Urteil: Handwerker ohne eigenes Werkzeug ist kein selbstständiger Unternehmer

Verfügt ein Handwerker nicht selbst über das für  seine Arbeitsleistung notwendige Werkzeug, ist  er grundsätzlich abhängig beschäftigt und damit  sozialversicherungspflichtig, so das Landessozialgericht (LSG) Bayern.

Im entschiedenen Fall betrieb der Unternehmer U  eine Firma zur Sanierung und Renovierung von Gebäuden zum Zwecke der Vermietung bzw. Weiterveräußerung.  Er hatte drei angestellte Mitarbeiter und lässt seine gewerblichen Kernaufgaben von Nachunternehmern, die als freie Mitarbeiter einen Dienstvertrag haben, erledigen. Im Jahr 2010 beantragt U beim
Sozialversicherungsträger eine Statusfeststellung, ob einer seiner freien Mitarbeiter (M) abhängig beschäftigt ist.
Das LSG bestätigt mit Urteil vom 18.11.2014 die Vorinstanz und die Feststellung des Sozialversicherungsträgers, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestehen. Konkret hält das LSG fest, dass ein pauschaler „Dienstvertrag” keine konkreten Werkverträge für jede einzelne Baustelle ersetzt und das M Einzelweisungen unterlag. Trotz eines Monatsverdienstes von teilweise über 4.000 Euro erhielt M lediglich 18 Euro pro Stunde, und das über viele Jahre hinweg. Dies ist laut LSG deutlich weniger als der durchschnittliche Stundensatz von 47 Euro eines selbstständigen Handwerkers in Bayern. Von diesen 18 Euro muss M alle Arten von Beiträgen zu Kammern,Sozialversicherungsträgern und sonstige Unkosten bestreiten. Entscheidend ist aber für das LSG, dass M die maßgeblichen Werkzeuge und Arbeitsmittel fehlen, ohne die er seine Arbeit nicht erbringen kann.
U stellt die Baustelleneinrichtung und -infrastruktur, Großgeräte wie Betonmischer oder Stapler unentgeltlich zur Verfügung sowie alle Baumaterialien. M trägt also keinerlei unternehmerisches Risiko. Letztlich stellt er nur seine Arbeitskraft zur Verfügung. Daher leistet er abhängige Arbeit und ist als sozial schutzbedürftig anzusehen. Auch die spätere Tätigkeit des M für U über einen Arbeitsvertrag bei seinem Bruder führt nicht zu einem Entleihverhältnis. Vielmehr gilt hier gem. §§9,10 AÜG mangels Erlaubnis des Bruders zur Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen M und U als begründet. Und in diesem Fall handelt es sich ebenfalls um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung des M.
Kommt gemäß gesetzlicher Fiktion in §§ 9,10 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu Stande, begründet dies auch ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV, so dass der Arbeitgeber auch Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

(LSG Bayern, Urteil vom 18.11.2014, Az.:. 5 R 1071/12)

24.September 2015

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