Bisher war jeder Auftrag ein Erfolg

Kein Kleid von der Stange gibt es bei Sonja Wendorff. Die 25-Jährige Schneidermeisterin hat am 1. August 2013 eine Maßschneiderei in Dummerstorf bei Rostock eröffnet. Ihr Angebot gilt Frauen, die einzigartige Unikate tragen wollen – mode- und stilbewusst.

Wie gut die junge Gründerin bisher Fuß gefasst hat und was besser als erwartet lief, erzählt sie in diesem Interview.

“Einige Momente werde ich niemals in meinem Leben vergessen, wie zum Beispiel bei einer Kundin, der ich einen Hosenanzug angefertigt habe. Als ihr Anzug dann fertig war und wir die Endanprobe durchführten, betrachtete sie sich im Spiegel, fiel mir um den Hals und sagte überwältigt: „Genau so habe ich es mir vorgestellt!“” Fotos (2): privat

Frau Wendorff, die Eröffnung ist ja noch nicht so lange her. Bestimmt erinnern Sie sich noch an die ersten Tage Ihrer Selbstständigkeit. Lief alles wie geplant?

Nein, wie geplant lief es leider nicht, obwohl ich meine Selbstständigkeit über Monate geplant und vorbereitet habe.  Mein Plan war, ein Existenzgründerdarlehen zu beantragen, um das erste Jahr der Selbständigkeit zu sichern und in Ruhe durchstarten zu können.
Ich wollte einen Gewerberaum in Rostock anmieten, der schön zentral liegt und werbewirksame Schaufenster hat. Die Räumlichkeiten sollten gleich das richtige Flair erzeugen und natürlich wollte ich mir die nötigen Maschinen anschaffen. Auch dafür war der Kredit sehr wichtig.

Mein Businessplan wurde hochgelobt und es schien alles glatt zu laufen. Eine gute Vorbereitung lohnt sich – dachte ich da noch. Einen Monat vor meiner Gründung wurde mir allerdings der Kredit abgesagt. Die Begründung war frustrierend. Es lag weder an mir, noch an meinen Unterlagen. Es lag ganz einfach an meinem Handwerk. Maßschneider… hier in Rostock… das hat keine Zukunft.
Ich konnte es der Bank nicht einmal übel nehmen, da auch ich mir des Risikos von Anfang an bewusst war.  In Mecklenburg Vorpommern gibt es nur noch sehr wenige Maßschneider, da die entsprechende Kundschaft fehlt.  Doch ohne diesen Kredit konnte ich meine Pläne nicht umsetzen. Der Gewerberaum in Rostock muss warten und ich musste umdenken und neu planen.

Ich startete meine Selbstständigkeit bei mir zu Hause, in Dummerstorf. Ein Dorf im Landkreis Rostock.
Ich baute den privaten Keller aus und machte ihn zu meiner neuen Werkstatt. Zum Glück hatte ich ein paar tausend Euro angespart, um mir die wichtigsten Dinge für mein Unternehmen kaufen zu können.
In einem kleinen Raum, den ich im Rathaus angemietet habe, führe ich nun Kundengespräche und Anproben durch.

Zur „Atelier-Eröffnung“ lud ich einige Leute zur Modenschau ein. Auch in der Ostseezeitung kam ein kurzer Artikel über meine geplante Eröffnungsfeier. Ich muss ehrlich sagen, dass ich sehr skeptisch war und nicht mit vielen Gästen rechnete. Umso erstaunter war ich, als letztendlich doch gut 80 Gäste zur Eröffnung mit Modenschau ins Rathaus kamen.  Wir hatten nur 50 Plätze vorbereitet…
Viele waren sicherlich aus reiner Neugierde gekommen, aber trotzdem –  es tat gut!
Denn ich muss gestehen, es war ein harter Schlag für mich, dass mir der Kredit versagt wurde und ich meine Träume platzen lassen musste. Es hat lange gedauert bis ich das Gefühl loslassen konnte, dass ich nur halbherzig in die Selbständigkeit gestartet bin.

Wer sind Ihre Kunden und wie machen Sie auf sich aufmerksam?

Meine Kundschaft besteht überwiegend aus Frauen die qualitätsbewusst sind und ihren eigenen Stil haben. Es kommen Damen, die nicht in die Konfektionsbekleidung passen, oder die einfach etwas Einzigartiges haben möchten.
Das Alter der Kundinnen und Kunden ist sehr unterschiedlich. Der Kern ist im mittleren Alter, in dem man das nötige Kleingeld verdient, um sich den Abstand von der Massenbekleidung leisten zu können. Es kommen auch ältere Damen und Herren zu mir, die demnächst Goldene Hochzeit haben oder auch junge Mädchen, die Jugendweihe oder Abschlussball feiern und ein Unikat tragen möchten.
Aufmerksam werden meine Kunden auf mich durch Zeitungsartikel und bei Veranstaltungen an denen ich teilnehme. Halbjährlich veranstalte ich eine Modenschau zu der stets viele Gäste eintreffen. Im Moment findet man mein Unternehmen mit allen aktuellen Informationen auf Facebook. Eine eigene Homepage ist aber auch in Bearbeitung.

Wie ist überhaupt die Idee entstanden, sich selbstständig zu machen?

Der Entschluss, irgendwann ein eigenes Atelier zu leiten, fiel schon sehr früh. Nach meinen Schulabschluss war es leider nicht möglich, direkt in eine Ausbildung zur Maßschneiderin zu starten. Es gibt nur noch sehr wenig Betriebe die ausbilden und zu diesem Zeitpunkt waren die wenigen Ausbildungsplätze bereits vergeben.  Also machte ich ein freiwilliges Jahr in einer Maßschneiderei, in der ich später auch meine Ausbildung absolvieren konnte.  Nach den ersten Tagen hatte meine Chefin mich schon so sehr ins Herz geschlossen, dass ich gar nicht mehr nach Hause fahren wollte und täglich Überstunden machte. Nach nur drei Monaten fing meine Chefin an, mit mir über die Zukunft zu sprechen. Ihr Wunsch war, dass ich nach meiner Ausbildung ihren Betrieb übernehme. Ich fühlte mich damals sehr geehrt und freute mich über ihr Vertrauen, aber ich wusste auch: So einfach ist es sicherlich nicht, sich selbständig zu machen. Trotzdem war nach diesen wenigen Monaten mein Unternehmergeist geweckt.

In Rostock sind Sie längst nicht die einzige Maßschneidermeisterin. Wie setzten Sie sich von den Mitbewerbern ab?

Bei dem Wort Maßschneider, denkt ein Großteil der Bevölkerung an ältere Leute die aus braunmelierten Tweedstoffen klassische Anzüge oder Kostüme nähen. Mein Unternehmen setzt sich von meinen Mitbewerbern deutlich ab, da ich neben klassischen Stoffen auch viele Designerstoffe zur Auswahl habe. Ich fertige natürlich ganz nach den Vorstellungen meiner Kunden, aber auf Wunsch entwerfe ich auch allein ein Outfit, das zu dem Kunden passt. Halbjährlich veranstalte ich eine Modenschau, um die Zuschauer zu inspirieren und um ihnen zu zeigen, was an Schnittführung und Stoffkombination möglich ist.
Einmal im Monat gebe ich einen Nähkurs, bei dem die Teilnehmer auch Stoffe und Zubehör bei mir erwerben können.

Neben diesen Beispielen versuche ich auch stets die junge Generation für mein Handwerk zu begeistern. Als leidenschaftliche Ausbilderin liegt mir die Kreativität und Handwerklichkeit der Jugend sehr am Herzen. Jedes Jahr veranstalte ich dazu einen Wettbewerb unter einem bestimmten Motto. Beim letzten Design-Wettbewerb konnten Schüler aus der naheliegenden Gesamtschule Zeichnungen zum Thema Abschlussball einreichen. Der Gewinnerentwurf wurde von mir in die Realität umgesetzt und auf meiner letzten Modenschau präsentiert. Die Schülerin, die das Kleid gezeichnet hatte, war mit ihrer gesamten Familie anwesend. Ihr Kleid gefiel ihr so gut, dass sie es sich zu ihrem Abschlussball von mir maßanfertigen lässt.

Der Design-Wettbewerb ist eine tolle Idee!
Nun sind Sie seit einem halben Jahr selbstständig, welche Erfolge sind Ihnen besonders in Erinnerung?

Bis jetzt ist wirklich jeder beendete Auftrag ein kleiner oder größerer Erfolg gewesen. Alle Kunden waren zufrieden.
Einige Momente werde ich niemals in meinem Leben vergessen, wie zum Beispiel bei einer Kundin, der ich einen Hosenanzug angefertigt habe. Bei den zwei Anproben, die bei einem Maßauftrag anfallen, sieht man nur die Grundform des Kleidungsstückes und viele können sich nicht vorstellen, wie es letzt endlich aussehen wird. So ging es auch dieser Kundin. Als ihr Anzug dann fertig war und wir die Endanprobe durchführten, betrachtete sie sich im Spiegel, fiel mir um den Hals und sagte überwältigt: „Genau so habe ich es mir vorgestellt!“
Diese glücklichen Augen werde ich nie vergessen! Das sind Momente, die man nur erlebt, wenn man direkt mit dem Kunden zusammen arbeitet.

Welche Rechtsform haben Sie für Ihr Unternehmen gewählt und warum?

Ich habe ein Einzelunternehmen, weil ich allein die Verantwortung tragen möchte.

Als Unternehmerin wurden Sie sicher nicht geboren. Wie, wo und mit wem  haben Sie sich damals fit gemacht für die Selbstständigkeit?

Nein, geboren als Unternehmerin wäre übertrieben. Wobei ich schon immer wusste, was ich will und was meine Ziele sind. Der Unternehmergeist wurde während meines freiwilligen Jahres in einer Maßschneiderei geweckt, wie ich vorhin bereits kurz erzählte.
Ich erzähle die „Geschichte“ mal weiter: Leider ist alles, wie häufig, ganz anders gekommen, als geplant. Meine Chefin wurde leider schwer krank. Sie bekam nicht rechtzeitig die notwendigen Arzttermine, wodurch der Gehirntumor zu spät entdeckt wurde. Zu spät heißt in diesem Fall, dass sie starb. Und das, kurz bevor mein Freiwilliges Jahr zu Ende ging.
Die Meisterin, die bei ihr beschäftigt war, wollte den Betrieb nicht weiterführen, wodurch es zum Verkauf kam. Ein Unternehmen aus Warnemünde kaufte die Einrichtung ab und entschloss sich, die Auszubildenden zu übernehmen. Mein Glück war, dass meine verstorbene Chefin stets so gut von mir gesprochen hatte, sodass sich diese Firma dazu entschloss auch mich auszubilden. Dadurch landete ich bei einer Designerin und konnte dort meine gewünschte Ausbildung zur Damenmaßschneiderin absolvieren.
Das erste Lehrjahr fiel mir sehr schwer. An den rauen Umgangston in der Firma musste ich mich erst gewöhnen. Während der Ausbildung hätte ich mehr Unterstützung gebraucht und so schwor ich mir, wenn ich einmal selbstständig bin, dann werde ich selber Lehrlinge ausbilden und vieles anders machen.
Nachdem ich noch ein Jahr als Geselle gearbeitet hatte, erkundigte ich mich über die Meisterausbildung. Denn eins stand für mich fest: Ohne Meister mache ich mich nicht selbstständig! So ging ich dann für ein Jahr nach Düsseldorf und machte in Vollzeit meinen Meisterabschluss. Es war kein Zuckerschlecken und doch war jeder Tag, wie eine Erfüllung, da man so unglaublich viel lernte. Ohne diese Vorbereitung hätte ich es nicht geschafft! Nach dem Meisterkurs kam auch gleich die Probe für mich, denn ich bekam eine Meisterstelle in Flensburg. Dass ich das Atelier völlig allein leitete, die Kundengespräche führte, die Mitarbeiter anwies und den Lehrling ausbildete, war mir beim Antritt der Stelle noch nicht klar gewesen. Aber ich bestand die Probe und entschloss mich 2013 meinen Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen.
Ich hatte beim Meisterkurs alles dafür notwendige gelernt und den Rest erarbeitete ich mir mit Hilfe des Internets und Büchern.
So schrieb ich meinen Businessplan völlig alleine und hatte daher auch keine Schwierigkeiten ihn vor der Handwerkskammer zu „verteidigen“. Die Monate der Vorbereitung haben sich rückblickend  gelohnt – auch wenn der Kreditantrag geplatzt ist.
Wichtig ist nun, auch während der Selbstständigkeit stets weiter zu planen. Ich arbeite immer mal wieder meine Meisterunterlagen durch und neben meinem Bett liegen nicht nur Fantasybücher sondern auch  Bücher mit dem Titel „ Wie man mit schmalem Budget erfolgreich wirbt“ oder „So führe ich mein Unternehmen sicher“.

Rückblickend: Welche Wissenslücken gab es vor dem Start in die Selbstständigkeit?

Es gab selbstverständlich einige Bereiche in denen man nicht perfekt vorbereitet ist, jedoch waren mir all diese Schwierigkeiten zuvor bewusst und ich konnte mich entsprechend einarbeiten. Meine Dozentin im Meisterkurs hat immer gesagt: „Egal wie viel ihr hier bei uns lernt, RICHTIG lernt ihr all das erst, wenn ihr selbstständig seid!“

Brauchten Sie Geld für Ihre Gründung? Haben Sie Fördermittel beantragt?

Ich hätte Geld für meine Existenzgründung gebraucht, ja. Geplant war ein Existenzgründerdarlehen der KFW Bank. Dieser wurde mir jedoch von der Hausbank versagt.

Was ist der entscheidendste Faktor, damit Sie mit Ihrer Maßschneiderei den Durchbruch schaffen?

Das Qualitätsbewusstsein der Menschen muss zurückkehren. Es muss den Leuten wieder etwas daran liegen, wo ihre Kleidung herkommt, wer sie gefertigt hat und zu welchen Bedingungen.  Weg von der Massenbekleidung ist mein Motto!
Wann schreiben Sie laut Businessplan schwarze Zahlen?
Laut meines „neuen“ Businessplans schreibe ich ab April 2014 schwarze Zahlen. Aber auch nur, weil ich mir keine Investitionen leiste und weiter in meinem kleinen Atelier arbeite. Man muss klein anfangen. Ich bin zuversichtlich, dass mein Unternehmen mit der Zeit wachsen wird.

Wo sehen Sie in der nächsten Zeit ihre größten Herausforderungen?

Mein persönlicher Wunsch ist es, meine Auszubildende bestmöglich auf die Prüfungen vorzubereiten, sodass sie ihre Ausbildung mit „sehr gut“ abschließt.

Gibt es etwas, das noch fehlt? Ein Mitarbeiter, Geld oder eine Maschine?

Es fehlt natürlich Einiges, da ich ja das Gründerdarlehen nicht bekommen habe. Wir bräuchten eine zweite normale Nähmaschine für meine Auszubildende. Eine Spezialnähmaschine für bestimmte Nähte, um effektiver arbeiten zu können, wäre auch traumhaft. Toll wären auch größere Räumlichkeiten, wo Werkstatt und Atelier miteinander verbunden sind und wo man die Stoffe entsprechend präsentieren kann. Aber ich handhabe es jetzt so, dass ich immer aufs nächste Ziel hinarbeite und freue mich um so mehr, wenn ich mir nach einiger Zeit die benötigte Maschine leisten kann.

Nutzen Sie Social Media Kanäle um sich und Ihr Unternehmen bekannt zu machen?

Ich nutze Facebook und informiere meine Leser über aktuelle Neuigkeiten oder Termine die anstehen. Auch Bilder aus der Werkstatt werden veröffentlicht, um einen Eindruck unserer Arbeit zu vermitteln.

Ergänzen Sie bitte die folgenden Stichpunkte zu einem Satz:

Selbstständig sein bedeutet für mich, … die Erfüllung eines lang ersehnten Ziels.

Würde ich noch mal neu starten, dann … würde alles genauso passieren, wie es jetzt kam.

Angehenden Gründerinnen und Gründern rate ich, …. nicht an der Vorbereitung und Planung zu sparen.

Kontakt:

Sonja Wendorff
Griebnitzer Weg 2
18196 Dummerstorf
Telefon: 01522 – 666 29 39

E-Mail: sonja_wendorff@web.de
www: www.sonja-wendorff.de (befindet sich im Aufbau)
Facebook und Co:
www.facebook.com/expression.sonja.wendorff

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