunden wollen was in die Hand, argumentiert die Jungunternehmerin.
Foto: Petra Walter-Moll



Den Gründungszuschuss habe ich beantragt und komplett erhalten. Seit Januar 2015 finanziere ich alles selbst. Die Grundausstattung wie Rechner, Scanner, Fotoausrüstung und Grafikprogramme wurden während des Studiums schon nach und nach angeschafft. Die monatlichen Kosten mussten natürlich auch zu Anfang abgedeckt und das Büro eingerichtet werden. Ich brauchte einen Laptop, einen großen Bildschirm, Schriftlizenzen, Werbematerialien, Briefpapier, Reisekosten usw.

Haben Sie schon den Durchbruch geschafft?

Ja. Besonders in der Anfangszeit mussten in allen Bereichen Wege gefunden werden. Da ist man Technikerin, Buchhalterin, Steuerfachfrau, Netzwerkerin, bei Kundengesprächen und dadurch eigentlich immer irgendwie unterwegs…
Alles muss in Ordnung sein, bloß nichts vergessen. Immer schön den Überblick behalten. Das bleibt in gewisser Weise auch so, aber der Zeitaufwand relativiert sich. Nun hat die eigentliche Arbeit ihren festen Platz in dem Ganzen.
Die Vielfalt der Aufträge war besonders wichtig dabei: zu Beginn der Gestaltungsarbeit auch die Weiterverarbeitung, z.B. Druck, Werbemittelherstellung, Buchbinderei im Blick zu haben, Fragen zu stellen, Möglichkeiten abzuwägen, Partner für die Umsetzung zu finden, den Kunden bestmöglich zu beraten und nicht zuletzt die Angebote richtig zu kalkulieren.
Inzwischen gibt es ein funktionierendes Netzwerk und zuverlässige Partner, die ich empfehlen kann. Auch eine gegenseitige Weiterempfehlung findet statt.

Wo sehen Sie in der nächsten Zeit ihre größten Herausforderungen?

Die Aufträge werden umfangreicher und die Auftragsdichte erhöht sich. Mein Zeitmanagement muss daran angepasst sein. Es sollte möglichst immer eine gute Balance zwischen größeren und kleineren Aufträgen geben. Dies lässt sich ja leider nicht so genau planen. Aber die Zeiteinteilung und die eigene Flexibilität kann ich steuern. Das klappt gut, erfordert aber immer neue Anpassung an die jeweilige Situation. Und man muss lernen aufzupassen: Nicht nur an den Job denken.
Ich mag Herausforderungen und freu mich drauf. Jeder neue Auftrag und die Zufriedenheit meiner Kunden motivieren mich.

Gibt es etwas, das noch fehlt? Ein Mitarbeiter, Geld oder eine Maschine?

Ach ja, wenn sich mal die Gelegenheit bietet werde ich mir eine traditionelle Handdruckpresse anschaffen, um kleine Drucke auf richtig gutem Papier machen zu können. Die Bleilettern und nötiges Handwerkszeug habe ich schon.

Nutzen Sie Social Media Kanäle um sich und Ihr Unternehmen bekannt zu machen?

Als erstes denkt jeder gleich an Facebook, aber das ist nicht mein Feld. Dort muss man zu viel Zeit investieren. Wie schon zu lesen, nutze ich freie Zeit lieber für direkte Kontakte. Zum Beispiel bin ich beim Wismarer Unternehmerinnenstammtisch mit dabei. So entstehen gute Kontakte und interessante Infos machen die Runde – auch auf der Facebookseite vom Unternehmerinnenstammtisch.
Ich stelle mich bei Xing und LinkedIn vor und bin darüber zu finden und erreichbar.

Ergänzen Sie bitte die folgenden Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig sein bedeutet für mich, … die Freiheit der eigenen Entscheidungen zu haben und verantwortungsvoll damit umzugehen. Immer im Blick: beste Qualität und Service!

Würde ich noch mal neu starten, dann… würde ich das wohl ein paar Jahre früher machen.

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich,….. nichts auszulassen, was bereichernde Informationen bringen kann. Kontakte knüpfen wo es nur geht. Und: durchhalten! Manches dauert einfach!

Die Fragen stellte Grit Gehlen

Kontakt:
Margret Benz
Bürogemeinschaft
Bademutterstraße 20
23966 Wismar

Telefon: Büro: 03841 3034221 / mobil: 0176 53638128
E-Mail: info@mb-satzgrafik.de

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23.10.2015

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