Traum vom eigenen Cafe

Traum vom eigenen Cafe in Löcknitz

Witwe, zwei Töchter, Hartz 4-Empfängerin, gebürtige Ukrainerin – trotz schwieriger Vorzeichen hat Halyna Plöger es gewagt, ihren Traum zu verwirklichen. Im Frühjahr 2011 eröffnete die 38-Jährige in Löcknitz bei Pasewalk ein kleines geschmackvolles Cafe. In unmittelbarer Umgebung gibt es 17 Mitwettbewerber, hat die Jungunternehmerin gezählt. Doch ihr Cafe ist ganz anders, einzigartig in Löcknitz. Das lockt immer mehr Gäste an.

Halyna Plöger ist seit zwei Jahren selbstständig: “Montags ist mein Cafe geschlossen. Ein freier Tag in der Woche ist ganz wichtig, um andere Dinge zu erledigen und auch mal ein klein bisschen Zeit für sich zu haben”, sagt die Jungunternehmerin. Fotos: Grit Gehlen

“Am Nachmittag kommen die meisten Gäste, meist Omis und Opis. Die müssen jeden Tag ein bisschen raus und mögen meinen Kuchen gern“, erzählt Halyna Plöger, die während des Interviews die Tür nie ganz aus den Augen lässt. Sie möchte nicht im Sessel sitzend und schwatzend „erwischt“ werden. Die blonde Frau begrüßt ihre Gäste gern persönlich, in perfektem Deutsch und äußerst charmant.

Es ist Vormittag. Bei einer Tasse Kaffee genießt Halyna Plöger die Ruhe vor dem Sturm. Sie liest die Tageszeitung und testet dabei die Gemütlichkeit ihrer Sesselecke am Fenster.

Nach einem Studium zur Elektroingenieurin in der Ukraine arbeitete die damals alleinerziehende Mutter einer Tochter  fünf Jahre als Bedienung in einem Cafe in Polen. „Dort begann mein Traum von einem eigenen Cafe, der mich nie losgelassen hat“, sagt Halyna Plöger. In Gedanken richtete sie schon damals ihr Cafe ein, hatte genaue Vorstellungen. Doch der Traum musste warten. Die heute 38-jährige lernte einen deutschen Mann kennen und lieben, zog in ein Dorf bei Löcknitz, wurde Hausfrau und  bekam ein zweites Kind. „Seit fünf Jahren bin ich Witwe. Ich lebte nach dem Tod meines Mannes von Hartz 4, saß den ganzen Tag zu Hause. Bei einem Spaziergang in Löcknitz entdeckte ich im Januar 2011 ein leerstehendes Ladenlokal und wusste: Das ist der perfekte Ort für mein Cafe.“

Der Vermieter war schnell ausfindig gemacht. „Hier war früher ein Frisörladen drin. Schon während der Besichtigung wusste ich genau, was wie und wo stehen sollte. Ich hatte sofort Ideen, wie ich die Wände gestalten werde. Die Räumlichkeiten sind einfach perfekt für mein Cafe“, schwärmt sie noch heute und streicht fast liebevoll über die hellbraune  Wand. „ Meine Töchter, ein Freund und ich haben alles selbst gestrichen und tapeziert. An den Wänden sind die Farben von Cappuccino, Schokolade und Milchkaffee. Schon aufgefallen?“, fragt sie.

Unglaublich in welch kurzer Zeit Halyna Plöger alles umsetzte: „Beim Jobcenter war man von meiner Idee nicht begeistert. Sie sind Witwe, alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern. Kümmern Sie sich um die, wurde mir gesagt.“ Doch wer Halyna Plöger erlebt, glaubt ihr aufs Wort, dass sie sehr überzeugend und wortgewaltig auf die Jobcenter-Mitarbeiterin einredete. „Man darf vor Behörden keine Angst haben und muss sein Ziel immer im Auge behalten und dafür kämpfen“, sagt sie selbstbewusst. Die Jobcenter-Mitarbeiterin schickte Halyna Plöger schließlich zu einem Existenzgründerseminar und dort lernte sie Unternehmensberaterin Marina Raulin kennen.

„Die Frau ist mein großes Vorbild!“, sagt die Jungunternehmerin. Marina Raulin ist Botschafterin im Europäischen Netzwerk für weibliches  Unternehmertum und kümmert sich insbesondere um Existenzgründerinnen. Sie wurde Halyna Plögers persönliche Existenzgründungsberaterin. Das Land fördert solche Beratungen finanziell. Gemeinsam wurde ein Businessplan erarbeitet. Der war offenbar so überzeugend, dass das Jobcenter einen Zuschuss und sogar einen Kredit gewährte. So was hört man selten. „Der Kredit ist fast zurück gezahlt, jetzt kommt die letzte Rate“, sagt Halyna Plöger stolz. Privat lieh sie sich noch Geld von einer Freundin.

Von dem Geld richtete sie das Cafe ein: Sessel, Stühle, Tische, eine hochwertige Kaffeemaschine, eine Bar mussten gekauft und die Toilette umgebaut werden. Nebenbei ging Halyna Plöger viel Kuchen essen in der Region rund um Löcknitz bis nach Neubrandenburg. „Doch irgendwie schmeckte alles künstlich. Nichts hat mich wirklich überzeugt“, sagt sie achselzuckend. Sie weiß, dass viele verständnislos gucken, wenn sie erzählt, dass der Kuchen und die Torten jetzt aus einer 400 Kilometer entfernten Konditorei im Ausland kommen. Doch darüber lässt die Jungunternehmerin keine Diskussion zu: „In der Blaubeersahnetorte sind echte Blaubeeren und das schmeckt man auch!“ Basta!

Zum Selberbacken fehlt ihr die Küche und sie backe nicht gern, gibt die 38-Jährige zu. „Selber backen war nie mein Plan. Ich wollte immer nur ein eigenes elegantes Cafe und bedienen. Das ist meins!“

Am 29. April 2011, also drei Monate nachdem die junge Frau das leerstehende Ladenlokal entdeckt hatte, eröffnet sie ihr „Cafe Traum“. 30 Plätze gibt es hier. „Bei der Frauentagsfeier waren wir 47“, sagt sie lachend. „Ich musste Gäste wegschicken, weil kein Platz mehr war. Ähnlich war es, als wir eine Adventsfeier mit Verkauf von Gestecken gemacht haben.“

Das klingt nach Erfolg und so, als ob das Cafe in Löcknitz eine echte Marktlücke geschlossen hat. Halyna Plöger überlegt kurz: „Ich bin zufrieden. Das erste halbe Geschäftsjahr war nicht so leicht. Deutsche sind sehr vorsichtig, so nach dem Motto: Was ich nicht kenne…“, erinnert sich Halyna Plöger. Doch die Neugier überwog. Mittlerweile kann sie sich auf Stammkundschaft, vor allem ältere, verlassen. „Ich weiß wer Omi oder Uropi geworden ist. Einige feiern hier ihren Geburtstag oder bestellen den Kuchen bei mir, denn ich verkaufe Kuchen und Eis auch außer Haus. Im Sommer kommen viele Radler dazu. Sie haben mir erzählt, dass sie mein Cafe auf ihrer Tour immer einplanen.“

Auch zwei Jahre nach dem Start in die Selbstständigkeit hält Halyna Plöger Kontakt zu Unternehmensberaterin Marina Raulin. Von ihr kommen immer wieder Vorschläge für Aktionen und sie lädt zu Unternehmerinnen-Stammtischen ein. „Die Einladung nehme ich immer an. Kontakt zu anderen Unternehmerinnen zu knüpfen, ist sehr wichtig.“

Halyna Plöger flitzt zur Tür. Eine Frau, Ende 50, kommt mit ihrer Tochter herein. Man kennt sich. „Wir halten hier immer nach dem Einkaufen in Polen an. Der Kuchen schmeckt sehr gut und die Atmosphäre ist schön“, sagt die Mutter. Die Tasse Kaffee kostet im „Cafe Traum“ 1,70 Euro, ein großes Stück Kuchen zwischen 1,20 und 1,90 Euro. Ein Stück Torte maximal 2,50 Euro. „Wir leben hier in einer der ärmsten Regionen Deutschlands. Ich kann keine höheren Preise nehmen“, sagt Halyna Plöger.

Sie weiß, dass sie mit ihrem Cafe nie reich werden wird. „Aber ich bin unter Leuten, komme raus, anstatt nur rumzusitzen. Die Deutschen haben so viele Möglichkeiten und Chancen. Man muss sich nur trauen, Mut haben und etwas riskieren!“

Autorin: Grit Gehlen | 26.03.13

Kontakt:

Cafe Traum
Inhaberin Hylana Plöger
Chauseestraße 102
17321 Löcknitz

Telefon: 039754 – 526028
E-Mail: cafetraum@email.de
www: http://de-de.facebook.com/cafetraum.locknitz

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