„Ich wollte endlich eigene Ideen umsetzten“

In diesem Jahr feiert Andre Gräser aus Parchim sein 6. Firmenjubiläum. Der 31-Jährige hat sich 2009 mit einer Film- und TV Produktionsfirma selbstständig gemacht. Als gelernter Kameramann und studierter Grafik- und Webdesigner fühlte er sich damals für die Selbstständigkeit handwerklich bestens gerüstet. Welche Hürden und Tiefen er trotzdem meistern musste, erzählte der junge Mann in diesem Interview.

Bild: Anja Stenzel

Bild: Anja Stenzel

Herr Gräser, Ihr Start ist schon über ein halbes Jahrzehnt her. Erinnern Sie sich trotzdem noch an die ersten Tage Ihrer Selbstständigkeit? Lief alles wie geplant?

Die Idee gab es schon seit Jahren in meinem Kopf. Doch der Zeitpunkt der Umsetzung kam recht überraschend. Die ersten Wochen der Selbstständigkeit fühlten sich an, als schwimme man in unbekanntem Gewässer mit lückenhafter Seekarte.

Wer sind Ihre Kunden?

Vorwiegend klein- und mittelständische Unternehmen mit Geschäftsführern mittleren Alters und moderner, zukunftsorientierter Denkweise. Generell sind mir alle Branchen willkommen. Derzeit kommen viele Aufträge aus dem Finanzdienstleistungs-Sektor und, na klar, der Tourismusbranche. Gerne würde ich mal einen Film in der Großmaschinen-Industrie drehen.

Es gibt ja dieses Sprichwort: In Mecklenburg kommt alles 100 Jahre später. Wie aufgeschlossen sind die Firmen in MV für Imagefilme?

In MV ist es tatsächlich schwierig. Bei vielen Unternehmern herrscht noch das Zeitungs-Anzeigen-Denken. Das ist vertraut und hat sich lange bewährt. Doch die Zielgruppen sind zunehmend online unterwegs und Filme erleichtern da den Erstkontakt.
Wer heute einen Dienstleister oder ein Produkt sucht, „googelt“, um möglichst viel zu erfahren bevor er zum Telefon greift. Mit audiovisuellen Tools lässt sich die Hemmschwelle senken. Anders als z.B. in Hamburg, Berlin oder gar Brandenburg, ist das Verständnis für eine zeitgemäße Selbstdarstellung bei einigen Unternehmern in MV noch nicht gereift. Viele denken auch, dass ein eigener Imagefilm extrem kostspielig ist. Doch dem muss nicht so sein. Mittlerweile gibt es recht günstige Lösungen und das eigene Marketing sollte einem auch etwas wert sein, denn es gilt auch heute noch – „wer nicht wirbt, der stirbt“.

Wie ist überhaupt die Idee entstanden, sich mit einer TV- und Produktionsfirma selbstständig zu machen?

Ich war als Chef-Kameramann maßgeblich an der Weiterentwicklung eines regionalen Fernsehsenders beteiligt und sah und erlebte, welchen Anklang gute Produktionen in MV finden konnten. Und da ich nicht (mal wieder) nach Hamburg, Berlin oder in sonst eine Metropole wandern wollte, sondern meine Dienstleistungen vor Ort für MV’s Unternehmen anbieten wollte, gründetet ich mein Unternehmen in Schwerin. Mit den Jahren hat es sich immer weiter entwickelt und nun ist der Firmensitz in der schönen Stadt Parchim.

Wie erfolgreich sind Sie mit Ihrem Unternehmen?

Oft wird nach klassischen Imagefilmen gefragt, welche über ein gesamtes Unternehmen informieren und bei Markenbildung und Markenfestigung unterstützen. Im Zuge des Fachkräftemangels kommen aber auch immer häufiger Aufträge zu Recruting-Filmen. Die Unternehmen verstehen allmählich, dass sie über eine Stellenanzeige in der Zeitung hinaus aktiv um Fachkräfte werben müssen. Recruting-Filme, also eine filmische Stellenanzeige, in der sich das Unternehmen bei potentiellen Arbeitnehmern vorstellt, sind sehr gefragt und helfen beim Personalmarketing.

Welche Rechtsform haben Sie für Ihr Unternehmen gewählt und warum?

Einzelunternehmen; da sämtliches Fachpersonal, welches ich benötige, aus Freelancern besteht und mir so die größtmögliche Flexibilität bleibt.

Als Unternehmer wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem haben Sie sich damals fit gemacht für die Selbstständigkeit?

Tag und Nacht habe ich sehr viel Internetrecherche betrieben und Broschüren der IHK gewälzt. Sehr autodidaktische Methoden also.

Rückblickend: Welche Wissenslücken gab es vor dem Start in die Selbstständigkeit?

Das Steuerrecht erschloss sich mir erst während meiner selbstständigen Tätigkeit. AFA-Tabellen und Co. waren anfangs ein Graus. Es galt „learning by doing“.

Brauchten Sie Geld für Ihre Gründung? Haben Sie Fördermittel beantragt? 

Bild: Anja Stenzel

Bild: Anja Stenzel



Alles was ich für meine technische Erstausstattung brauchte, zahlte ich aus Ersparnissen. Auf jegliche Zuschüsse habe ich verzichtet. Das war zwar gewagt, doch für mich war es wichtig, den Start in die Selbstständigkeit aus eigener Kraft zu schaffen.

Was war der entscheidendste Faktor, dass Ihr Unternehmen den Durchbruch geschafft hat und welche Faktoren sind noch heute wichtig, dass es so bleibt?

Ein langer Atem, viel Geduld und die Bereitschaft, auch dann zu arbeiten, wenn andere schon lange Feierabend haben oder im Wochenende sind.

Wann schrieben Sie laut Businessplan schwarze Zahlen?

Einen formellen Businessplan gab es nicht. Nach anderthalb Jahren waren alle Ausgaben für die Erstausstattung wieder drin und die schwarze Null war erreicht.

Gibt es etwas, das noch fehlt? Ein Mitarbeiter, Geld oder eine Maschine?

Es gibt viele tolle Kameras und Spezialgeräte. Doch die kann und muss man nicht alle kaufen. Je nach Auftrag wird Personal und Technik zu gebucht, falls sie nicht im eigenen Bestand vorhanden ist.

Nutzen Sie Social Media Kanäle um sich und Ihr Unternehmen bekannt zu machen?

Facebook – aktuelle Zwischenstände von Produktionen, technische Neuerungen und fertige Filme werden gepostet.

Ergänzen Sie bitte die folgenden Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig sein bedeutet für mich,… eigenverantwortliche Freiheit.

Würde ich noch mal neu starten,… dann würde ich es genauso wieder machen.

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich,… den Glauben an sich selbst nie zu verlieren, auch wenn etwas Anfangs unmöglich erscheint.

Kontakt:
AGM PRODUKTION
Rudolf-Tarnow-Str. 17
19370 Parchim
Telefon: 0162 / 919 6000
E-Mail: info@agm-produktion.de
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Die Fragen stellte Grit Gehlen

06.08. 2015

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